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Dringend zu klären: Sind Gesichtsmasken für Kinder unbedenklich?

DMZ –  GESUNDHEIT / WISSEN ¦ Dr. Herbert Renz-Polster ¦

KOMMENTAR 

 

Was sagt die Wissenschaft zum Maskentragen durch Kinder?

Im Netz zirkulieren weit reichende Warnungen vor dem Gebrauch von Mund-Nasen-Masken durch Kinder. Die Gesichtsmasken könnten gesundheitsschädlich sein. Andere halten die Masken für komplett unbedenklich. Wer hat recht?

 

Die Pandemie scheint radikalen Meinungen Aufwind zu geben. Da hört man allen Ernstes Ärzte, die vor einer schleichenden Erstickung der Kinder warnen,  wenn sie eine Maske aufhaben. Ausführlich begründet mit Fachbegriffen wie Totraumvolumen, Hyperventilation und Hyperkapnie. Andere Fachleute dagegen halten die Masken für generell unproblematisch: „Auf Basis des aktuellen Wissensstands ist das Tragen von Masken unbedenklich“, so der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie.  Ein Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) geht noch weiter: 

Da besteht auch für kleinste Kinder keinerlei Gefahr.“ 

Schwarz oder weiß – der Raum dazwischen scheint kaum mehr ausgeleuchtet zu werden.

Das lese ich auch an einem weiteren Phänomen ab: Die Meinungen werden in aller Regel in den immer gleichen Paketen angeboten. Wer Masken gefährlich findet, hält sie meist gleichzeitig auch für nutzlos. Und COVID-19 für ungefährlich. Und umgekehrt. Nur eben immer bitteschön en bloc.

 

Dabei handelt es sich in Wirklichkeit doch eindeutig um drei separate Fragestellungen. Vielleicht ist die Wirklichkeit in Wirklichkeit einfach zu kompliziert?

 

Was sagt die Wissenschaft?

Immerhin hilft die Wissenschaft ein Stück weiter. Weil mich das Thema als ausgebildeter Facharzt für Kinderpneumologie interessiert, habe ich mich in  die wissenschaftliche Literatur zu dem Thema eingearbeitet und mit Kollegen konferiert. Und eindeutig, die Maskenfrage bei Kindern ist spannend. Und leider – das als Warnung vorweg – ein bisschen komplexer als dass man darauf mit Ja oder Nein, mit Bedenklich oder Unbedenklich antworten könnte.

Ich würde mir wünschen, dass wir uns in „Corona-Dingen“ öfter einmal die Mühe machen, diesen komplexen „Zwischenraum“ anzuerkennen.

 

Die Ausgangslage

Das vorneweg. Dass Gesichtsmasken die Übertragung von SARS-CoV-2 effektiv bremsen können, steht für mich wissenschaftlich außer Frage. Hierzu liegen inzwischen eindeutige epidemiologische und experimentelle Befunde vor: 

 Masken können schützen, Masken können Todesfälle verhindern.  Hier aber geht es, wie gesagt, um eine andere Frage: Können sie vielleicht auch Nebenwirkungen haben, die wir mit Blick auf die Kinder vielleicht kennen sollten?

Die offiziellen Maskenempfehlungen für Kinder erscheinen recht beliebig. Die Fachgesellschaft der italienischen Kinderärzte hält das Tragen von Masken für Kinder ab 3 Jahren für unbedenklich.  Die italienische Regierung nimmt vorsichtshalber Kinder unter 6 Jahren von der Maskenpflicht aus. Der amerikanische Center for Disease Control (so etwas wie das amerikanische Robert Koch Institut) warnt vor dem Gebrauch von Gesichtsmasken für Kinder unter 2 Jahren . In Deutschland gelten in jedem Bundesland andere Regeln, teilweise wurde das Maskentragen ab zwei Jahren vorgeschrieben (Sachsen-Anhalt), in den meisten Bundesländern liegt die Grenze bei 6 oder 7 Jahren. 

Deutsche Kinderinfektiologen warnen davor,  Kindern unter drei Jahren Masken aufzuziehen, sofern diese unbeaufsichtigt seien.

Auch die Begründungen für oder gegen das Maskentragen von Kindern sind nicht einheitlich. Die italienischen Kinderärzte stellen lapidar fest, dass Gesichtsmasken für Kinder zwar unbequem seien, aber für Kinder über drei Jahren keine gesundheitlich nachteiligen Folgen haben. 

 Sie beziehen sich auf die Kollegen im OP:  „Surgeons daily wear face coverings for many hours without coming to harm.“  

Ein Pressesprecher des Berufsverbandes der deutschen Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) versichert:  „CO2 ist ein Gas und bleibt im Stoff nicht hängen.“

Dies ist auch der Tenor auf vielen Fakt-Check-Webseiten, wo Experten darauf verweisen, dass Chirurgen durch die Masken ja auch nicht „zu Zombies“ würden. Gerne wird auch auf Alltagsphysik verweisen: „If you can inhale through it, you can exhale through it“, so das Argument einer Expertin auf USAToday.

Nur: wenn es ganz so einfach wäre, hätte die Industrie auf die Entwicklung von Masken mit Ausatmungsventil ja verzichten können. Auch das amerikanische Center for Disease Control widerspricht der „alles durchlässig“ Theorie. Es könne durchaus zu einem gewissen Aufbau von Kohlendioxid unter der Maske kommen. Nur: Für den Träger sei das „mostly tolerable“, also zumeist erträglich. Zwar könne zum Beispiel Kopfweh auftreten, ein Aufstau von Kohlendioxid im Blut sei aber „unwahrscheinlich“

Also auch bei den Begründungen: ein gewisses Durcheinander ist nicht zu leugnen.

 

Besonderheiten bei Kindern?

Aus medizinischer Sicht gibt es gute Gründe, in der Maskenfrage nach Alter zu differenzieren. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass es insbesondere bei kleinen Kindern durch das Tragen von Masken leichter zu Nebenwirkungen kommen kann als bei Erwachsenen – die physiologischen und anatomischen Verhältnisse zwischen Kindern und Erwachsenen unterscheiden sich nun einmal deutlich. Ähnliches gilt für das Verhalten (wir werden darauf zurückkommen).

 

So haben Kinder zum Beispiel eine deutlich höhere Stoffwechselaktivität als Erwachsene. Kleine Kinder brauchen deshalb pro Kilogramm Körpergewicht etwa doppelt so viel Sauerstoff als Erwachsene. Kleine Kinder atmen auch etwa zwei bis drei mal schneller als Erwachsene. Sie tauschen dabei allerdings wegen ihrer geringeren Größe mit jedem Atemzug nur ein drei bis viermal kleineres Luftvolumen aus. Dies könnte für die Auswirkungen des Maskentragens durchaus relevant sein. Möglicherweise unter der Maske gefangene „verbrauchte“ Luft zum Beispiel könnte bei Kindern stärker zu Buche schlagen als bei Erwachsenen (weil jeder Atemzug kleiner ist würden Kinder anteilsmäßig mehr verbrauchte Luft zurückatmen als Erwachsene).1

Nun gibt es leider bisher keine direkten Messungen, ob und in welchem Ausmaß es im echten Leben zu einem Aufstau von verbrauchter (also kohlendioxidreicher) Luft unter einer Gesichtsmaske kommt. Dies dürfte teilweise nicht nur alters- sondern auch masken- und aktivitätsabhängig sein. Ein hochgradiger Rückstau von verbrauchter Luft scheint angesichts der porösen Natur der Gesichtsmasken tatsächlich unplausibel. Durchaus vorstellbar ist aber, dass die kohlendioxidreiche Ausatemluft teilweise tatsächlich unter der Maske „gefangen“ bleibt und damit die Frischluftversorgung unter bestimmten Bedingungen tatsächlich leiden könnte.

Und immerhin könnte eine solche erhöhte Rückatmung von verbrauchter Luft dazu führen, dass ein Kind dauerhaft angestrengter atmen muss, was wiederum zu mehr Erschöpfung führen kann. Auch Beschwerden wie Kopfweh, Bauchweh oder Schwindel wären möglich, weil durch die erhöhte Rückatmung der Kohlendioxidspiegel im Blut ansteigen kann. Bei einer dauerhaften Belastung wären auch weitere Beschwerden durchaus denkbar, von mehr Tagesmüdigkeit, Verhaltensproblemen bis zu Schlafstörungen.

 

Tatsächlich, die Maskenfrage bei Kindern ist nicht trivial. Sie sollte geklärt werden.

Immerhin – ein Teil ist schon geklärt. Anders als von manchen Pauschalkritikern behauptet gibt es nämlich tatsächlich schon eine Studie zu Masken bei Kindern und ihren Auswirkungen auf die Atmung und den Gasaustaustausch in der Lunge. Aus dieser Studie lassen sich immerhin ein paar Aussagen ableiten.

In der Studie wurden 7 bis 14 jährige Kinder unter drei Bedingungen verglichen: Kinder ohne Maske, Kinder mit einer speziellen FFP2-Kindermaske mit Ausatmungsventil und Kinder mit derselben FFP2-Kindermaske mit zusätzlich darauf aufgebrachtem „micro fan“, also einem kleinen Ventilator, der für zusätzliche Belüftung unter der Maske sorgt. Bei den Kindern wurde nun gemessen, wie sich ihr Befinden, ihre Herz- und Atemfrequenze sowie ihre Sauerstoffsättigung und die von ihnen aus- und eingeatmeten Kohlendioxidkonzentrationen unterscheiden. Dazu mussten die Probanden zwei Tests durchlaufen, nämlich a) 5 Minuten lang ein Buch lesen und b) 8 Minuten lang schnell gehen.

 

Das Ergebnis: Bei Herzfrequenz, Atemfrequenz sowie Sauerstoffsättigung liessen sich keine Unterschiede zwischen den drei Gruppen finden. Dies bedeutet: Es kam bei den Kindern zu keiner stärkeren Stressreaktion oder gar Unterversorgung mit Sauerstoff – zumindest nicht auf kurzfristige Sicht.

Allerdings zeigten sich bei der Messung der Kohlendioxidkonzentration im Blut der Kinder schon gewisse – kleine, aber durchgängige – Unterschiede. Sowohl in Ruhe als auch bei Anstrengung stieg der Kohlendioxiddruck bei beiden Maskentypen leicht (nämlich zwischen etwa 2 und 4 mmHg) an – und zwar stärker, wenn die Maske ohne den „micro fan“ getragen wurde.

 

Was dieses Experiment aussagt? Eigentlich gar nichts. Denn bei diesen Masken handelt es sich um spezielle Masken, die hierzulande nicht im Einsatz sind (und sich in Pandemiezeiten sowieso verbieten). Es handelt sich ja um Masken, die den Kindern die Ausatmung entweder durch ein Ausatmungsventil oder einen zusätzlichen „micro fan“ erleichtern sollen. Dennoch zeigt dieses Experiment, dass es bei Masken tragenden Kindern durchaus zu einem teilweisen Rückstau von CO2 kommen kann. Zumindest bei kurzzeitigem Gebrauch der Masken scheint dieser Rückstau aber so gering zu sein, dass er die körperliche Regulation oder gar die Sauerstoffaufnahme zumindest bei Schulkindern nicht durcheinander bringt.

Zu diesem einzigen Maskenexperiment bei Kindern kann also das gesagt werden: Die Ergebnisse sind nur sehr eingeschränkt auf die Situation im echten Leben übertragbar. Schließlich werden die Masken im Alltag nicht nur 5 bis 8 Minuten, sondern teilweise über viele Stunden getragen werden. Und, wie gesagt, die untersuchten Masken sind andere Masken als die von den Kindern hierzulande getragenen Alltagsmasken.

 

Und hier ist also unser Problem: Die von mir beschriebene Studie ist tatsächlich die einzige Studie, die zum Maskengebrauch von Kindern jemals publiziert worden ist (dies könnte sich in den nächsten Monaten ändern, eine entsprechende Studie ist in Deutschland geplant). 

 

Schauen wir uns deshalb bei den Erwachsenen um.

Auch hier ist die Datenlage nicht gerade üppig. Aber immerhin gibt es einige interessante Hinweise.

So wurde etwa versucht, die Befindlichkeit erwachsener Maskenträger zu messen. Eine kleinere Studie von 2006  stellte fest, dass FFP2-Masken tragendes Gesundheitspersonal häufig über Kopfschmerzen klagt – und ergänzt, dass sich die Häufigkeit der Kopfschmerzen verringert, wenn die Masken nur über einen kürzeren Zeitraum getragen wurden.

 

Eine größere, vergleichende Studie – sie entstand während der SARS-CoV-2 Pandemie in Singapur  – kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Die meisten Gesundheitsfachkräfte entwickelten beim Tragen von FFP2-Masken und Augenschutz entweder neues Kopfweh oder erfuhren eine Verschlechterung einer vorher bestehenden Kopfschmerzneigung.

Mit Blick auf diese Studien ist es zumindest plausibel, dass das Tragen von bestimmten Gesichtsmasken mit Kopfschmerzen verbunden sein könnte. Das widerspricht nicht der Aussage, dass Chirurgen durch das Maskentragen nicht zu Zombies werden. Aber sie leiden möglicherweise unter Kopfschmerzen.

Aber wie ist es mit der Atmung, die uns in Bezug auf die Kinder ja ebenfalls ganz dringend interessiert? Lassen sich bei Erwachsenen Behinderungen der Ausatmung mit möglicherweise damit einhergehendem Aufstau von Kohlendioxid im Blut messen?

Leider gibt es auch hier nur wenig Literatur. Zudem ist sie widersprüchlich. Typisch Wissenschaft also. Und doch lässt sich etwas daraus lernen (auch das typisch Wissenschaft 😉) 

 

Weitere Maskenstudien

Zwei Studien geben einerseits Entwarnung – und laden zu weiteren Fragen ein. In der einen Studie  wurden 20 gesunde Probanden auf dem Laufband während einer Stunde normalen Gehens mit und ohne OP-Maske vermessen. Tatsächlich stieg bei den Maskenträgern die Herzfrequenz und die Atemfrequenz stärker an als bei den Nicht-Maskenträgern, allerdings nur moderat (nämlich um 10 Herzschläge pro Minute bzw. um 1,6 Atemzüge pro Minute). Auch die Kohlendioxidkonzentration im Blut (genauer: der transkutan gemessene Kohlendioxidpartialdruck) stiegt bei den Maskenträgern an (um etwa 2 mmHg). Die Autoren interpretieren ihre Ergebnisse  so, dass durch das Maskentragen keine klinisch relevanten Änderungen auftreten. Allerdings beschränkt sich diese Aussage auf das Tragen einer OP-Maske während einer Stunde moderater Anstrengung.

 

Die andere Studie maß die Auswirkungen des (OP-)Maskentragens bei gesunden Probanden sowie bei mittelgradig lungenkranken Patienten, und zwar sowohl in Ruhe über 30 Minuten als auch während eines 6 minütigen Geh-Tests. Die Autoren stellten keine nennenswerten Unterschiede durch das Tragen der Maske auf die physiologischen Parameter Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und Kohlendioxidkonzentration fest. Leider beziehen sich die Messungen wiederum auf einen recht kurzfristigen Zeitraum, so dass die Ergebnisse möglicherweise schlecht ins echte Leben übertragbar sind.

Andere Studien mit längerer Untersuchungsdauer sind in ihren Aussagen skeptischer. In einer Studie wurde bei 53 Chirurgen während stundenlanger Operationen die Sauerstoffsättigung im Blut gemessen. Das Ergebnis: je länger die OP-Maske getragen wurde, desto stärker fiel die Sauerstoffsättigung ab.  Nun muss hinzugefügt werden: der Sauerstoffabfall war nicht dramatisch, im Schnitt betrug der Abfall nämlich nur 1% (allerdings muss hier aus medizinischer Sicht ergänzt werden dass dieser recht kleine Anteil durchaus einen relevanten Anstieg des Kohlendioxidgehalts im Blut widerspiegeln kann).2

Letzteres erscheint nämlich auch aufgrund einer weiteren experimentellen Studie  plausibel. In ihr wurden die physiologischen Auswirkungen eines 1-stündigen Maskentragens (FFP2-Maske) bei langsamer und normaler Gehgeschwindigkeit gemessen. Zwar kam es in dieser Studie in Bezug auf die Atem- und Herzfrequenz durch das Maskentragen insgesamt kaum zu Veränderungen, und auch der Kohlendioxidgehalt im Blut blieb insgesamt im Rahmen. Allerdings wurden bei immerhin 2 der 10 Probanden deutlich überhöhte Kohlendioxid-Werte von 50 bis 52 mmHg gemessen. Was einer pauschalen Aussage wie etwa „Masken sind grundsätzlich unbedenklich“  schon deshalb widerspricht, weil diese Werte über den am Arbeitsplatz zugelassenen Umgebungswerten liegen.

 

Aufgrund des Gesagten wird nicht verwundern, dass sich in Studien bei gesundheitlich eingeschränkten Patienten bei längerem Maskentragen (FFP2 Masken) teilweise deutliche, klinisch nachteilige Effekte zeigten. So fiel der Sauerstoffpartialdruck im Blut bei einer Gruppe von 39 Hämodialysepatienten innerhalb von 4 Stunden Maskentragen um durchschnittlich 9 mmHg ab – was einem etwa gleichwertigen Anstieg des Kohlendioxidpartialdrucks entspricht (dass dieser Anstieg klinisch durchaus relevant ist, zeigt sich auch daran, dass in dieser Studie 17 der 39 Patienten über Atemnot klagten).

 

Fassen wir also zusammen

Die Behauptung, dass das Tragen von Masken generell unbedenklich sei, kann mit Blick auf die wissenschaftliche Evidenz nicht aufrechterhalten werden. Das Maskentragen kann auch bei gesunden Erwachsenen teilweise mit messbaren physiologischen Änderungen einhergehen. Dabei legt die Literatur nahe, dass diese Effekte bei den „dichteren“ FFP2-Masken ausgeprägter sein dürften als bei den Do-it-yourself-Masken (wobei es hier auch auf die Bauart ankommen dürfte).  Die Studienlage spricht auch dafür, dass auch bei gesunden Menschen beim Tragen von Masken Befindlichkeitsstörungen (z.B. Kopfschmerzen) auftreten können. Gleichzeitig zeigen diese Studien aber auch, dass zumindest bei gesunden Erwachsenen schwerwiegende gesundheitsschädliche Effekte durch das Maskentragen im Regelfall nicht zu erwarten sind (diese Aussage bezieht sich wiederum eher auf DIY-Masken als auf FFP2 Masken).

Was sich in diesen Studien auch zeigt, ist, dass die Maskeneffekte teilweise deutlich vom Aktivitätsniveau abhängen dürften. Deshalb sei hier noch einmal auf eine neuere Studie eingegangen, die genau diesesen Effekt näher untersucht hat.

Die Studie stammt aus der Universität Leipzig und ist nur ein paar Monate alt.  Anders als bei den anderen Studien wurde hier richtig „Gas gegeben“, d.h. die Probanden wurden bei starker bis maximaler Belastung auf Fahrradergometern untersucht. Es zeigte sich, dass die Leistungsfähigkeit der (gesunden)  Probanden sowohl mit OP-Masken als auch mit FFP2 Masken zum Teil deutlich abfiel – bei FFP2 Masken deutlich stärker als beim Tragen von OP-Masken. Dabei waren unter Maskeneinsatz sowohl das maximal ausgeatmete Luftvolumen als auch die Geschwindigkeit der Ausatmung (peak exspiratory flow) sowie die maximale Sauerstoffaufnahme und maximale Kraftentwicklung reduziert. Die in Watt gemessene Gesamtleistung war bei den Maskenträgern um etwa 5% niedriger. Die Sauerstoff- und Kohlendioxidwerte im Blut der Probanden unterschieden bei diesen Belastungstests dagegen nicht. Die Autoren gehen davon aus, dass die zusätzliche Belastung durch die FFP2-Masken bei gesundheitlich vorbelasteten Erwachsenen durchaus gesundheitlich negative Auswirkungen haben könnte.

 

Und was heisst das nun für die Kinder?

Zunächst einmal heisst es das: Die Maskenfrage für Kinder pauschal mit „Masken sind gefährlich “ zu beantworten ist genauso wenig wissenschaftlich untermauert wie „Masken sind unbedenklich“. Für beide Aussagen fehlt die Evidenz. (Wenig verwunderlich, denn, wie gesagt: Bisher wurde zu der Frage der gesundheitlichen Verträglichkeit von Masken bei Kindern nur eine einzige Studie überhaupt durchgeführt – und die dort untersuchten Kinder waren Schnitt etwa 11 Jahre alt).

Immerhin aber lässt sich aus der Kenntnis der kindlichen Physiologie sowie den hier aufgeführten Studien bei Erwachsenen Folgendes ableiten:

Es kommt auf die Umstände an

 

In allen Studien zeigte sich eine teilweise deutliche Abhängigkeit der Maskeneffekte von der Art der Maske und der Tragedauer. Dies dürfte auch für Kinder gelten, vielleicht sogar in erhöhtem Ausmaß.

Dass das dauerhafte Tragen von Masken bei Kindern zu Erschöpfung und Befindlichkeitsstörungen wie Kopf- und Bauchweh oder Schwindel führen kann, ist nicht nachgewiesen, für mich aber plausibel. Nicht plausibel ist für mich dagegen, dass ansonsten gesunde, aus sich heraus handlungsfähige Kinder durch das Tragen normaler Alltagsmasken irreparabel geschädigt werden. Dafür sind die Sicherheitsnetze der kindlichen Physiologie viel zu robust. Dennoch gilt für mich: Masken im Dauergebrauch über viele Stunden des Tages ist aufgrund der unsicheren Studienlage abzulehnen, insbesondere wo es sich um jüngere Kinder handelt.

Wenn Kinder Masken tragen, so sind diese auf ihre Durchlässigkeit zu überprüfen, zu fest gewobene, wenig durchlässige Stoffe sind möglicherweise ungünstiger als leichtere Pendants. FFP2 Masken für Kinder lehne ich in Ableitung aus der Erwachsenenliteratur für den längerfristigen Gebrauch durch Kinder grundsätzlich ab.

Ob es eine Altersgrenze gibt, unter der Masken für Kinder unverantwortlich sind, lässt sich aus der (wie gesagt, leider fehlenden) Literatur nicht ableiten. Was sich aber sagen lässt ist, dass Kinder, die nicht selbst gut für sich sorgen können (also eine Maske bei Bedarf abnehmen können, und diesen Bedarf auch erkennen können) keine Maske tragen dürfen. Ich setzte diese Altersgrenze höher an als 3 Jahre, da Kinder auch im Kita-Alter selbstversunken spielen und teilweise so wenig „klug“ mit ihrer Atmung umgehen dürften wie sie teilweise mit ihrer Blase umgehen („ouups, hab vollmacht“). Ich selbst lehne das Tragen von Masken durch Kindergartenkinder deshalb grundsätzlich ab – zumindest bis hierzu verlässliche Studien unter Alltagsbedingungen vorliegen.

Bei den Auswirkungen des Maskentragens spielt die körperliche Aktivität eine überaus deutliche Rolle. Dies ist für die Maskenfrage bei Kindern extrem wichtig. 

Unsere eigenen Arbeiten am Mannheimer Institut für Public Health  haben gezeigt, dass jüngere Kinder (im Kindergartenalter) praktisch nur zwei Aktivitätsniveaus kennen : ruhiges Spielen oder aber hohe Aktivität, z.B. rennen (das ist übrigens der Grund, warum die Spaziergänge der Erwachsenen für Kinder totlangweilig sind).  Bei hoher Aktivität aber können Gesichtsmasken nach den vorliegenden Studien zu teils deutlichen physiologischen Veränderungen und teils starker subjektiver Beeinträchtigung führen. Dies dürfte übrigens der Grund sein, weshalb die WHO folgendes empfiehlt: „people should not wear masks when exercising"

 

Ein (wichtiges) Wort zur Geburtshilfe

Die Tatsache, dass Geburtskliniken gebärenden Müttern, also Frauen, die am Maximum ihrer Belastbarkeit arbeiten, Masken verordnet, stellt mit Blick auf die von mir besprochenen Studien eindeutig eine Gefährdung des normalen Geburtsverlaufs dar. Die Leistungsfähigkeit auch gesunder Menschen ist durch das Tragen einer Maske eingeschränkt, das gilt insbesondere im Hinblick auf die Muskelkraft und die maximale Sauerstoffaufnahme.  Mögliche Abweichungen der Blutgaswerte sind laut wissenschaftlicher Literatur bei längerer Wehendauer nicht nur nicht auszuschliessen, sie sind anzunehmen.

Und dies wiederum ist auch für das zu gebärende Neugeborene nicht unproblematisch.

Dieser Teil der klinischen Praxis muss deshalb dringend überprüft werden.

 

Zum Schluss

Die Maskenfrage hat es also in sich. Masken können – eindeutig – gesundheitliche Vorteile haben, sowohl für den Träger als auch für die Gesellschaft. Sie sind bis auf weiteres ein wichtiges Mittel, damit wir mit dieser Pandemie einigermaßen zurechtkommen können. Allerdings legt sowohl die Literatur zur vorbeugenden Wirkung von Masken als auch die Literatur zu möglichen gesundheitlichen Nachteilen eines nahe: Mit dem Leitsatz „je mehr Maske desto besser“, ist es nicht getan. Wir müssen das Kleingedruckte stärker in den Blick nehmen.

Für Kinder (und für Gebärende) steht das Kleingedruckte allerdings in Großdruck da.

 

 

Der Autor hat zuletzt ein eBook zu den wichtigsten Corona-Fragen veröffentlicht (https://www.kinder-verstehen.de/aktuelles/corona-ebook-ankuendigung/)

Originaltext ist zuerst erschienen auf: https://www.kinder-verstehen.de/mein-werk/blog/dringend-zu-klaeren-sind-gesichtsmasken-fuer-kinder-unbedenklich/


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