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Schüchtern ist nicht gleich schüchtern

DMZ – SOZIALES/LEBEN ¦ Patricia Jungo ¦

KOMMENTAR

 

Wie gut wir Menschen das Bewerten und Beurteilen beherrschen, war schon lange vor der Corona-Krise klar. Kaum sind wir auf der Welt, fängt das Analysieren schon an und es ist einfach Gang und Gäbe schon Babys zu bewerten, zu vergleichen und in irgendwelche Schubladen zu stecken. Alles ist natürlich menschlich und nicht böse gemeint, aber dass es den „Bewerteten“ längst nicht immer gut tut, sollte nicht vergessen werden.

 

Insbesondere, wenn die Kleinen eingeschult werden, befürchten einige Eltern, dass ihr Kind nicht den Erwartungen entspricht. Gerade bei eher introvertierten und dazu noch schüchternen Kindern sorgen sich Papa und Mama. Wird sich ihr Kind behaupten und wehren können, seinen Platz finden? Schüchternheit ist in der Tat öfters ein Grund, dass Kinder eher zu Aussenseitern werden und nicht dazugehören, wie sie es sich wünschen. Dabei war Schüchternheit bei unseren Ahnen jeder Alterskategorie ein Verhalten, das das Überleben sichern sollte. Doch heute wird ein vorsichtiges Verhalten sehr oft negativ gewertet. In der Gesellschaft herrscht zuweilen die Meinung vor, dass das schüchterne Kind überbehütet wird oder an mangelndem Kontakt zu anderen Menschen leidet. So pauschal lässt sich dies natürlich nicht behaupten.

 

Schüchternheit ist ein Charakterzug, der vom Temperament eines Kindes abhängt und also angeboren ist. Die Unterschiede sind schon bei sehr kleinen Kindern und oft auch bei Geschwistern da: Während ein Kind neugierig und ohne Angst auf alles Neue zugeht und ausprobiert, braucht das andere zuerst Zeit, um zu beobachten und die Lage einzuschätzen. Diese Vorsicht darf nicht mit einer schlechten Eigenschaft gleichgesetzt werden. Erst, wenn das Kind unter seiner Schüchternheit leidet, diese zum Problem wird und in ein überängstliches Verhalten umschlägt, das sich auf fast alle Menschen und Situationen bezieht, braucht es die Unterstützung der Eltern, um diese extreme Schüchternheit zu überwinden.

 

Der erste Schritt ist es das Kind zu akzeptieren, wie es ist und mit ihm sanft den Weg zu gehen, mehr Selbstvertrauen zu gewinnen. Es versteht sich von selbst, dass weder Autorität noch Vorwürfe oder Zwang dazu geeignete Mittel sind. Sinnvoll eingesetztes Lob, Erfolgserlebnisse und Geduld bringen das Kind in seinem Tempo weiter. Manche Kinder brauchen eben etwas länger die wohltuende Rückendeckung der Eltern. Je mehr das Kind spürt, dass es geliebt ist, wie es ist - schüchtern oder unsicher -, desto mehr Selbstsicherheit und Selbstvertrauen wird es gewinnen. Es wird spüren, dass es in Ordnung ist, schüchtern zu sein und es das Wichtigste ist, dass es sich zugehörig statt ausgeschlossen fühlt und auf seinem Weg zu mehr Selbstvertrauen nicht allein gelassen wird.


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