Emil Cioran - Die Lehre vom Zerfall

DMZ - KULTUR ¦ Matthias Walter ¦

 

 ""Nicht Revolution forderte er - wie Camus - sondern Resignation und Tatenlosigkeit. Denn alle Tat ist für ihn unweigerlich ein Beitrag zum Zerfall, zur weiteren Zersetzung der Welt, sie verstärkt nur das Elend der Menschen, wie das auch die Empfindungen tun. Jede Religion, jede Art von Glauben und jede Ideologie sieht Cioran als Illusion an, immer dazu angetan, eine Art Terror auszuüben gegen diejenigen, die anderer Meinung sind."

 

"[...] Die Vision eines paradiesischen Endzustandes übertrifft in ihrer Absurdität die schlimmsten Verirrungen der Hoffnung [...]."

"Im Grunde sind alle Ideen falsch und absurd. Es bleiben nur die Menschen, so wie sie sind."

"[...] Wir sind ohnmächtig und können zu einer besseren Welt nicht beitragen. Alles, was wir nach Cioran leisten können, ist, den Zerfall zu beschleunigen [...]."

"Das Übel entsteht aus dem Handeln. Und in der Welt zu agieren, bedeutet sie zu dekonstruieren."

"Unser Schicksal will, dass wir gemeinsam mit den Kontinenten und Sternen vermodern, und so werden wir bis ans Ende aller Zeiten wie resignierte Kranke neugierig sein auf die erwartete, schreckliche und nutzlose Lösung des Knotens."

Zweifelsfrei der größte Pessimist unter den Philosophen/Essayisten, den ich jemals "kennengelernt" habe.

 

Er stand stark unter dem Einfluss von Nietzsche, Schopenhauer und dem Buddhismus.

Emil M. Cioran wurde am 8. April 1911 in Rasinari in Siebenbürgen (Österreich-Ungarn) geboren. Er starb am 20. Juni 1995 in Paris, wo er seit 1937 lebte.

Seine Geburt betrachtete er als Verhängnis (überhaupt auf die Welt zu kommen sei eine Katastrophe - "vom Nachteil, geboren zu sein"). Er verachtete die Menschen aufs Äußerste (der Mensch sollte verschwinden, er sei "der Krebs der Erde"). Ab seinem 17. Lebensjahr litt er zudem unter chronischer Schlaflosigkeit, was sein düsteres Weltbild - das liegt nahe - nicht abschwächte. Er war ein Nihilist, ein radikaler Skeptiker, der alles in Frage stellte und zerredete.

Vor seinem ersten großen Werk - "Auf den Gipfeln der Verzweiflung" - war Cioran selbstmordgefährdet (die Idee des Selbstmords war bei ihm stets ein zentrales Gedankengebäude). Nachdem er dieses Buch vollendet hatte, gab es für ihn keinen Grund mehr, sich umzubringen (das Schreiben war für Cioran zeit seines Lebens eine Therapie - ein Abwehrmechanismus gegen den Suizid). Er schrieb auch nur, wenn es ihm schlecht ging: "Sonst gab es dafür überhaupt keinen Grund. Ich habe nur geschrieben, wenn ich absolut verzweifelt war."

Die Tatenlosigkeit, die er noch als am "sinnvollsten" betrachtete und grundlegend "forderte", erfüllte er selbst am besten: "Meistens tue ich überhaupt nichts. Ich bin der untätigste Mensch in Paris. Nur eine Hure ohne Kunden ist untätiger als ich."

 

Er lebte meist einsam in einer kleinen Dachgeschosswohnung und fand im Schreiben, das er laut eigener Aussage auch hasste, eine Art Ausweg aus dem Leiden und der Sinnlosigkeit in der Welt - es sieht so aus, dass seinem tiefen Leiden eine Denkfähigkeit entsprang, die eben diese - für den "Normalo" - unheimlichen und bedrückenden Gedanken produzierte.

E. M. Cioran - das "M." legte er sich eines Tages selbst zu - war zunächst Anhänger der "Eisernen Garde" und bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ein Bewunderer des Hitlerismus. Nachher entschuldigte er sich dafür und distanzierte sich vom Faschismus.

Er wurde sogar rund 50 Jahre vom rumänischem Geheimdienst in Paris, wohin er später auswanderte, bespitzelt.

 

Selbst den Ruhm mochte er nicht, da er den Pöbel stets verachtete. An einer amerikanischen Universität wurde Cioran als jemand geehrt, der in den Reihen der größten Philosophen aller Zeiten steht. Seine Reaktion darauf: "Aber ich bin doch nur ein Witzbold!" Preise und Ehrungen wurden von ihm stets kategorisch abgelehnt. Dies passe nicht zusammen mit seiner Philosophie.

Cioran war - paradoxerweise - ein sehr freundlicher Mensch, der gerne lachte.

Man bewunderte ihn für seine rhetorische Brillanz und seine glasklare Sprache, sein erstes Buch schrieb er mit 22 Jahren (über die Schlaflosigkeit).

Sein bedeutendstes Werk war wohl "Die Lehre vom Zerfall"."


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