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Tochter einer Alkoholikerin - Das Schicksal von Celine

DMZ - GESELLSCHAFT / LEBEN ¦

 

«Mutter hat heimlich getrunken. Schon am Morgen begann sie mit Rotwein. Ich habe die verräterischen Geräusche gehört und wusste, jetzt nimmt sie ihr Gläschen Wein. Als ich um 12 Uhr von der Schule kam, war Mutter besoffen. Sie hat Unmengen in sich geschüttet. Mein jüngerer Bruder und ich entsorgten die Weinflaschen so gut es ging. Keller, Garage, Reduit waren jeweils voll. Gegen aussen waren wir die perfekte Familie, immer freundlich, immer nett. Wir haben Mutter gedeckt, für sie gelogen. Aber die Verwandten, die Nachbarn, alle haben gewusst, dass sie säuft, alle haben weggeschaut. Ihre Sauferei war ein grosses Tabu. Nicht ein einziges Mal haben meine Grosseltern, Mutters Eltern, etwas gesagt. Dabei wohnten sie im Haus nebenan, natürlich haben sie mitbekommen, wenn Mutter besoffen war.»

 

Diese Geschichte deckt sich mit tausend anderen. Der Verlauf ist der selbe, die Gegebenheiten, das Umfeld mit den Ausreden und dem Schönreden, nur die Namen sind anders. Alkohol ist ein traditioneller, fest verankerter Bestandteil der hiesigen Kultur. Gemäss Bevölkerungsbefragungen trinken fast neun von zehn Personen ab 15 Jahren zumindest gelegentlich Alkohol (85.8%), etwa eine von zehn Personen trinkt täglich Alkohol (9.5%). Die Anteile gelegentlichen und täglichen Alkoholkonsums haben sich seit 2011 kaum verändert.

Schätzungen zufolge haben ungefähr Millionen Kinder und Jugendliche in der Schweiz mindestens einen Elternteil mit Alkoholstörung. In einer von sieben Familien trinken Mutter, Vater oder beide zeitweise, in einer von zwölf dauerhaft. Dass dabei nicht nur ökonomisch schwache Mütter zur Flasche greifen, zeigen unter anderem Statistiken zum Alkoholkonsum während der Schwangerschaft.

 

Darüber hinaus sterben jedes Jahr zwischen 1'500 bis 2'000 Personen an den Folgen ihres Alkoholkonsums. Dies entspricht 1 von 10 vorzeitigen Todesfällen bei Männern und 1 von 17 bei Frauen. Verletzungen und Unfälle, Krebse und Leberzirrhose verursachen die Mehrzahl der alkoholbedingten Todesfälle.

 

Alkoholkonsum ist nicht zuletzt wegen seiner weiten Verbreitung in der Bevölkerung auch mit erheblichen sozialen Kosten verbunden. Die geschätzten direkten und indirekten sozialen Kosten des Alkoholkonsums belaufen sich in der Schweiz für jedes Jahr auf rund 4 Milliarden Franken.

"Ich habe es genossen, voller Selbstmitleid den ganzen Tag betrunken auf meinem Sofa zu liegen", erzählt die Mutter. „Je mehr Alkohol floss, desto mehr zog ich mich zurück. Kam doch Besuch, bot ich direkt etwas zu trinken an, damit man meine Fahne nicht so leicht roch. Mütter, Frauen allgemein trinken heimlich", sagt sie. "Und Alkoholiker sind die besten Lügner, die man sich nur vorstellen kann."

Zu dieser Erkenntnis kam die Mutter erst nach 7 Jahren voller Lügen, bis sie sich endlich selber eingestanden hat, dass sie Alkoholikerin ist.

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