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Covid-19 - Tatsachenbericht - Back to the roots

DMZ – GESELLSCHAFT ¦ Ruedi Mazenauer ¦

GASTKOMMENTAR

 

Im Frühling 2020 habe ich mich freiwillig gemeldet, um im Pandemiefall in meinem alten Beruf als Bestatter auszuhelfen. (Natürlich in der Annahme, dass dieser Fall nie eintrifft). Nun bin ich im Einsatz und ich möchte euch berichten, wie es mir dabei geht und welches Fazit ich für mich ziehe.

 

Ich habe Muskelkater vom Tragen und Stemmen. Jedes Mal Vollschutz mit Chemieanzug, Schutzmaske, 3 Lagen Handschuhe (nach einem Arbeitsschritt zieht man eine Lage ab) und Schutzbrille. Nicht alle Covid-Verstorbenen sind im Spital, sondern auch Zuhause und die mit am meisten Gewicht wohnen wie gewohnt im obersten Stockwerk. Es ist schwere körperliche Arbeit, wenn man 80-120 kg zu zweit trägt - mit Schutzmaske. Manchmal musst du innehalten, weil du bei der körperlichen Anstrengung keine Luft mehr bekommst und der Schutzanzug fühlt sich nach kurzer Zeit an wie eine Privat-Sauna. Man muss sich in jeder Situation unheimlich konzentrieren, die Arbeitsschritte überlegen, damit man keine Kontamination mitschleppt.

 

Denn 1h später bist du wieder in einem Altersheim oder in einer anderen Familie und du darfst nicht ein Virus-Überträger sein.

In dieser Situation, ausser Puste, die grösst mögliche Pietät zu halten, dem Mueti möglich zu machen von ihrem Mann Abschied zu nehmen, auch noch die richtigen Worte zu finden, ist eine echte Herausforderung!

 

Die Körper selbst sind verschieden, die einen haben einen entspannten Ausdruck, den anderen merkst du an, dass sie einen Todeskampf hatten. Ich wünschte jedem, dass er friedlich, ohne Angst, ohne Panik und ohne Atemnot die Augen schliessen darf. Das ist aber vielfach auch von der Dosierung der Medi in den letzten Minuten abhängig.

 

Mental bin ich routiniert genug, um mitzufühlen, aber nicht mitzuleiden. Eigentlich ist es makaber - aber ich mag diese Arbeit. Es ist eine Kombination aus Emotionalität & Professionalität, Handwerk & menschlicher Begleitung. Eine der letzten Arbeiten, in denen du noch Gentleman sein und mit Stil arbeiten darfst. Sollte es etwas Höheres geben, sollte ich diesen Seelen nochmals begegnen, kann ich vor jeden Einzelnen hinstehen und sagen, ich habe dich und deine Familie mit Anstand behandelt.

 

Was mich aber beschäftigt….

sind die vereinzelten Meinungen von selbsternannten Freidenkern, möchtegern Rebellen und Verschwörungstheoretikern, die immer noch der Überzeugung sind, dass ihnen der Staat etwas aufzwingt. Ich würde gerne jeden Einzelnen an der Hand nehmen, und wortlos die Schicksale zeigen, denen ich jetzt begegnet bin.

 

Klar sind die meisten Verstorbenen bereits über 70 Jahre alt. Aber warum haben diese Menschen nicht das Recht noch 10 oder 20 Jahre allein, an der Seite des Partners, in ihren Familien zu leben oder Grossmami oder Grosspapi zu sein? Wer gibt uns das Recht zu entscheiden, dass diese Menschenleben weniger Wert sind als Jüngere?

 

Den Hardlinern, die auch medial und im Umfeld gegen Masken hetzen, wünsche ich, dass sie für ihre Handlungen juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Ihr verunsichert einen Teil der Bevölkerung so, dass ihr Verhalten beeinflusst wird und die vergessene Maske subjektiv plötzlich nicht mehr so schlimm ist, in Wahrheit aber den Tod eines Menschen zur Folge haben kann. Ihr beeinflusst den Lockdown und die wirtschaftliche Misere, indem ihr durch eure Worte indirekt das Ganze verlängert. Ich wünsche euch aber auch, dass ihr eure Haltung, ohne Stolz, einfach auf Basis der Tatsachen und Realität, nochmals überdenkt.

 

Den Verunsicherten wünsche ich, dass sie weniger auf Schlechtredner hören. Die haben die Welt, unser Land und unser Umfeld noch nie weitergebracht! Persönlichkeiten, die uns weitergebracht haben, haben die Realität aufgrund von Tatsachen als Basis akzeptiert, haben Probleme gelöst, in die Zukunft geplant, und angepackt! Echte Freidenker und richtige Rebellen braucht eine gesunde Demokratie, aber nicht auf Kosten der Gesundheit und Menschenleben, sondern für visionäres Weiterstreben und Vorwärtskommen.

 

Den Angehörigen, die jemanden verloren haben, entbiete ich meine aufrichtige Anteilnahme. Ich bitte euch aber auch, dass ihr eure Wut auf die Maskenverweigerer & Co ablegen könnt. Wir leben in einer Welt, in der nicht alle Menschen Fakten einordnen können – es ist schlichtweg nicht möglich! Wandelt eure Wut in ein Unverständnis und tragt zur Aufklärung bei. Denn damit könnt ihr weiteres Leid verhindern und am besten dem Menschen dienen, den ihr verloren habt. Viel Kraft sei euch gegeben!

 

Ich freue mich mit euch auf eine maskenfreie Zeit – aber ohne Covid-19! Bleibt mir bitte alle gesund!

En liebe Gruess, Ruedi Mazenauer 


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