Die unheiligen Traditionen in Stans

DMZ - WIRTSCHAFT ¦ Peter Beutler ¦

KOMMENTAR

 

Viele Innerschweizer gingen in Stans auf die Strasse, um ihrem grössten Arbeitgeber die Stange zu halten. Man ist aufgebracht. Die Bundesbehörden sind daran, den Flugzeugbauer Pilatus strafrechtlich zu belangen.

 

Die Gesetzeslage war klar: Waffenexporte in Länder, die Krieg führen, sind verboten.

Nun ja, gegen Gesetze zu verstossen scheint für die Hersteller und Vertreiber der Bombenträger am Vierwaldstättersee dann legitim, wenn sie gegen die Interessen des Volches verstossen. Die christliche Luzerner CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann, die sich als Lobbyistin für die in Stans andient, gibt Oscar Schwenk, Boss der Flugzeugwerke, aus tiefstem Herzen Recht. Es gehe schliesslich um mehr als 2000 Arbeitsplätze.

Gegen das Söldnergesetz vestossen, heisst es aus Bern, geht nicht. Was soll denn das?, fragt man sich in Stans.

 

Eine wahrhaft eidgenössische Tradition

Die Innerschweiz und andere Stände der Eidgenossenschaft sind schliesslich gross geworden damit, und ruhmreich. Eine wahrhaft eidgenössische Tradition. Grosse Geister: Denker, Gelehrte, Schriftsteller, Musiker, Maler waren in Helvetien spärlich vertreten. Doch Krieger schon. Im Dreinschlagen waren die Landsknechte aus unseren Gefilden über viele Jahrhunderte in ganz Europa unbestritten Spitze. Offiziere aus Stans, Altdorf, Schwyz, Luzern, Bern, Zürich kommandierten die Söldnerheere der grossen und kleinen Monarchien, die gegen einander blutige Schlachten austrugen. So liessen sie die Völker aller Herren Länder in Stahl baden, bescherten ihnen so Helden, wenn auch mehr tote als lebendige, brachten Kriegsbeute, eine Menge Gold und andere Wertsachen in die Heimat.

 

Göttliche Vorsehung oder Bauernschläue

Wer erinnert sich noch an Ludwig von Flüh? Er war der kommandierende Offizier der Schweizergarde bei der Verteidigung der Bastille. Daher führte er auch den Titel Ludwig von Flüe le Bastillien. Durch göttliche Vorsehung, andere meinen durch Bauernschläue, entging er, nicht so wie die meisten seiner Untergebenen, der Guillotine. Den Scharfrichtern der Revolutionstruppen machte er glaubhaft, als Schweizer sei er Republikaner und sympathisiere eigentlich mit denen, die das Königstum bekämpften. Dann liess man ihn laufen. Ludwig von Flüh war ein direkter Nachfahre des Schweizer Nationalheiligen Nikolaus von der Flühe oder Bruder Klaus. Auch Nikolaus war in seinen jungen Jahren Soldat. Von 1440 bis 1444 nahm er als Offizier am Alten Zürichkrieg teil. Erfolgreich übrigens. Überliefert ist das Blutbad von Greifensee. Die siegreichen Innerschweizer liessen die Besatzung der Festung enthaupten, 60 von 62 Mann. Die Truppe schaut zu, die Mehrzahl blutrünstig, einige wenige schockiert. «Das Erbärmlichste, das man je gesehen hat. Die Hingerichteten sind zu einem guten Teil nur arme und am Krieg unschuldige Bauersleute gewesen», schrieb der Schwyzer Augenzeuge Hans Frün. Ob der Kommandant, der 1947 heilig gesprochene Niklaus von Flüh gewesen war, steht im Nachhinein nicht eindeutig fest. Als Hauptmann war er jedenfalls dabei. Hat vielleicht nur Befehle ausgeführt, wie sein Nachfahre Ludwig 350 Jahre danach.

 

Was Bruder Klaus um 1450 recht war, ist Oscar Schwenk von den Pilatuswerken 2019 heilig. Schliesslich ist Stans Hauptort von Nidwalden, die von Flühs sind heimatberechtigt in Sachseln, Obwalden. Ob- und Nidwalden kämpften zu Zeiten von Bruder Klaus noch Schulter an Schulter als Unterwaldner.

 

Tun`s die in Stans nicht, machen es die Ausländer

Natürlich mag man in Stans die Saudis nicht. Schleier, Burkas und Minarette sind den Urschweizern ein Gräuel. Was soll`s. Die alten Eidgenossen mochten die Franzosen, Italiener, Deutschen, Österreicher und Spanier auch nicht. Aber kämpfen für sie, das lag schon noch drin. Man machte es ja nicht umsonst. Und nun liefert Stans Flugzeuge, die als Waffen- und Bombenträger eingesetzt werden. Auch für gutes Geld. Legitim oder doch nicht? Moralisch oder unmoralisch? Tun`s die in Stans nicht, machen es die Ausländer. Dann hat man in der Innerschweiz nichts davon und 2000 Eidgenossen stehen mittellos auf der Strasse. So die Argumentation von Oscar Schwenk. Kommt dazu die leidige Diskussion über die Menschenrechte der Gutmenschen.

 

Hinrichtungen fallen nicht unter das Kriegsmaterial-Gesetz

Natürlich ist man sich auf den Teppichetagen der Pilatuswerke bewusst, dass die Golfstaaten Unrechtsregime sind. Riad, Mekka und was es dort unten noch gibt, liegen aber weit weg. Die Bomben auf die Städte Jemens sind nicht unser Problem, mögen Schwenk und Co sinnieren. Wir sind neutral, wir mischen uns nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein, sie auch nicht in die unseren. Und hinter vorgehaltener Hand dürfte es heissen: Nun ja, was gerade unter den Saudis abläuft, ist unschön. Dass dort Anfang April eine Massenexekution stattgefunden hatte – 37 Hinrichtungen davon 26 geköpft, 10 erschossen und einer gekreuzigt, ist ärgerlich, aber muss man das an die grosse Glocke hängen? Araber halt. Aber Hinrichtungen fallen nicht unter das Kriegsmaterial-Gesetz.

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