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Nach der Regenflut kommt die Geldflut

DMZ – WIRTSCHAFT ¦ Oliver Stock ¦

 

Die Strafzinsen auf Bankguthaben, die die EZB erhebt, machen es möglich: Die Banken überbieten sich in Sonderkonditionen für Flutopfer. Während Privatleute keinen oder minimale Zinsen für Notkredite zahlen, schießt die KfW den Vogel ab: Sie verlangt von betroffenen Städten und Gemeinden weniger Geld zurück, als sie verleiht.

 

Nach der Flutkatastrophe in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz erreicht die Regionen jetzt eine neue Flut: Diesmal ist es nicht Wasser sondern Geld. Fast alle Banken, die in den Regionen tätig sind, haben Kredite zu Sonderkonditionen aufgelegt, um den Flutopfern finanziell zu helfen. Null Prozent Zinsen sind dabei keine Seltenheit. Die kostengünstige Hilfsbereitschaft ist für die Betroffenen wertvoll, und die Banken können sie sich derzeit leisten: Aufgrund der Strafzinsen auf Guthaben ist es für sie immer noch ein besseres Geschäft, Kredite fast oder tatsächlich ganz zinslos auszugeben, als die Guthaben ihrer Kunden bei der Zentralbank zu parken.

 

Vor diesem Hintergrund ergießt sich eine Welle der finanziellen Hilfsbereitschaft auf die Hochwasserregionen. Als regionale Genossenschaftsbank unterstützt beispielsweise die Sparda-Bank die betroffenen Menschen der Hochwasserkatastrophe in ihrem Geschäftsgebiet. 450 000 Euro fließen als Spenden an Vereine und Institutionen. Direkt Betroffene erhalten bis zu 50 000 Euro Kredit bei zehnjähriger Sollzinsbindung zu 0,25 Prozent.

 

Klingt dieses Angebot schon gut, so wird es von den Privatbanken noch übertroffen. Sowohl die Deutsche Bank mit ihren Töchtern Postbank und BHW, sowie die Commerzbank bieten Kredite an, für die nur ein effektiver Jahreszins von 0,01 Prozent fällig wird. Für Privatpersonen stehen bei der Deutschen Bank hierfür Sonderkreditprogramme über insgesamt 200 Millionen Euro zur Verfügung. Kostenlose Sondertilgungen, bis zu 60 Monate Laufzeit und bis zu 10 000 Euro Volumen sind dabei die Standardbedingungen. Weitere 100 Millionen Euro stehen für Geschäfts- und Firmenkunden der Deutschen Bank zur Verfügung. Die derzeit finanziell eher gebeutelte Commerzbank unterstützt ihre von der Flut betroffenen Kunden mit einem Sonderkontingent über 200 Millionen Euro. Privatkunden können daraus bis zu 50.000 Euro erhalten. Die Laufzeit beträgt bis zu 84 Monate.

 

Sind diese Angebote fast kostenlos, machen die Sparkassen vor, dass es auch völlig ohne Zinsen geht. Die Sparkasse Köln-Bonn zum Beispiel bietet genauso wie die Kreissparkasse Köln und andere Geldhäuser der Finanzgruppe zinslose Darlehen zwischen 2500 und 80 000 Euro an, die eine Laufzeit von 12 bis 120 Monate haben und jederzeit ohne Kosten getilgt werden können. Alle Banken fügen allerdings hinzu, dass sie die Bonität ihrer Kunden prüfen und nur bei einem positiven Ergebnis das Geld verleihen. Von den Sparkassen heißt es dazu, dass man „unbürokratisch“ vorgehen wolle, falls das Hochwasser möglicherweise die erforderlichen Unterlagen vernichtet haben sollte. Die Sparkassen wissen dabei genau wovon sie reden: 68 Sparkassen-Zweigstellen in den betroffenen Regionen standen selbst unter Wasser.

 

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat für Städte und Gemeinden ein Hilfsprogramm im Umfang von 500 Millionen Euro aufgelegt. Wer davon etwas abbekommt, „verdient“ sogar noch Geld, denn das Programm bietet einen von der KfW subventionierten Zins von Minus ein Prozent an. Geld von Förderbanken gibt es auch für Privatleute: Mit dem Programm NRW.Bankl.Gebäudesanierung können Privatpersonen die Instandsetzung von unwetterbedingten Schäden und hochwasserbedingte Aufräum- und Reinigungsarbeiten an selbstgenutzten Wohnimmobilien mit bis zu 75 000 Euro finanzieren. In allen Laufzeitvarianten beträgt der Zinssatz für den Fördernehmer 0,01 Prozent pro Jahr. Beantragt werden muss ein solcher Kredit über die Hausbank.

 

Die Geldflut für Opfer des Hochwassers wäre ohne die rigide Geldvergabepraxis der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht möglich. Im Juni 2014 hatte die EZB erstmals einen negativen Einlagenzins von 0,1 Prozent festgesetzt: Seitdem zahlen Banken Zinsen an die EZB, um ihr Geld dort zu deponieren. Es folgten weitere Absenkungen des Einlagenzinssatzes auf minus 0,4 und schließlich minus 0,5 Prozent seitens der EZB – Geld einzulagern wurde für Geschäftsbanken also immer teurer. Die Idee hinter der Geldpolitik der EZB ist es, Banken dazu zu bringen, möglichst viel Geld in Form von Krediten an Kunden auszugeben, um so die Wirtschaft anzukurbeln. Die Hochwasserkatastrophe und die finanziellen Hilfsangebote waren so gesehen eine Probe, ob die EZB-Politik funktioniert. Die Welle der Hilfsangebote zeigt jetzt: Die Probe wurde bestanden.

 

 

 

Quelle / Herausgeber: Nach der Regenflut kommt die Geldflut: WirtschaftsKurier - Nachrichten und Kommentare aus Politik und Wirtschaft


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