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Deutsches Gericht macht sich unbeliebt und erklärt Corona-Regeln für ungültig

DMZ – INTERNATIONAL ¦ Walter Fürst ¦

  

Ein Dortmunder Richter hat eine Corona-Schutzverordnung für unwirksam erklärt. Schon wieder entscheidet ein Gericht gegen die Gesellschaft und Gesundheit. Drei Bürger reichten, das Urteil zu provozieren, indem sie Beschwerde gegen ihre Bussgeldbescheide eingereicht haben. Obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, wird die Entscheidung bereits jetzt von Kritikern der aktuellen Beschränkungen gefeiert. Ein falsches Signal der "Rechtssprechung" und eines, das in Zeiten einer Pandemie nicht tragbar ist.

 

Corona bringt nie dagewesene Einschränkungen: Kontaktverbote, Abstandsgebote, Schliessung von Schulen, Kitas, Gastronomie und Kirchen. Reisebeschränkungen sowie harte Sanktionen bei Verstössen - war und ist das alles recht-und verhältnismässig? Die Gerichte heben zunehmend Verordnungen auf; der Ruf nach stärkerer parlamentarischer Beteiligung wird lauter. Aber die Kritik ebenfalls.

 

Ein ungewöhnliches Urteil am Amtsgericht Dortmund sorgt für Debatten im Internet: Ein Richter hat am Montag drei Männer freigesprochen, die im Frühjahr gegen die damals geltenden Kontaktbeschränkungen verstossen haben sollen. Seine Begründung: Ein derart gravierender Grundrechtseingriff bedürfe eines förmlichen Gesetzes durch das Parlament - und nicht nur einer Verordnung durch die Regierung. Die Staatsanwaltschaft hat bereits Beschwerde eingelegt, über die jetzt das Oberlandesgericht Hamm entscheiden muss. Das Urteil wurde laut Amtsgericht von dem Kollegen "ausführlich begründet" und soll zeitnah veröffentlicht werden.

 

Sollte das Urteil standhalten, könnte es eine enorme Signalwirkung für die ganze Bundesrepublik haben.

 

Ein in der Coronaleugner-Szene bekannter Anwalt zitierte einen der Freigesprochenen mit den Worten: "Heute fand vor dem Amtsgericht Dortmund ein Prozess statt, bei dem uns das gemeingefährliche Verhalten vorgeworfen wurde, an einem warmen Frühlingsabend zu dritt in Merkeldeutschland zusammen gestanden zu haben - ein angeblicher Verstoss gegen die zu diesem Zeitpunkt gültige Coronaschutzverordnung NRW. Doch vor Gericht gab es für die staatlichen Behörden eine dicke Klatsche!"

 

Befürworter der Corona-Regeln sehen darin eher eine Gefahr: "Sollte das Urteil bestätigt werden, werden wir bald Bilder wie in Italien haben", heisst es in einem Tweet. In Italien hatte sich die Lage im Frühjahr dramatisch zugespitzt. Es gab keinen Platz auf Intensivstationen, Patienten konnten nicht behandelt werden, von Entscheidungen über Leben und Tod war die Rede. Zuletzt warnten auch immer mehr deutsche Politiker vor "italienischen Verhältnissen", wie Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans am Sonntag. 

 

Schon früher teilten diverse Juristen ihrer Sorge über die aktuellen "Eingriffe" in die  Grundrechte und verliehen dieser Ausdruck: „Die rechtsstaatliche Hygiene muss dringend wiederhergestellt werden, sonst droht hier das grösste Infektionsrisiko.“ So formuliert es Oliver Lepsius, Professor für Öffentliches Recht und Verfassungstheorie an der Universität Münster. In einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau wies er auf einen „rechtsstaatlich bedenklichen Vollzugseifer“ von Behörden hin. Sein Kollege Niko Härting, Professor und niedergelassener Anwalt in Berlin, spricht von einer „Selbstentmachtung der Parlamente“ in Zeiten von Corona-Verordnungen.Gerichte sind

 

Hüter der Verfassung

Auch angesichts dieser aktuellen bayerischen Entscheidung gilt: Die Grundrechte sind systemrelevant und können vom Staat nicht willkürlich suspendiert und in Quarantäne geschickt werden. Daher prüfen die Gerichte bundesweit die staatlichen Verordnungen zur Beschränkung der Freiheitsrechte der Bürger streng nach dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit, d.h. jede Einschränkung von Freiheitsrechten wird darauf überprüft, ob sie real geeignet ist das angestrebte Ziel des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung zu erreichen, ob sie das mildeste denkbare Mittel zur Erreichung des Schutzes der Bevölkerung vor Ansteckungsgefahren darstellt und ob die Einschränkung der Freiheitsrechte in einem angemessenen Verhältnis zu dem erstrebten Zweck steht.

 

Dabei hat sich inzwischen die Meinung durchgesetzt, dass der grundsätzlich erstrebenswerte  Gesundheitsschutz der Bevölkerung nicht über allem steht, insbesondere nicht über der durch Art. 1 GG geschützten Menschenwürde.

 

Was bedeutet dies in der praktischen Anwendung für die einzelnen Massnahmen wie Maskenpflicht, Kontakt- und Versammlungsverbote, Einreisebeschränkungen und Beherbergungsverbote?

 

Ist die - erweiterte - Maskenpflicht rechtlich zulässig?

Anfänglich stark umstritten ist die allgemeine Maskenpflicht inzwischen in der Bevölkerung weitgehend akzeptiert und wird zur Zeit in ausgewiesenen Risikogebieten auf Aussenbereiche wie Fussgängerzonen und sonstige stark frequentierte öffentliche Flächen ausgeweitet. Die Maskenpflicht wird - wie auch die anderen Beschränkungen der Freiheitsrechte - auf die Generalermächtigung des § 28 Abs. 1 IfSG gestützt. Zum Schutz des überragenden Gemeinschaftsguts der Gesundheit der Allgemeinheit sowie der Eindämmung der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Covid-19-Virus hat eine allgemeine Maskenpflicht begrenzt auf Geschäfte und den ÖPNV vor dem BVerfG und den bundesdeutschen Gerichten grösstenteils Bestand (BVerfG, Beschluss v. 7.7.2020, 1 BvR 1187/20 für das Saarland; Gera, Beschluss v. 3.4.2020, 3 E 432/20 Ge; OVG Münster, Beschluss v. 6.4.2020, 13 B 398/20.NE; BVerfG, Beschluss v. 7.4.2020, 1 BvR 755/20). Ob diese Rechtsprechung für die teilweise schon eingeführte und künftig zu erwartende erweiterte Maskenpflicht in Aussenbereichen wie Fussgängerzonen in Risikogebieten übernommen wird, bleibt abzuwarten.

 

Maskenpflicht auch an Schulen rechtmässig

Einige Oberverwaltungsgerichte haben auch die Maskenpflicht an Schulen in diversen Eilverfahren nach summarischer Prüfung für „voraussichtlich rechtmässig“ erklärt. Nach Auffassung der Gerichte kann die Maskenpflicht - auch im Unterricht - nach wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu beitragen, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus an Schulen und damit auch in der Bevölkerung einzudämmen. Sie sichere damit den regulären Schulbetrieb im Präsenzunterricht und damit den Anspruch der Schüler auf schulische Bildung und Erziehung (OVG Münster, Beschluss v. 20.8.2020, 13 B 1197/20; BayVGH, Beschluss v. 7.9.2020, 20 NE 20.1981; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss v. 15.10.2020, 3 MR 43/20).

 

 

Quellen: 

  • OVG Münster
  • BAyVGH
  • Twitter
  • NTV
  • wa.de

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