RRRrrrr Renners Rasende Randnotiz - Fluchwörter II

Alon Renner (Potrait von Olivia Aloisi)
Alon Renner (Potrait von Olivia Aloisi)

DMZ – KOLUMNE ¦ Alon Renner ¦

 

Fuck you! Herzlich willkommen zum zweiten Teil meiner Kolumne über Fluchwörter. Mehrere Studien belegen: wer oft flucht ist intelligent! Und: «sich Luft zu verschaffen» macht stark! Zudem stellen wir heute fest, dass Schimpf-wörter nicht nur eine Karriere durch-laufen, sondern auch einem Kasten-system entspringen. Ausserdem schauen wir uns Malediktionen in der Französischen Sprache und im Jiddischen an.

 

Laut wissenschaftlichen Studien macht uns Fluchen sowohl stärker als auch leistungsfähiger. Denn das Schimpfen erzeugt im Körper eine psychische Stressreaktion. Der Organismus richtet sich auf eine Gefahr ein und verströmt Hormone wie Adrenalin, Cortisol und Endorphine, die unser Schmerzempfinden herunterstufen. Genau wie bei der Einnahme von Schmerzmitteln. Stossen wir uns nun also irgendwo an, löst das Gehirn bei den meisten sofort eine Salve an heilbringenden Fluchwörtern aus. Nach dem gleichen Prinzip helfen Verwünschungen beim Sport, der Verrichtung schwerer Tätigkeiten oder als Dirty Talk beim Sex. Die Ausschüttung der entsprechenden Hormone macht uns leistungsfähiger. Ähnliches tun Roger Federer und Co, wenn sie auf dem Tennis Court laut rumschreien oder vor sich hinstöhnen. Denn diese für Tennismuffel doch eher abartigen Klänge haben einen ähnlichen Effekt. 

Fluchen entlastet aber auch bei Traurigkeit und emotionalen Schwankungen. Dadurch, dass negative Gefühle nicht länger eingesteckt, geschluckt und abgewürgt werden, wird Druck abgebaut. Ein Zusätzliches bewirken auch hier die oben erwähnten Hormone. «Sich Luft zu verschaffen» hilft ganz generell mit ungemütlichen Situationen umzugehen. Und macht dadurch vieles leichter.

 

Fluchen wird oft mit schlechten Manieren und mangelnder Selbstbeherrschung gleichgesetzt. Doch dieser Eindruck ist falsch.
Wer viele Schimpfwörter beherrscht, braucht sich hierfür nicht zu schämen. Ganz im Gegenteil. Denn dies ist nichts anderes als ein Zeichen von Eloquenz und bedeutet, dass man auch sonst sehr viele Wörter kennt. Folglich ist «vom Leder ziehen» ein Zeichen von Intelligenz. Auch dies wird durch zahlreiche wissenschaftliche Studien gestützt: Menschen die häufig schimpfen, sind intelligenter, kreativer, grösser, schöner, weniger stressanfällig, emotional ausgeglichener und fahren Porsche. Glaubt Ihr nicht? 
Wer viele Verwünschungen äussern kann, hat auch einen großen Wortschatz und dadurch ein gutes Sprachgefühl. Ergo verbessert sich durch die Verwendung von Schmähwörtern die sprachliche Kompetenz. Das gleiche gilt für die Kreativität. Wer viele Flüche kennt und leidenschaftlich schimpft, ist auch in anderen Lebenslagen einfallsreicher. Und kann in Stresssituationen besser reagieren. Menschen, die oft, gerne und abwechslungsreich fluchen, schulen damit ihre kreative Ader. Und können deshalb mehr Ideen entwickeln als der Bevölkerungsdurchschnitt. 

Ganz erstaunlich ist es, dass man in neunzig Prozent aller Fälle die Fluchwörter folgenden Bereichen zuordnen kann: den Fäkalien, dem Sexuellen, dem Göttlichen, dem Tierischen und den Behinderungen. Die ganz wunderbare Scheisse und die herrliche Pisse, Ficken, Bumsen, Blasen, etc. - in ihrer ganzen Fülle und Verkehrsregeln, Jesus!, Maria!, Himmel Herrgott!, usw. – immer mit Ausrufezeichen und so gar nicht im Dienste religiösen Tuns, Kuh, Esel, Huhn, Affe, etc. – im Tiergarten der internationalen Verleumdungen besonders beliebt und Idiot, behindert, Mongo, usw – also Bezeichnungen, die eine ganze Personengruppe diffamieren. Doch, warum ist dies so? Warum bedienen wir uns hauptsächlich dieser fünf Gruppen?

Wenn wir fluchen, verfluchen oder beleidigen, dann wollen wir das Objekt unserer Unlust erniedrigen, wir wollen es klein machen, es in die Schranken weisen, seiner oder ihrer Habhaft werden und ihm oder ihr alles Mögliche und Unmögliche antun. Und was haben Gott und das himmlische Personal der katholischen Kirche damit

zu tun? Da findet beim Fluchen die Umkehrung statt. Bitten wir sie normalerweise um die Erfüllung von Wünschen und in unserer Verzweiflung um Wundertaten, reissen wir sie in der Wut, im Affekt oder in der Enttäuschung vom Sockel, sozusagen vom Himmel herab, packen sie am Schlawittchen und machen sie ganz persönlich für unser Unglück verantwortlich. Fuck you, you fuckin fuck!

 

Weltweit lassen sich drei Fluchtypen ausmachen: Erstens die Familienbeschimpfer, besonders in Asien und Afrika. Zweitens die Gotteslästerer: Katholiken von Italien bis Brasilien. Und drittens die Prüden: vor allem in den angelsächsischen Ländern. Bei den Familienbeschimpfungen wird hauptsächlich die Mutter des Gegners beleidigt, dann seine Schwester, dann der Vater und zuletzt, d.h. wenn keiner mehr übrigbleibt: verstorbene Familienmitglieder. Im Deutschen sind Mutter-Beleidigungen eher selten. Es gibt sie indirekt als «Hurensohn» oder «Mutterficker». Das mit den Gotteslästerern habe ich Euch weiter oben erklärt. Himmel! Passt Ihr den gar nicht auf? Und die Prüden? Nun, die Armen müssen ihrer sexuellen Zurückhaltung und Verschlossenheit psychologisch auf anderer Art und Weise begegnen. Somit stossen sie nicht nur Flüche aus, sondern machen auch ihrem diesbezüglichen Frust gerne Luft. Ganz frei nach dem Motto: Wer viel über Sex redet, hat in der Regel keinen.

 

Warum nun aber ausgerechnet im Deutschen Raum die Fäkalsprache Einzug gehalten hat, konnte mir bis anhin keiner so genau erklären. Kostbarkeiten wie: Scheisse, Scheiss, Kake, Mist, Bockmist, Dreck, beschissen, verkackt, Pisse, verpiss Dich, Scheiss drauf, etc etc sind in unserem Sprachraum besonders ausgeprägt und verbreitet wie Sand am Meer. (Schöne Analogie, ich weiss) Der genaue Grund mag in der Reformation liegen, in den preussischen Tugenden, im Spiessbürgertum, wer weiss... Auffällig ist es allemal.

 

Und nun... muss ich Euch vertrösten. Es hat geschneit. 3 Meter hoch. Oder zumindest gefühlte 3 Meter hoch. Und ich muss noch dutzende Dinge erledigen, bevor wir hier richtig eingeschneit werden. Zudem ist die Liste derjenigen Sachen die es noch über das Fluchen zu sagen gibt, dermassen lang... Freut Euch auf einen dritten Teil, in dem ich Euch wirklich etwas über die Karriere von Fluchwörtern zu berichten habe. Auf Melediktionen in Französischer Sprache, im Jiddischen und jede Menge mehr. Vielen Dank fürs Lesen und fuck you very much.

 

P.S. Als Balsam, als Hoffnungsschimmer und als Silberstreifen am Horizont kommt hier noch eine Playlist mit den schönsten Fuck You Songs aller Zeiten.

 

Für grinsende und sanfte Fuck You Zustände:

- Lily Allen – Fuck You

https://www.youtube.com/watch?v=yFE6qQ3ySXE

- CeeLo Green – Fuck You

https://www.youtube.com/watch?v=pc0mxOXbWIU

- Pomplamoose – Hot Girl Bummer

https://www.youtube.com/watch?v=N-5ika5YwWo

- The Beastie Boys – Hey Fuck You

https://www.youtube.com/watch?v=TUEYvE3gnZQ

- Frankee – F.U.R.B (F U Right Back)

https://www.youtube.com/watch?v=B1K0pUSSFUo

- Dua Lipa – IDGAF

https://www.youtube.com/watch?v=Mgfe5tIwOj0

- Anna David – Fuck You

https://www.youtube.com/watch?v=--zg5SogLLI

 

 

Für harte Fuck You Zustände, d.h. wenn Ihr es so richtig nötig habt:

- Cristal Distortion – Fuck The Fucking Fuckers

https://www.youtube.com/watch?v=ZlbGFUCNXWg

- Methods Of Mayhem – Proposion Fuck You

https://www.youtube.com/watch?v=vwoAxuZYclo

- Smashing Pumpkins - An Ode to No One – Smashing Pumpkins

https://www.youtube.com/watch?v=97sYm0Bkd3Y

- The Headstones – Fuck You

https://www.youtube.com/watch?v=cMC895zx3S8

- Real Big Fish - Another F.U. Song

https://www.youtube.com/watch?v=LQ9YVF-wyho

- Bad Religion – Fuck You

https://www.youtube.com/results?search_query=bad+religion+fuck+you


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