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DE: Von der Mangel- zur Überflusswirtschaft

DMZ – POLITIK ¦ GESELLSCHAFT ¦ Dirk Specht ¦

KOMMENTAR

 

Es ist absehbar, dass auch in Deutschland die Impfkampagne bald vom Problem der Mangelwirtschaft zum nicht nachgefragten Überfluss übergehen wird. In den westlichen Gesellschaften ist dieser Tipping Point etwas unterschiedlich. In den USA ist Impfmüdigkeit bereits nach einem Drittel erkennbar und jetzt bei der Hälfte wenigstens Erstgeimpfter so weit, dass man Anreizsysteme einsetzt, um die notwendige Impfqote zur Abwehr der jüngsten und weiterer zu erwartender Mutationen zu erreichen. Die meisten Studien kommen für Delta zu einer Quote von 80% Durchgeimpften. Das hat auch Israel noch lange nicht erreicht und deshalb steigen bereits jetzt die weltweiten Daten wieder an. Und nein, bei uns ist auch das nicht anders, wie nichts grundsätzlich anders war.

 

Offensichtlich ist selbst in den mit Reichtum und guter Versorgung gesegneten Industrieländern ein Ende der Pandemie so schnell nicht erreichbar. Die große Ungerechtigkeit auf dem Planeten ist, dass wir nun bald eine Überproduktion von Wirkstoff haben werden, der aufgrund von Bequemlichkeit und Ignoranz gar nicht mehr verwendet werden kann, während ärmere Länder so gut wie gar keine Impfquote aufbauen können. Wir sind bereits jetzt Nutznießer der Situation, denn wie ich schon vor Monaten schrieb, werden die USA nun zum Exporteur des dort bereits festgestellten Überflusses. Aber diese Kapazitäten fließen natürlich zuerst mal in die reichen Länder Europas und Asiens.

 

Die große Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft besteht darin, dass es nun eine vierte Welle geben wird, die auch viele Menschen trifft, die sich aus gesundheitlichen Gründen gar nicht impfen lassen können oder für die wir keine Zulassung/Empfehlung hinbekommen. Die größte Gruppe sind ausgerechnet unsere Kinder, deren Durchseuchung zunehmend als tatsächlicher Plan erkennbar ist.

 

Dieser Plan ist unverantwortlich und ebenso ist es inakzeptabel, dass die Kommunikation von vielen Verantwortlichen immer noch durch Bedenkenträgertum gekennzeichnet ist. Es ist schon bedauerlich, dass wir die globale Daten- und Informationslage zu wenig nutzen und nur auf unseren Studien mit geringen Zahlen schauen. Es sollte aber kommunikativ sehr deutlich gemacht werden, dass alle globalen Indikatoren dafür sprechen, auch hier zu einer Empfehlung für alle zu kommen.

 

Auch Deutschland wird bald das Nachfrageproblem treffen. Das bereitet man kommunikativ aber anders vor: Man sagt klar, dass man voraussichtlich den Empfehlungen anderer Gesundheitssysteme folgen wird, dies aber aus Gründen der Verantwortung erst noch durch eigene Daten absichern muss. So schafft man Vertrauen und muss nicht nach dem Wegfall der Mangelwirtschaft die selbst geschaffene Verunsicherung wieder einfangen.

 

Ich rechne spätestens ab Ende Q3 damit, dass auch Europa nicht mehr alle verfügbaren Mengen verimpfen kann. Hoffentlich werden wir dann wenigstens zu einem Exporteur unseres Überflusses.

Covid-19 hört nicht auf, national und global gesellschaftliche Defizite aufzudecken. Viele unter uns merken das nicht mal. Statt dessen wird die Debatte durch Urlaubsmöglichkeiten sowie natürlich den Fußball bestimmt und man macht sich komplett unbeliebt, wenn man darauf hinweist, dass beides in diesem Jahr in dieser Form vollkommen unangemessen ist.


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