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“Erzähl uns etwas von dir“ - Die Geschichte von C. Wegmüller

DMZ - GESELLSCHAFT ¦ HISTORISCHES ¦ Amanda Baeriswyl ¦

 

Sich zu öffnen und sich somit seinen Ängsten zu stellen, braucht unglaublich viel Mut, aber wir wissen, dass es da draussen nur so von mutigen Menschen wimmelt. Wir alle kämpfen gegen irgendetwas an. Wir alle fühlen uns manchmal alleine und einsam. Wir alle haben Sorgen, Nöte und Ängste, sehnen uns nach Liebe, Freundschaft und Geborgenheit.

Amanda Baeriswyl zeichnet Ihre Geschichte nach.

 

"Erzähl uns etwas von dir" - Die Geschichte von Christine Wegmüller

Mein Leben ist alles andere als schön gewesen. Ich fiel mit 25 Jahren durch den Erzeuger meiner Tochter in die Drogensucht, davor arbeitete ich ganz normal wie alle anderen. Irgendwann 2009 fing ich an nachzudenken und ich merkte, dass es so nicht weitergehen kann. Das war der Punkt, an dem ich mich dafür entschied, mein Leben zu ändern und einen Entzug zu machen. Seither bin ich sauber, ohne Rückfälle und bin auch verdammt stolz darauf.

 

Einige Zeit nach dem Drogenentzug fing ich wieder an Teilzeit zu arbeiten. Ende 2012 musste ich dann meinen Rücken operieren, da ich seit meinen Teenagerjahren unter Rückenproblemen leide. Als ich in der Reha war, bekam ich dann die Kündigung von meinem Arbeitgeber und acht Monate später stand dann auch schon die zweite Rückenoperation an. Nach meiner zweiten Rückenoperation kämpfte ich jahrelang bei der IV bezüglich einer Integrationsmassnahme oder einer Umschulung. Dieser Kampf blieb leider erfolglos und ich musste mir selber helfen. Dank einer Freundin fand ich nach langem Suchen eine Teilzeitanstellung in einer Firma. Da meine Einnahmen meine Auslagen aber nicht decken, unterstützt mich nebenbei das Sozialamt. Diese Situation ist sehr erniedrigend. Manchmal weiss ich nicht wie ich damit umgehen soll, auch mit dem Druck, ob ich genug Geld habe, um meine Rechnungen zu bezahlen. Seit Mai letzten Jahres suche ich noch intensiver nach einem Zweitjob, um endlich aus dieser Situation zu finden, aber ich finde keine Anstellung. Auch in meinem erlernten Beruf als Detailhandelsfachfrau habe ich keinen Erfolg. Vielfach erhalte ich keine Antwort auf meine Bewerbungen oder man teilt mir mit, dass ich zu alt sei für eine Teilzeitanstellung. Sprich: Durch meine Erfahrung bin ich zu teuer. Eine weitere Belastung ist auch der Druck, der das Sozialamt auf mich ausübt bezüglich einer Zweitanstellung, aber Hilfe bei der Suche erhalte ich keine.

 

Mein Leben spielt sich auch ausserhalb der Gesellschaft ab, da mir das Geld fehlt, um daran teilnehmen zu können. Ich kann nicht einfach spontan in ein Kaffee, ins Restaurant oder ins Kino, ich muss alles akribisch berechnen und planen. Man zieht sich dann auch zurück, einerseits, weil man sich schämt und andererseits, weil das Verständnis für meine Situation fehlt. Viele Menschen verstehen auch nicht, dass ich nicht freiwillig in diese Lage geraten bin. Viele fragen mich, wieso ich Sozialhilfe beziehe, ich könne ja arbeiten. Meine Antwort lautet dann immer: Natürlich kann ich arbeiten, ich suche ja auch nach einem Zweitjob. Die Gegenreaktion lautet dann: Dann musst du dich mehr bemühen, mehr machen. Was sie aber nicht sehen, ist, dass ich genau das tue. Ich will ja arbeiten. Ich reisse mir täglich meinen Hintern dafür auf, um aus dieser Lage zu kommen, aber es geht nicht, weil mir niemand eine Anstellung geben möchte. Ich befinde mich in einer Spirale aus der ich mich nicht befreien kann, weil unser System, so wie es funktioniert, es nicht zulässt. Es muss sich dringend in der Politik und der Wirtschaft etwas ändern.

 

 

 >>> Die Idee zu “Erzähl uns etwas von dir“


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