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Nach 2007 mal wieder eine Immobilienpreisblase in Kalifornien?

DMZ – WIRTSCHAFT ¦ Dirk Specht ¦

KOMMENTAR

 

Die Finanzkrise von 2007/2008 ist längst nicht überwunden, sondern mit viel Notenbankgeld nur zugedeckt. Diese Geldpolitik funktioniert sehr gut und viel länger, als es Crashpropheten sehen wollen. Sie wurde zur Milderung der Pandemie-Krise sogar beschleunigt und auch das hat funktioniert.

 

Zugleich wachsen die Fragen nach einem Exit aus dieser Politik. Auch hier gilt aber, dass der mehr Zeit hat, als viele ihm geben wollen und es mangelt auch nicht an Instrumenten. Das muss deshalb nicht gut gehen, denn die Instrumente sind teilweise schmerzhaft und unpopulär. Es wird letztlich darauf ankommen, wie Unabhängig die Notenbanken tatsächlich agieren und welchen Spielraum sie durch die Politik bekommen. Es ist daher falsch, mit alten Mustern von Geldpolitik und Inflationsspirale zu argumentieren. Die Welt des FIAT-Geldes und der Globalisierung/Digitalisierung ist komplexer geworden.

 

Was aber tatsächlich als Kollateralschaden anzusehen ist, sind die massiv steigenden Sachwertpreise. Hier gibt es längst eine Inflation. Was die Aktienmärkte betrifft, so macht das tiefe Taschen noch tiefer, schafft aber wenigstens bessere Refinanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen und erzeugt – abgesehen an der zunehmenden Assymetrie bei den Vermögen – nicht direkt Schäden.

 

Ganz anders ist das bei den Immobilienpreisen, denn die schlagen voll durch auf Eigenheimkäufer und Mieter sowie auf die Margen der Vermieter. Das ist ein sozial sehr relevantes Thema. Es betrifft zudem die Stabilität des Finanzsektors, wie wir 2007 erleben mussten.

 

Insofern zurück auf los, denn wieder ist es Kalifornien, wo die größten Exzesse feststellbar sind. Eine komplette Wiederholung der Geschichte sehen wir nicht, aber die Ähnlichkeiten sind leider kaum zu übersehen. Waren es 2007 noch die sogenannten Subprimes, also Kredite an finanzschwache Haushalte, so sind es nun diejenigen mit mittlerem Einkommen, die aus den Ballungszentren in die nähere Umgebung flüchten und dort Preissteigerungen von mehr als 20 Prozent alleine im letzten Krisenjahr erzeugten.Diese Entwicklung ist ausgesprochen krank, unsozial und gefährlich. Der neue Subprime-Kredit in 2021 ist der US-Haushalt mit Einkommen um 50.000 Dollar pro Jahr, der bis an den Kragen verschuldet ist mit einer Immobilie, deren Wert implodiert, sobald auch nur die Zinsen angehoben werden. Da die Finanzierungsformen in den USA unverändert sind, platzen diese Kredite gleich bündelweise, sobald die Zinsen steigen, denn der überzogene Preis als Sicherheit fliegt dann auf.

 

Da Donald Trump zudem jegliche Versuche seines Vorgängers, das Investmentbanking an die Leine zu nehmen, wieder rückgängig machte, dürfen wir heute wie 2007 davon ausgehen, dass der Finanzsektor mit derivativen Bündel- und Hebelprodukten vollgesogen ist, die mit einer Masseninsolvenz von Hausbesitzern dann global gestreut eine Schadenswelle durch die Banken und nun vermutlich auch die Schattenbanken erzeugen.

 

Tatsächlich sollten Finanzpolitiker und Notenbanken die Entwicklung des Immobiliensektors als gesonderte Herausforderung annehmen. Es ist weder volkswirtschaftlich, noch sozialpolitisch sinnvoll, wenn unproduktiver Beton immer teurer wird. Preisblasen an der Stelle sind zudem systemrelevant.

Diese Entwicklung der Immobilienmärkte ist ein ungewollter Kollateralschaden der allgemeinen Krisenpolitik seitens der Notenbanken. Die Finanzpolitik sollte unabhängig von der allgemeinen Frage, wann und wie der Ausstieg aus der aggressiven Geldpolitik gelingt, sehr gezielt Instrumente schaffen, die eine weitere Wohnkostenspirale verhindern. Dazu muss der Neubau billiger werden und die Finanzierungskosten müssen steigen, weil sonst weiterhin viel mehr Geld in den Sektor fließt, als gebaut werden kann. Es ist ein nicht leicht zu durchblickender Mechanismus, weil hier die enorme Nachfrage seitens der Geldanlage Teil der Problems ist. Die Balance ist schwierig zu finden, aber umso dringender muss das Thema auf die Agenda. Es ist also die paradoxe Aufgabe, die Schaffung von Wohnraum zu verbilligen und zugleich den Zufluss von zu viel Geld in den Sektor zu bremsen.


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