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DE: Die Eigenheim-Debatte ist ein Desaster für die Grünen

DMZ – WIRTSCHAFT ¦ WW ¦

KOMMENTAR

 

Anton Hofreiter tritt eine Debatte über die angebliche Klimafeindlichkeit von Eigenheimen los. Plötzlich stehen die Grünen wieder als Verbotspartei da, die den Deutschen jetzt auch noch das private Häuschen madig machen wollen. Im startenden Wahlkampf ist das ein schwerer Fehler. Bei den Grünen werden böse Erinnerungen an die vermasselten Wahlkämpfe von 2013 und 2017 wach. Steuererhöhungen und der Veggie-Day lassen grüßen.

 

Die Parteispitze der Grünen ist hoch alarmiert. Das Spiegel-Interview des Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter schlägt ungewollt heftige Wellen. Hofreiter hat darin eine Fundamentalkritik am Eigenheim-Bau in Deutschland kund getan („Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr“) und sie als Klimasünder gebrandmarkt. Zugleich zeigte er Verständnis dafür, dass Kommunen den Eigenheimbau untersagen.

 

Der Traum der Deutschen

Daraufhin ist ein Sturm der Entrüstung losgebrochen. Schließlich ist das eigene Haus mit Garten der Traum von Millionen deutscher Familien. Zwei Drittel der Deutschen geben in Umfragen ein eigenes Haus sogar als ideale Wohnform an. Etwa 16 Millionen Eigenheime gibt es in Deutschland, sie sind häufig eine solide Altersvorsorge, Symbol für Freiheit, Individualismus und Wohlstand. „Schaffe, schaffe Häuslebaue“, ist nicht nur in Schwaben eine Tugend des deutschen Bürgertums. Ausgerechnet dieses Kernelement deutscher Sehnsucht zu attackieren, wird für die politischen Konkurrenten der Grünen zum gefundenen Fressen.

Aus CDU, CSU und FDP hagelt es Kritik. Der CDU-Generalsekretär Paul Ziemak empört sich: „Grüne verbieten Einfamilienhäuser. Ich sage: Finger weg vom Traum junger Familien!“ CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verstärkt: „Die Grünen haben offenbar das Einfamilienhaus als neues Feindbild entdeckt. Dahinter steckt der ideologische Kampf von links-grün gegen das Eigentum. Statt Eigentum zu fördern und zu schützen, setzen die Grünen auf Bevormunden, Enteignen und Verbieten.“ Ähnlich sagt es Hamburgs neuer CDU-Landeschef Christoph Ploß: „Die Grünen wollen die Freiheit von immer mehr Bürgern einschränken. Weiter geht es Richtung grüne Verbotspartei.“

 

Auch die FDP ist beim Thema Eigentum geradezu elektrisiert: „Die Grünen wollen den Menschen den Traum vom Eigenheim madig machen", wettert Daniel Föst, der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: „Statt Bürgerinnen und Bürger in DDR-Plattenbauten zu pferchen, müssen wir endlich mehr Menschen den Weg ins Eigenheim ebnen“.

 

Sprengkraft im Wahlkampf

Auch wenn die Angriffe der Konkurrenz parteipolitisch zugespitzt sind - die Debatte ärgert die Grünen mächtig. Verzweifelt versucht die Parteiführung, das Thema harmlos und klein zu reden. Hofreiter sei falsch verstanden worden, niemand fordere ein Verbot von Eigenheimen. Grünen Chef Robert Habeck fleht gar nach „mehr Differenziertheit in der Debatte“. Habeck, Baerbock & Co. wissen um die Sprengkraft der Debatte für den Wahlkampf.

 

Denn die Situation erinnert fatal an die beiden vergangenen Bundestagswahlkämpfe von 2013 und 2017. In beide waren die Grünen mit glänzenden Umfragewerten gestartet, um dann mit falschen Themen und einer Verbotsparteienhaltung die bürgerliche Mitte zu verschrecken und am Ende bei mageren 8,4 (2013) und 8,9 (2017) zu stranden. Einmal waren es Steuererhöhungen und die Kritik an Autos, das andere Mal war es die Forderung nach einem „Veggie-Day“, bei dem die Partei für fleischfreie Tage in den deutschen Kantinen plädierte. Damals insinuierte die Konkurrenz erfolgreich, Grüne wollten den Deutschen das geliebte Schnitzel verbieten. Wie jetzt in der Eigenheimfrage versuchten die Grünen auch in diesen beiden Debatten differenzierte Argumente nachzuliefern. Doch der Eindruck in der Öffentlichkeit entstand, dass die Grünen doch noch nicht die bürgerliche Volkspartei der neuen Mitte sei, sondern eine linke Verbotstruppe.

Die Nervosität bei den Grünen wird verstärkt durch ohnedies fallende Umfragewerte. Am 7. März 2020 hatten die Grünen im RTL/n-tv-Trendbarometer noch Zustimmungswerte von 24 Prozent erreicht. Heute sind sie auf 19 Prozent abgesackt, Tendenz fallend. Sie haben damit binnen eines Jahres jeden fünften potentiellen Wähler verloren. In ersten Umfragen holt die SPD die Grünen sogar wieder ein. Dabei waren die Grünen monatelang konstant die zweitstärkste Partei in Deutschland, satte acht Prozentpunkte betrug der Vorsprung vor der SPD zwischenzeitlich.

 

Rückschlag in Umfragen

Mit dem Rückschlag in den Umfragen und der gefährlichen Eigenheimdebatte drohen die Grünen ihren Nimbus als neue Volkspartei der linken Mitte zu verlieren. Zumal auch die grüne Deutungsmacht bröckelt. Grüne Themen - wie die Klimafrage - sind in der Pandemie nicht mehr so gefragt wie 2019. Auch nach der akuten epidemischen Notlage wird Deutschland sich viele Monate mit den wirtschaftlichen Folgen befassen müssen. Bei beiden Themen gelten die Grünen nicht als Kompetenzführer. Zudem gilt: Eine Gesellschaft, die die unmittelbare Pandemie-Katastrophe durchlebt, wird sich der mittelbaren Klimakatastrophe nicht mehr mit gleicher Inbrunst zuwenden wollen.

Zu allem Überfluss ist auch der Machtkampf um die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl immer noch nicht entschieden. Robert Habeck oder Annalena Baerbock streben beide gleichermaßen danach. Wer immer es wird, er muss über Eigenheime reden und erklären, dass die Grünen diese nur kritisch infrage stellen - aber nicht verbieten wollen. Schon diese Position ist fatal, um Mehrheiten in der Mitte zu gewinnen.        

 

 

 

Quelle / Herausgeber: 

 

Wirtschaftskurier - Die Eigenheim-Debatte ist ein Desaster für die Grünen: WirtschaftsKurier - Nachrichten und Kommentare aus Politik und Wirtschaft


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