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Schweden warnt die Schweiz - Viele Tote und keinen wirtschaftlichen Erfolg

DMZ – POLITIK ¦ Walter Fürst und Anton Aeberhard ¦

KOMMENTAR

 

Der schwedische Sonderweg brachte ökonomisch keine Vorteile, dafür überproportional hohe Zahlen. Menschenleben wurden sinnlos für die Wirtschaft geopfert. Die Ethikkommission hat viel Arbeit und gar die Ökonomen in Schweden fordern nun ein Umdenken. Trotz diesen Erfahrungswerten scheint die Schweiz noch nicht verstanden zu haben. Auch jetzt noch nicht, stand doch bereits vorher unumstritten fest, dass ein Menschenleben immer über wirtschaftlichen Interessen stehen muss.

 

Die Schweiz hat ihren guten Ruf in den letzten zwei Monaten vollends ruiniert, die Schlagzeilen sind nicht nur europaweit, sondern gar global katastrophal. Die Schweiz wird lange an diesem Imageproblem zu kauen haben und er daraus resultierende wirtschaftliche Schaden wird weit grösser sein, als der, den die Politiker der FDP und SVP und Wirtschaftslobby in den letzten beiden Monaten bereits angerichtet haben.

 

Der Schwedenweg

Kein Lockdown, keine geschlossenen Geschäfte und Restaurants, sondern Verhaltensempfehlungen: Schweden liess der Bevölkerung während der Pandemie viel Bewegungsfreiheit. Deshalb waren die Erwartungen gross, dass sich das Land international gesehen wirtschaftlich besser halten könnte. Doch dies ist laut aktuellen Daten gründlich misslungen. Auf Kosten der vielen Menschen, die deshalb sterben mussten. Aber auch hier werden die Verantwortlichen die Konsequenzen nicht zu tragen haben. Es sind immer die anderen. In der Schweiz steht einer der Hauptverantwortlichen der Schweizer Katastrophe sogar zur Diskussion als Schweizer des Jahres. Ein Schlag ins Gesicht aller betroffener Familien.

 

Der Vergleich

Im Vergleich Schweden / Schweiz muss erwähnt sein, dass die schwedische Bevölkerung die Appelle der Regierung sehr gut befolgt hat, was auch Mobilitätsdaten bestätigen: Viel Home Office, eingeschränkte Reisen und weniger soziale Kontakte. Deshalb stieg die Zahl der Verstorbenen weniger massiv, als in der Schweiz. Schweden hat rund 10.2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, die Schweiz 8.6 Millionen. In Schweden sind bislang knapp 7000 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben, in der Schweiz 5200. Noch vor 3 Wochen waren es in Schweden 6100 und in der Schweiz knapp 3000. In der Schweiz kamen in 3 Wochen also 2200 Todesfälle dazu in Schweden „nur“ 900. Das liegt an der Befolgung der Appelle der Regierung, was in Schweden besser funktioniert als in der Schweiz. Während in der Schweiz so viele Todesfälle in dieser kurzen Zeit zu verzeichnen waren, scheinen die Hauptsorgen zu sein, ob man Skifahren gehen und über Weihnachten feiern kann. Darüber schütteln die Menschen aus den Nachbarstaaten nicht umsonst ihre Köpfe.

 

Wie Schweden versucht auch die Schweiz, jetzt einen Weg ohne landesweiten Shutdown zu gehen. Der grösste Unterschied bei den Massnahmen dürfte aber die Maskenpflicht sein, die in der Schweiz inzwischen an allen Orten gilt, an denen der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann – auch draussen. Gleichzeitig sind die Schweizer Restriktionen im Vergleich zu Schweden und den Nachbarländern deutlich schwächer; dies auch als Resultat einer Debatte, die weniger Einschränkungen für die Wirtschaft forderte. Nun macht die Schweiz im Ausland Schlagzeilen, wie es sie über Schweden seit dem Frühjahr gab: Eine lockere und falsche Strategie, die zu hohen Todeszahlen führt.

 

Reaktion Schweden

Die schwedische Regierung hat angesichts der deutlich steigenden Corona-Zahlen die Schliessung aller Gymnasien im Land angeordnet. Der Unterricht werde ab Montag bis zu den Weihnachtsferien virtuell stattfinden, kündigte Regierungschef Stefan Löfven am Donnerstag an. Scheden kämpft derzeit mit einer zweiten Corona-Welle, deren Höhepunkt erst Mitte Dezember erwartet wird.

Während der ersten Corona-Welle waren die Gymnasien bereits von Mitte März bis Mitte Juni geschlossen worden. Kinderkrippen, Grund- und Hochschulen waren von der Massnahme nicht betroffen. Auch jetzt sollen sie weiter geöffnet bleiben. Die Schliessung der Gymnasien gilt vorerst bis zum Ende der Weihnachtsferien am 6. Januar. Als weitere Reaktion verhängte die Regierung Mitte November erstmals verbindliche Einschränkungen, unter anderem für Treffen in der Öffentlichkeit und den Verkauf von Alkohol. Treffen in privaten Wohnungen werden durch die Regelung jedoch nicht eingeschränkt und auch eine Maskenpflicht gibt es nicht.

 

Skitourismus

Während es für die meisten Länder klar ist, dass wir uns in einer Pandemie befinden und deshalb Nebensächlichkeiten und persönliche Annehmlichkeiten sekundär sind, ist für die bürgerlichen Parteien der Schweiz einmal mehr wichtig, einfach das Gegenteil von dem zu verlangen und zu fordern, was die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung will. Mit bürgerlich haben diese Parteien indes nichts mehr zu tun. Längst ist durch ihre Entscheide und Vorstösse (auch in den letzten Tagen) klar worum es den Parteien geht. Um Geld, Macht und Reichtum auf Kosten der Allgemeinheit. Der Rest wird sorgsam ausgeklammert, so z.B,. die gesamte Kulturbranche. Bundesrat Ueli Maurer stellte auch bereits klar, dass sich die Schweiz keinen zweiten Lockdown leisten wird. Einen Lockdown, den es gar nie gegeben hat als Vorwand zu benutzen ist symptomatisch für Vertreter der SVP. Eure Parteien haben gestern in einem gemeinsamen Medienauftritt die möglichen Einschränkungen für den Wintertourismus kritisiert.

 

Absurd wie heuchlerisch

In diesem Zusammenhang schrieb die SP Schweiz einen offenen Brief an die Parteipräsidentinnen und -präsidenten von CVP, FDP und SVP aus dem klar hervorgeht, dass das Vorgehen untragbar ist und wörtlich „absurd wie heuchlerisch“ befunden wird. Diese Parteien haben gestern in einem gemeinsamen Medienauftritt die möglichen Einschränkungen für den Wintertourismus kritisiert. Gleichzeitig haben sie einen Aufruf an den Bundesrat unterschrieben, in dem gefordert wird, dass der Bundesrat dafür sorgen soll, dass das World Economic Forum (WEF) weiterhin in der Schweiz stattfindet. Ein „Event“, der 2020 (hoffentlich letztmals) in Davos stattgefunden hat und den Steuerzahler mindestens 9 Millionen Franken an Sicherheitskosten für 4 Tage kostete! Rechnet man die Armee-Ausgaben hinzu, sind es mehr als 41 Millionen Franken, welche die öffentliche Hand finanzierte. Eine veritable Katastrophe. Obwohl die private WEF-Stiftung selber eigentlich über 321 Mio. Fr. Reserven verfügt. Tatsachen, die schwer wiegen. Ein Blödsinn in der heutigen Zeit, in welcher Konferenzen auch Online abgehalten werden können. So wird der Wirtschaft vor Ort, der Umwelt geschadet.

 

Was die Schweiz jetzt braucht, sind tiefere Fallzahlen – keine Selbstinszenierung

Im dem offenen Brief halten Mattea Meyer und Cédric Wermuth fest, dass genannte Parteien bereits mitten in der ersten Welle der Pandemie massiven Druck auf Bundesrat und Kantone ausgeübt hätten, damit die Massnahmen schnell wieder gelockert wurden und die Kantone schalten und walten konnten, wie sie wollten. Die Folge sei, dass die Schweiz mit unkontrollierten Fallzahlen in die zweite Welle schlitterte und jeden Tag Menschen sterben.

 

„Die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat hat durchgesetzt, dass mit der Aufhebung der gesundheitspolizeilichen Massnahmen auch die Wirtschaftshilfen viel zu früh ausgesetzt wurden. Im Vordergrund stand: Die Finanzen retten! Die Folgen sind Rechtsunsicherheit und prekäre Situationen für zehntausende von Lohnabhängigen und KMU.“

Mattea Meyer, Cédric Wermuth

 

Noch in dieser Woche habe sich CVP, FDP und SVP euch geweigert, die notwendigen Hilfsmassnahmen zu ergreifen, insbesondere um die Existenz der bedrohten KMU, Selbständigen und deren Arbeitsplätze zu sichern, etwa durch einen Teilerlass der Geschäftsmieten. Das habe das Vertrauen in die behördlichen Massnahmen und die Bereitschaft, Schutzmassnahmen mitzutragen, weiter untergraben. „Aktuell sind Infektionen und Todesraten in der Schweiz rekordhoch. Und in dieser Situation inszeniert ihr euch und eure Parteien in einem Schmierentheater als Retter der Skigebiete. Per Erklärung wollt ihr verbieten, dass die von Bundesrat, Kantonen, Skigebieten und der Wissenschaft erarbeiteten Schutzmassnahmen ergriffen werden. Derweil sagen internationale Veranstalter und Touristinnen und Touristen reihenweise Events in der Schweiz ab. Nicht etwa, weil es Schutzmassnahmen gibt, sondern weil die Ansteckungszahlen zu hoch sich. Die Schweiz ist zum Corona-Hotspot geworden, gerade weil der Profit über die Gesundheit gestellt wurde.“, heisst es weiter im Schreiben. Kein vernünftiger Mensch könne bestreiten, dass die Skisaison dieses Jahr nur mit Schutzmassnahmen überhaupt stattfinden könne. Mit den Forderungen der drei Parteien würden diese nicht die Skisaison retten, sondern vielmehr riskieren, dass sie zum Totengräber der Skigebiete würden.

 

„Die Schweiz ist nicht zuletzt wegen euch zum Corona-Hotspot geworden, es droht ein enormer Reputationsschaden.“

Mattea Meyer, Cédric Wermuth

 

Um einer gefürchteten Corona-Welle über die Festtage vorzubeugen, will die EU ihrerseits den Skibetrieb bis 10. Januar ganz aussetzen. Die Schweiz muss sich nun nicht nur den Vorwurf „für Geld über Leichen zu gehen“ anhören.

 

 

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