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Landwirtschaft spielt kleine Rolle in der Schweiz - Forderungen von der Branche sind aber seit Jahrzehnten Thema

DMZ – LANDWIRTSCHAFT ¦ Anton Aeberhard ¦

KOMMENTAR

 

Wer in der Landwirtschaft tätig ist, der wird oft mit Vorwürfen und heftiger Kritik konfrontiert. Besonders häufig werden dabei die Rindviehhaltung und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kritisiert.

Die Landwirte werden beschuldigt, für die Verschmutzung des Grundwassers verantwortlich zu sein und mit dem Ausstoss von Treibhausgasen den Klimawandel zu beschleunigen. Diese Anschuldigungen werden zum grossen Teil berechtigt gemacht. Mehr als ein Drittel der Gesamtfläche der Schweiz wird landwirtschaftlich genutzt. Die Landwirtschaft ist demnach ein wichtiger Einflussfaktor des Menschen auf die Umwelt. Wir zeigen, was Landwirtschaft in der Schweiz ist und bedeutet.

 

 Dass die Bauern stets jammern und kritisieren ist nicht bloss ein Gerücht, sondern zeigt sich eindrücklich auch in der Politik. Sie wollen mehr Geld, vom Ausland abgeschottet sein, bevorzugt werden, Billigstarbeitskräfte aus dem Osten beschäftigen, Subventionen, Direktzahlungen, mehr Geld, mehr, mehr, mehr. So fordern nicht nur die Mehrheit der Steuerzahler, sondern auch die OECD in der Schweiz eine  Reform in der Schweizer Landwirtschaft. So solle die Schweiz Handelshemmnisse abbauen und die Direktzahlungen an Landwirte reduzieren, heisst es u.a. in einer publizierten Studie zur Schweizer Agrarpolitik.

 

Einige Fakten

Die Schweizer Landwirtschaft bewirtschaftet eine landwirtschaftliche Nutzfläche von insgesamt 10.000 Quadratkilometern (rund einer Million Hektar) und beschäftigt rund 150.000 Personen. Die landwirtschaftliche Nutzfläche besteht zu über 70 Prozent aus Grünflächen. Derzeit nimmt die fruchtbare Ackerfläche pro Person aufgrund der Siedlungsausdehnung und der Bevölkerungszunahme laufend ab. Derzeit verbrauchen die Schweizer rund 300 m² Ackerfläche pro Person, das entspricht rund 160 m² für Getreide. Die Anbaufläche pro Person für Kartoffeln (13 m²) ist damit etwa halb so gross wie die für Raps zur Speiseölgewinnung (26 m²).

 

Es gibt unterschiedliche Formen der Landwirtschaft in der Schweiz: der landwirtschaftlichen Wirtschaftsbereiches lässt sich grob nach pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen gliedern. Die Pflanzliche Produktion, zu der Obst- und Gemüsebau, Getreide- oder Weinbau gehören, trägt einen Anteil von 37 Prozent zur Gesamtproduktion der Schweizer Landwirtschaft bei, den grösseren Anteil (50 Prozent) erwirtschaftet die Tierische Erzeugung. Allein der Anteil der Milchwirtschaft an der Gesamtproduktion beträgt knapp 22 Prozent.

 

Die Bio-Direktvermarktung erzielte 2019 in der Schweiz mit knapp 170 Millionen Schweizer Franken einen neuen Spitzenwert. Direktvermarktung ermöglich es den Landwirten, die selbst hergestellten Produkte – verarbeitet oder nicht – direkt, also ohne Zwischenhandel und Detaillisten, zu vermarkten. Dies hat zur Folge, dass der Produzent einen grösseren Teil des vom Konsumenten bezahlten Preises selbst behalten kann. Im Vergleich zu 2010 hat die Anzahl der Betriebe mit Direktverkauf deutlich zugenommen. So ist die Zahl der um etwa 60 Prozent auf 11.360 Betriebe.

 

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. Aufgrund unterschiedlicher Aktualisierungsrhythmen können Statistiken einen aktuelleren Datenstand aufweisen.

 

Struktur der Landwirtschaftsbetriebe
  Total 2020 davon Bio % Bio
Landwirtschaftsbetriebe  49 363  7 561 15.3%
Beschäftigte in der Landwirtschaft  149 521  25 274 16.9%
Landwirtschaftliche Nutzfläche (ha) 1 044 034  177 347 17.0%
Landwirtschaftliche Nutzfläche je Betrieb (ha)   21   24  
Rindvieh 1 515 123  211 001 13.9%
Schweine 1 348 306  35 668 2.6%

Quelle: BFS - Landwirtschaftliche Strukturerhebung

 

 

Wertschöpfungsanteil der Agrarbranche in der Schweiz bis 2019

Im Jahr 2019 trug die Branche Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei 0,7 Prozent zur gesamten Bruttowertschöpfung in der Schweiz bei. Ein verschwindend kleiner Teil, wenn man bedenkt wie aktuell die Bauern praktisch täglich zu politischen Gesprächen Anlass geben. Die Wertschöpfung aller Branchen bzw. aller wirtschaftlichen Sektoren ergibt die Wertschöpfung der gesamten Volkswirtschaft, was nach Berichtigungen dem Bruttoinlandprodukt (BIP) entspricht.

 

Die Bruttowertschöpfung in der Branche Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei in der Schweiz beträgt nur rund 1,2 Milliarden Schweizer Franken. Die Bruttowertschöpfung gibt den Gesamtwert aller produzierten Waren und Dienstleistungen an, abzüglich der sogenannten Vorleistungen.

Wenn man weiss, dass der Bund rund 2,8 Milliarden Schweizer Franken oder 75 Prozent des gesamten Agrarbudgets aus Direktzahlungen für Schweizer Agrarbetriebe zur Verfügung stand, muss man sich nicht mehr darüber streiten, welche wichtige oder unwichtige Rolle die Bauern in der Schweiz noch spielen. Längst ist es zum subventionierten Kulturbereich der Schweiz geworden und ist nur durch die Steuergelder am Leben. Kaum eine andere Branche erhält soviel Geld, um nur ungenügende und unzureichende Gegenleistungen zu bringen.

 

Der Bund wendete im Jahr 2019 für Landwirtschaft und Ernährung zusätzlich insgesamt 3.658 Millionen Schweizer Franken auf. Das entspricht 5,1 Prozent der Gesamtausgaben des Bundes. Die Ausgaben für Landwirtschaft und Ernährung blieben damit praktisch auf dem Vorjahresniveau (+0,5 Prozent). Und immer mehr wird von den Bauern und ihren Verbänden gefordert. Dabei war diese Branche gar nie in der Position Forderungen zu stellen, da sie für die Schweiz nur eine kleine Rolle spielt.

 

Nun wird die grösste Kampagne in der 125-jährigen Geschichte des Schweizer Bauernverbandes geführt. Dies bestätigt Urs Schneider, Vizedirektor des Bauernverbandes. Er koordiniert die grosse 2x-NEIN-Kampagne gegen die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative. Verlässliche Zahlen nennt er keine. Und woher das Geld stammt ebenfalls nicht. Klar ist, dass die Obstbauern von Economiesuisse unterstützt werden.

Denn neben dem Bauernverband führen die Obst- und Gemüsebauern noch eine eigene Kampagne. Grosszügig mitfinanziert von der Wirtschaft, wie ein internes Protokoll des Bauernverbandes zeigt. Darin steht, Economiesuisse habe "wesentliche Mittel" zugesichert. Die Interessen von Economiesuisse sind klar.

Gemäss einer groben Hochrechnung der «Rundschau» haben die Gegnerinnen und Gegner insgesamt über 6 Millionen Franken in der Kampfkasse.

 

"Für sauberes Trinkwasser und gesunde Lebensmittel"

Die Vorlage will Direktzahlungen für Landwirte stoppen, die sich nicht an nachhaltigen und umweltfreundlichen Produktionsmethoden beteiligen.

 

"Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide"

Diese Vorlage fordert ein vollständiges Verbot des Einsatzes von synthetischen Unkraut-Vernichtungsmitteln, Insektiziden und Fungiziden in der Schweizer Landwirtschaft sowie für den privaten und gewerblichen Gebrauch. 

 

Dass man über solche "Dinge", die jedem vernunftbegabten Menschen ohnehin sonnenklar sind, erst noch abstimmen muss, zeigt, wie dreckig und gegen die Natur die Landwirtschaft in der Schweiz arbeitet. Der Widerstand in der Politik gegen das Gesetz kommt vor allem von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und Gruppen, die der Regierung misstrauen. Wen erstaunt's?

 

Das Problem liegt bei den Landwirten, die auf möglichst hohe Erträge aus sind. Bauern, die sich für die beiden Initiativen stark machen, werden scharf angegangen und gar bedroht. Es wird auch in diesem Abstimmungskampf nicht sauber zugehen. Für viele Konsumenten steht indes fest, dass die Bauern keine Bauern mehr sind, sondern Produzenten, welchen nur ein höherer Ertrag am Herzen liegt. Die Auswirkungen und weiteren Zusammenhänge sind ihnen mehr oder weniger egal, sie wollen einfach überleben und stellen sich dabei gegen die Natur. Dabei wäre es so einfach: "Es sollte ganz einfach verboten sein, Mittel zu verwenden, welche giftig für Mensch und Natur sind!

 

Bauern Bashing

Pestizide im Trinkwasser, Insektensterben, Missbilligung der Tierhaltung: Schweizer Bauern sind seit je her  massiver Kritik ausgesetzt, meist zurecht, was auch die aktuellen Aussagen aus ihren Reihen zementiert. Einfachheitshalber machen Verbände und Bauern dann immer die Bevölkerung verantwortlich, bzw.  fehlendes Wissen der Bevölkerung und reden sehr gerne vom Bauern-Bashing. Aber sachliche Kritik und vor Augen führen von Fakten, Statistiken und Zahlen hat nichts mit Bashing zu tun.

 

Viele Menschen fordern derzeit in mehreren Volksbegehren eine Wandlung der Schweizer Landwirtschaft: Die zwei Initiativen (siehe oben) wehren sich gegen den Einsatz von künstlichen Pflanzenschutzmitteln. Die Massentierhaltungsinitiative will Bio-Standards bei der Tierhaltung für alle Betriebe durchsetzen.

 

Der Präsident des Bauernverbandes, Markus Ritter, sagt: "Bei mir haben sich schon mehrmals Landwirte gemeldet, die angepöbelt wurden, weil sie Pflanzenschutzmittel ausbringen". Ihm tue das "sehr weh". Wie sehr diese Leute an Flora, Fauna und Menschheit vorbei "arbeiten", zeigen klar und deutlich solche Aussagen, die man einfach nur als egoistisch und unüberlegt bezeichnen kann.

 

Dass Lebensmittel pestizidfrei produziert werden können, ohne Mängel bei der Produktion oder Qualität hinzunehmen, wird den Konsumenten zwar vermittelt, aber auch das stimmt nicht. Auch in der Bio-Landwirtschaft spritzt man – einfach mit Spritzmitteln natürlichen Ursprungs. Was es nicht wirklich besser macht. Der Konsument wird nach Strich udn Faden belogen und betrogen.

 

 

Die Landwirtschaft liefert zwar nur einen kleinen Teil der Wertschöpfung, welche die Schweizer Wirtschaft pro Jahr erzielt, dennoch darf ihre Bedeutung nicht nur an den Fehlern aufgehängt werden. Es besteht dringen und rascher Handlungsbedarf, damit die Landwirtschaft auch weiterhin in der Schweiz toleriert wird. Verliert diese weiter an Glauben und "arbeitet" an Natur, Tier und Volk vorbei, ist es auch bald mit dieser "Branche" vorbei.

 

Noch ein paar unglaubliche und traurige Beispiele im Zusammenhang mit Tierschutz (der bis vor einigen Jahren bei den Bauern noch keine Rolle gespielt hat)

  • Erst per 1. Januar 2010 wurde die Kastration ohne Schmerzausschaltung in der Schweineproduktion verboten und die Registrierungpflicht für Geflügelhaltungen eingeführt,
  • Nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren, sind Vollspaltenböden im Liegebereich der Rinderproduktion seit 1. September 2013 verboten.
  • Bei der Kalbfleischproduktion ist die Haltung der Kälber auf Spaltenböden komplett verboten.
  • Bei Demeter Schweiz ist u. a. die Enthornung verboten und die Aufzucht männlicher Küken vorgeschrieben.
  • Seit dem 1. Februar 2017 muss die Trächtigkeit von Kühen vor dem Weg zur Schlachtung angegeben werden. So soll verhindert werden, dass jedes Jahr etwa 15.000 trächtige Kühe geschlachtet werden.
  • Nach einer bald zehnjährigen Übergangsfrist ist die Vollspaltenbodenhaltung in der Schweineproduktion seit dem 1. September 2018 verboten. Daraufhin sind viele Bauern aus der Schweineproduktion ausgestiegen. Infolge kam es ab 2019 zu einem sprunghaften Anstieg von Schweinefleischimporten, vor allem aus Deutschland.

 


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