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Irrationale Angst: Impfstoffe sind nicht von Geimpften auf Ungeimpfte übertragbar

DMZ - GESUNDHEIT / WISSEN ¦

Dieser interessante Artikel erschien am 18.5. bei Mimikama.at.

 

Angeblich stellen geimpfte Personen für Ungeimpfte eine große Gefahr dar: Die Impfung sei „ansteckend“ und sorge für gesundheitliche Probleme bei Ungeimpften.

 

Warnhinweise und eher seltsam anmutende Erfahrungsberichte kursieren derzeit bei Impfgegnern. Angeblich sei die COVID-19 Impfung „ansteckend“ und sorge für Menstruationsprobleme bei Frauen, Männer und Frauen bekämen blaue Flecken und Nasenbluten nach dem Kontakt mit Geimpften.

 

Und ja, das klingt für uns auch eher so, als ob die Ungeimpften vermöbelt worden seien, aber eher weniger nach einer ansteckenden Impfung, doch solcherlei behaupten Seiten wie „Truth News“ (archiviert HIER) und „Legitim“ (archiviert HIER).

 

Auch diverse Sharepics mit der Behauptung kursieren:

 

Sharepics über die ausgehende Gefahr von Geimpften

 

Funfact: „Vice“ (siehe HIER) berichtet, dass Ungeimpfte überlegen, sich nun gegen Geimpfte zu schützen – mit Schutzmasken und Sicherheitsabstand. So begrüßenswert dies auch wäre: dabei handelt es sich nur um einen Thread im Trollforum 4chan und einem Beitrag auf Twitter, in denen Nutzer dies vorschlugen.

 

Die Behauptung

Zusammengefasst wird behauptet, dass COVID-19 Impfstoffe durch Aerosole und Berührungen übertragbar sind, was bei Ungeimpften zu körperlichen Beschwerden führe. Als Beweise werden Erfahrungsberichte geteilt, die teilweise sehr skurril sind (von „Ein Geimpfter streichelte meinen Hund, kurz darauf starb er“ bis zu „Ein Geimpfter hatte Kontakt mit mir, seitdem sind meine Chakren blockiert“), aber auch seriös wirkende Schlussfolgerungen, auf die wir im Folgenden eingehen werden.

 

Die Impfung ist kein Fluch

Liest man die Erfahrungsberichte, so hat man tatsächlich den Eindruck, als ob Geimpfte quasi verflucht seien und die angeblich schädliche Wirkung der Impfung durch bloßes Atmen oder einer Berührung weitertragen.

Insbesondere die Behauptung, dass der Kontakt mit Geimpften den weiblichen Menstruationszyklus störe, wird immer wieder aufgeworfen, weswegen die Gynäkologin Dr. Jen Gunter einen erklärenden und ausführlichen Blog-Post verfasste (siehe HIER).

 

Darin geht sie zuerst darauf ein, wie mRNA- und Vektor-Impfungen technisch überhaupt funktionieren. Grob umschrieben: Der Bauplan für das Spike-Protein des SARS-CoV-2 Virus wird in den äußeren Zellbereich geschleust, dort werden die Spike-Proteine produziert, das Immunsystem lernt diesen Fremdkörper kennen und geht dagegen vor, sodass im Falle einer echten Infektion das Immunsystem das Coronavirus bereits am Spike-Protein erkennt und bekämpfen kann.

 

Die mRNA aus der Impfung wird jedoch relativ schnell wieder zerstört, was auch nötig ist, da die Zellen sonst lebenslang diese Proteine bauen würden. Das geschieht auch mit jeder anderen mRNA, die der Körper zur Produktion von Proteinen verwendet – und dies war auch immer das große Problem bei früheren Versuchen mit mRNA-Impfungen: Der Körper zerstörte diese zu schnell, bevor sie Proteine entwickeln konnten.

 

Diese mRNA aus den Impfungen kann man also gut mit IKEA-Bauanleitungen vergleichen: Man braucht sie einmal, schmeißt sie aber hinterher weg. Genauso macht es der Körper mit der mRNA: Danke für die Anleitung, aber nun ab in den Papierkorb!

 

Tatsächlich aber besteht die Möglichkeit, dass geimpfte Frauen Menstruationsprobleme haben, dies wird derzeit allerdings noch genauer untersucht (siehe HIER). Was aber nicht möglich ist: dass ungeimpfte Frauen, die Kontakt mit geimpften Frauen haben, ebenfalls Menstruationsprobleme bekommen!

 

Es handelt sich ohnehin um einen immer wieder auftauchenden, aber widerlegten Mythos, dass Frauen, die längere Zeit zusammen verbringen, ihre Menstruation „synchronisieren“ (siehe HIER), noch weniger ist es möglich, durch Impfungen eventuell auftretende Menstruationsstörungen durch Berührungen oder Aerosole zu übertragen.

 

Schon mal von einem Diabetiker (Insulinkranken) angesteckt worden?

Täglich werden im menschlichen Körper hunderte Proteine und Hormone produziert, beispielsweise Hämoglobin, Myosin oder Insulin.

 

Insulin ist ein gutes Beispiel, da sicherlich viele Leute jemanden kennen, der sich regelmäßig Insulin spritzen muss. Dabei handelt es sich normalerweise um ein körpereigenes Hormon, welches von der Bauchspeicheldrüse produziert wird und den Blutzuckerspiegel reguliert.

 

Menschen, deren Körper zu wenig Insulin produzieren, spritzen sich dies, da sonst der Zucker im Körper nicht abgebaut werden kann. Sie helfen also ihrem Körper mithilfe von Spritzen nach.

Nach der Logik der Impfgegner müsste Insulin ebenfalls durch Aerosole und durch Berührungen auf andere Menschen übertragbar sein – beispielsweise müssten wir dann durch Kontakt mit einem Insulinkranken selbst auch plötzlich weniger Insulin produzieren, denn schließlich spritzen diese ja Insulin, und wenn was durch eine Spritze in den Körper gelangt, dann kann es bestimmt auch wieder durch den Atem oder die Haut austreten, oder?

 

Vielleicht merkt ihr anhand jenes Beispiels selbst, wie absolut irrational diese Behauptung ist: Natürlich ist Insulin oder der Mangel daran genauso wenig übertragbar wie vom Körper produzierte Spike-Proteine – wenn dies so einfach wäre, bräuchten wir auch gar nicht so viele Impfungen, sondern müssten nur warten, bis jeder sich durch Geimpfte „angesteckt“ hätte.

 

„Aber es gibt Beispiele für ansteckende Impfungen!“

Tatsächlich gibt es die, allerdings handelte es sich um ganz andere Arten von Impfungen, nämlich um Impfungen mit lebendigen Viren, darunter der orale Polio-Impfstoff und ein Rotavirus-Impfstoff.

 

Bei der Ausrottung der Kinderlähmung hat dieses als „Kontaktimmunität“ bekannte Effekt sogar viel Gutes bewirkt, da ein geimpftes Kind dadurch oftmals andere Kinder indirekt impfte. In seltenen Fällen allerdings löste der orale Polio-Impfstoff jedoch bei ungeimpften Kindern tatsächlich die Krankheit selbst aus.

 

Es sei nochmal deutlich gesagt: Bei jenen „ansteckenden“ Impfungen handelt es sich um lebendige, abgeschwächte Viren, die übertragen wurden, bei den COVID-19 Impfungen handelt es sich um den Bauplan für ein Spike-Protein – und der ist nur kurzzeitig im Körper und verlässt ihn auch nicht.

 

„Aber Pfizer warnt auch vor Kontakt mit Geimpften!“

Viele Impfgegner zücken dann bei Zweifel an ihren Behauptungen ein Protokoll zu der klinischen Studie von Biontech/Pfizer (PDF, siehe HIER), in dem steht, dass es meldepflichtig sei, wenn eine schwangere oder stillende Frau dem Impfstoff ausgesetzt gewesen sei, dabei werden auch Hautkontakt und Einatmen erwähnt.

 

Dabei handelt es sich allerdings um einen in klinischen Studien übliche Verfahrensweise, wie Günther Schönrich, Virologe und stellvertretender Direktor am Institut für Virologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin, den Kollegen von „Correctiv“ erklärt. Da noch nicht vollständig getestete Impfstoffe theoretisch unerwünschte Effekte auf das (ungeborene) Kind haben könnten, findet sich diese Vorsichtsmaßnahme immer in klinischen Studien.

 

Jene Gefahr besteht allerdings, wie oben bereits erwähnt, nur bei Lebendimpfstoffen, die einen abgeschwächten, aber vermehrungsfähigen Virus beinhalten, nicht jedoch bei mRNA- und Vektor-Impfstoffen, die nur Baupläne enthalten, welche zudem sehr fragil sind.

 

Fassen wir zusammen

Es gibt viele Anekdoten von Ungeimpften, die teilweise sehr skurrile Geschichten erzählen, wie sie durch Geimpfte „angesteckt“ wurden und plötzlich Krankheitssymptome entwickelten. Dies erinnert ein wenig an die Menschen, die Migräne durch 5G-Sendemasten bekommen, obwohl diese nicht einmal eingeschaltet waren (siehe unseren Artikel HIER) – ein sogenannter Nocebo-Effekt tritt ein: Menschen werden krank, obwohl es gar keine tatsächliche Ursache gibt.

 

Wissenschaftlich sind diese Behauptungen jedoch absolut nicht haltbar, ansonsten müssten die gleichen Krankheitsmerkmale auch bei einer überwiegenden Mehrheit der Geimpften, welche die Spike-Proteine und die mRNA direkt im Körper haben, auftreten – was nicht der Fall ist.

 

Für eine Panik vor Geimpften gibt es somit keinerlei Begründung – auch wenn es sicherlich viele Geimpfte begrüßen, wenn sich ungeimpfte Personen dadurch auch von immunschwachen Menschen fernhalten, die nicht geimpft werden können, aber von geimpften Personen umgeben sind.

 

Artikelbild: Shutterstock / Von Lilia Solonari
Quellen: PolitiFact, Health Feedback, Correctiv, New York Times, Reuters, APA

 

Dieser Artikel erschien zuerst bei Mimikama.at


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