Sind die Tage der Handschrift gezählt?

Das Schreiben lernen per Handschrift kann mühsam sein.
Das Schreiben lernen per Handschrift kann mühsam sein.

DMZ – WISSEN/SOZIALES ¦ Patricia Jungo ¦

KOMMENTAR

 

Das neue Schuljahr hat wieder begonnen und bestimmt wird gerade einigen Kindern bewusst, wie mühsam das Schreiben lernen per Handschrift doch sein kann. Das ist auch gut nachvollziehbar und ein viel anstrengenderer Prozess als beispielsweise das Bedienen eines Tablets, welches die Kinder schnell und fast intuitiv lernen. Es ist ja auch eine regelrechte Herausforderung, so viele Vorgaben einhalten und dazu noch ständig alles wiederholen zu müssen.

 

Da können die Kleinen schon mal ins „Schwitzen“ kommen und die Motivation verlieren. Dass Schreiben eine sehr wichtige Grundkompetenz ist, darin sind sich alle einig. Im digitalen Zeitalter sind jedoch manche der Meinung, das Erlernen der Handschrift sei nun doch veraltet und seine Tage in der Schule wohl langsam gezählt. Viele Eltern verstehen ihre Sprösslinge zu gut, wenn sie genervt wissen wollen, wozu sie denn noch Handschrift lernen sollen, wo es doch mit Tablet, Smartphone und Computer viel einfacher geht.

 

Die passende Erklärung zu finden, kann dann manchmal eine Knacknuss sein. Sie haben ja auch recht, die Kinder: Alles kommt derzeit entweder per E-Mail, SMS oder Chat-Nachricht herein. Notizen, Einkaufs- und Checklisten warten praktisch und sicher auf dem Smartphone. Korrigieren ist bei Wunsch auch noch inbegriffen. Wieso sich also abmühen? Vorerst sollte man sich in Erinnerung rufen, dass das Erlernen der Handschrift den Grundstein zum Schreiben lernen bildet und es dabei nicht primär darum geht, möglichst „schön“ zu schreiben. Es gibt tatsächlich auch einige sehr „treffende“ Argumente, die zeigen, dass sich die Mühe beim Erlernen der Handschrift durchaus auszahlt. So kann man sagen, dass Handschrift Hirnschrift ist: Unser Gehirn wird so richtig wach, wenn wir von Hand schreiben. Ganze vier Bereiche werden in beiden Hirnhälften dafür gebraucht: Die Bewegung der Hand, die Erkennung der Grammatik, die Bedeutung eines Wortes und die Zusammenfassung der einzelnen Buchstaben in ganze Worte werden dabei verarbeitet.

 

Dies bedingt einen enormen Umbauprozess in den Verschaltungen des Gehirns und gerade die Gehirne der Kinder sind Meister darin. Zudem erleichtert es das Schreiben von Hand, uns Dinge einzuprägen. Durch den motorischen und kognitiven Prozess wird es einfacher, uns an das Geschriebene zu erinnern. Beim Formen der Buchstaben mit der Hand bilden sich im Hirn Gedächtnisspuren. Diese werden wieder aktiv, wenn wir den Worten erneut begegnen in anderen Texten. Beim Tippen ist dies jedoch nicht der Fall, da es zwischen der Bewegung des Tippens und der Form des Buchstabens keinen Zusammenhang gibt.

 

Dies erklärt, warum auch viele Menschen berichten, sie könnten sich viel besser an Dinge erinnern, die sie handgeschrieben hätten als an getippte. Natürlich werden diese Argumente mehr uns Erwachsenen einleuchten als unseren „verzweifelten „ Kindern. Wie so oft ist dabei unser Vorbild gefragt und etwas Ideenreichtum. Wenn Kinder grosse Mühe und fehlende Motivation beim Erlernen der Handschrift zeigen, hilft es, wenn Eltern für den nächsten Einkauf die Notizen am Kühlschrank oder die Postkarte für die Oma selber wieder Papier und Schrift zur Hand nehmen. Dabei spielt das Kind sicher ab und zu gerne mal Sekretär oder Sekretärin. Ein grosses Familien-Memoboard regt ebenfalls zum Schreiben an! Auch für Spiele gibt es unzählige Möglichkeiten, mit der Hand zu schreiben und Spass zu haben. Der Weihnachtsmann mag handgeschriebene Wunschlisten angeblich viel besser lesen und auch ein Freundschafts- oder Tagebuch kann von Hand überall geführt werden. Bietet man dem Kind dazu noch ergonomisch geformte Stifte, klopft die Motivation bestimmt bald wieder an die Tür. Auch Schreiben in Sand oder mit Strassenkreiden bietet eine tolle Möglichkeit, die Feinmotorik nebenbei zu trainieren. Aber digitale Medien und Handschrift sind auch keine „Feinde“ und schliessen sich ja nicht gegenseitig aus. Die neuen Medien bieten gute Möglichkeiten, um den Prozess des Schreiben lernens zu unterstützen und zu begleiten. Die gute alte Handschrift hat also definitiv noch ihren berechtigten Platz. Nicht zuletzt drückt unsere Handschrift ja neben all ihren Vorteilen auch unsere Persönlichkeit aus und ist damit so einzigartig wie wir selbst!


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