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Ende in Sicht?

Bild: Daniel Peter
Bild: Daniel Peter

DMZ – POLITIK / GESELLSCHAFT ¦ Daniel Peter ¦

KOMMENTAR

 

Der Sommer steht vor der Türe. Die Fallzahlen sinken und der Bund lockerte viele der Massnahmen. Weitere Lockerungen sind in Sicht. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger sind geimpft. Beste Voraussetzungen, dass wir diesen Sommer zu einer gewissen Normalität zurückkehren können. Ist das bereits das Ende der Pandemie?

 

Die erste, die zweite und die dritte Welle... Virusmutationen... diese Pandemie hat sich in den vergangenen Monaten als unberechenbar erwiesen. Ist bei uns in der Schweiz und Europa bald aber trotzdem ein Ende der Pandemie in Sicht? Erleben wir bald eine neue Normalität? Und was bedeutet Normalität?

 

Vieles wird nicht mehr so sein wie vor dem Beginn dieser globalen Katastrophe. Die letzten Monate werden uns allen noch lange in den Knochen stecken. Einige haben mit finanziellen Problemen zu kämpfen, einige haben ihre Stelle verloren, einige arbeiten seit Monaten im Homeoffice und fühlen sich sozial isoliert. Waren die Einschränkungen in der Schweiz im Vergleich zum benachbarten Ausland auch geringer, sie haben aber jede und jeden von uns betroffen. Die Gastronomie war vier Monate geschlossen, Familienfeiern waren nicht möglich, Reisen waren erschwert. Während die einen die vielbeschriebene Entschleunigung schätzten, haben andere massiv gelitten. Nachwievor wird in den Geschäftern um Wahrung des Abstandes gebeten und es gilt noch immer die Maskenpflicht. "Social" und "Physical Distancing" hat unser Verhalten innert Monaten komplett verändert. Kein Händeschütteln, keine Umarmung und keine Küsschen zur Begrüssung.

 

Und doch scheinen das Wohlstandsthematiken. Während bei uns die Fallzahlen sinken, kämpfen andere Länder mit Engpässen in der Geseundheitsversorgung. Die Bilder aus Ländern wie Indien sind besorgniserregend. Unser gutes Gesundheitswesen und unser solides Sozialleistungssystem haben uns vor grösserem Schaden bewahrt. Während rechte und bürgerliche Politik in den vergangenen Jahren versuchte die Sozialhilfe einzuschränken, haben uns gerade unsere soliden Sozialversicherungen wirtschaftlich gerettet. Über eine Million Menschen und über hunderttausend Unternehmen waren oder sind noch immer auf Finanzhilfen angewiesen. Daher ist es wichtig, dass das Covid-19-Gesetz am 13. Juni von Volk und Ständen angenommen wird. Es geht um Kurzarbeits- und Erwerbsersatzentschädigung, Härtefallhilfen und um Unterstützung von Kultur, Sport und Medien. Es geht bei der Abstimmung nicht um die Maskenpflicht, Impfpflicht und andere Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Diese Massnahmen sind im Epidemiegesetz geregelt. Das Epidemigesetz regelt die Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten. Unter anderem die Zuständigkeiten, Strategien, Massnahmen und Impfplan. Darüber stimmen wir am 13. Juni aber nicht ab, das Epidemiegesetz wurde direktdemokratisch von der schweizerischen Stimmbevölkerung 2013 mit grosser Mehrheit angenommen.

 

Der Bundesrat hat im Frühjahr 2020 verfassungskonform in der ausserordentlichen Lage Notrecht angewandt. Damit die Massnahmen auch nach Ablauf der sechs Monate noch gelten, hat das Parlament das Covid-19-Gesetz ausgearbeitet und als dringlich verabschiedet. Das Gesetz wurde vom Parlament demokratisch beschlossen und stellt die Beteiligung der Kantone sicher. Der Verein Freunde der Verfassung, welcher das Referendum ergriffen hat, spricht von einer Entrechtung des Volkes und einem durch Pandemiewillkür entstandenen Schadens. Dies wirkt in Anbetracht der weltweiten Pandemie polemisch und zynisch. Objektiv betrachtet konnte dank der Massnahmen die Wirtschaft und Bevölkerung vor grösserem Schaden bewahrt werden. Die in der Bundesverfassung festgehaltene Verhältnismässigkeit wurde eingehalten.

 

Im Laufe der Pandemie entstanden neue Bewegungen wie "Freunde der Verfassung", "Stiller Protest" und "Mass-voll". Es kam zu bizarr wirkenden Volksfesten mit Kuhglocken an welchem sich Nationalkonservative, Rechtsextreme, Esoteriker*innen und Verschwörungstheoretiker*innen regelmässig versammelten. Fern jeder Solidarität wirkt die Forderung nach Freiheit grotesk.

 

Wer die Maskenpflicht bereits als eine Einschränkung seiner Grundrechte hält, hat wohl wenig davon verstanden wie ein Rechtsstaat funktioniert. Die persönliche Freiheit geht im Zusammenleben in einer Gesellschaft nicht über alles. Es gibt Lärmschutzverordnungen welche sicherstellen, dass Bürgerinnen und Bürger nicht um ihren wohlverdienten Schlaf gebracht werden; es gibt Regeln im Strassenverkehr, es gibt Hygienevorschriften. Unser Zusammenleben wird von der Verfassung, Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften geregelt. Dazu gehört eben auch die Maskenpflicht und weitere Einschränkungen der persönlichen Freiheiten. Das alles verfassungskonform.

 

Im Zusammenhang mit der Abstimmung über das Antirassismusgesetz und die Erweiterung des Gesetzes auf das Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung befürchteten rechtskonservative Kreise eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Aber Grundrechte sind nicht da um die Rechte von anderen zu beschneiden. Und so ist es auch bei der Impfpflicht. Was ist wichtiger, die freie Impfentscheidung oder eine öffentliche Gesundheitsstrategie, die auch die Schwächsten vor ansteckenden Krankheiten schützt?

 

Grundrechte wahren ist kein Freifahrtschein für puren Egoismus. Das gesellschaftliche Zusammenleben fordert uns alle. Sei es die Pandemie oder sei es der Klimawandel, wir alle müssen mit persönlichen Einschränkungen leben. Das ist keine Einschränkung der Grundrechte, das ist ein Zeichen für Solidarität und Grundlage für ein funktionierendes Staatswesens. 


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