DMZ – BILDUNG ¦ MM ¦ AA ¦
Nach eigenen Angaben habe er 1998 in Fauquier County (Virginia/USA) seinen Namen legal von Bernd Klein zu Leonard Coldwell geändert. Laut eines Urteils des Landgerichts Bielefeld ist
Coldwell lediglich der Künstlername von Bernd Klein bzw. eines Bernd Witchner.
Jeder Krebs, behauptet er, sei in kurzer Zeit heilbar. Das angebliche Erfolgsrezept: Positives Denken ist gesund, Stress macht krank. Wer ist der Mann, dem viele glauben? Der Mann, der
Aussagen macht , wie: "Kaviar auf die Bürgersteige, damit der Pöbel ausrutscht."
"Dr. Leonard Coldwell" ist das unübersehbare und vielfach verehrte Mastermind hinter IBMS. Coldwell ist der pseudomedizinische Nom de Guerre des deutschen Autors und Gurus Bernd
Klein, der sich laut Esoterik-Watchblog Psiram als "Geschäftsmann, Buchautor, Impfgegner und Wunderheiler" auf dem Markt bewegt. Auf zahlreichen Webseiten rund um IBMS und von
seinen Jüngern wird Coldwell zumeist nur keck als "Dr. C" angerufen. Die Krankheit Krebs ist laut Coldwell eine der am leichtesten zu behandelnden Erkrankungen, ist doch Krebs lediglich
eine Fehlfunktion des Immunsystems. Auf der Webseite des Gurus erfahren wir, dass Coldwell "nicht nur die höchste, durch Studien belegte Krebsheilungsrate von 92,3% hat. Er ist
auch der effektivste und erfolgreichste Motivations-, Erfolgs-Persönlichkeitsentwicklungs- und Gesundheits-Ausbilder der Welt." Das Multitalent legt hohen Wert auf einen akkurat
gestutzten Schnauzer und erscheint stets in feinem Zwirn und mit Anstecktuch.
Coldwell wurde als Sohn von Gerda Raudszus und Julius Klein geboren. Mitte der 1990er Jahre zog Coldwell nach Florida (USA). Dort eröffnete er zusammen mit einem Harvey Diamond ein "Fit For Life
Health Resort and Spa" (Slogan: Zwei Giganten, eine Idee). Er entwickelte auch ein NLP-nahes "Selbsthilfesystem" mit dem markenrechtlich geschützten Namen "Neuro-associative Programming
System" (NAPS, Slogan: Gesundheits - Power – Woche). Zusammen mit Peter Wink entwickelte er ein zahlungspflichtiges Instinct Based Medicine System (IBMS, Instinkt basierte Medizin), dem sich
Kunden für jährlich 1500 US Dollar als "private, exclusive, members-only US-based secret society" anschliessen sollten; ihnen wurde versprochen, später im System weiter aufsteigen zu können.
Kunden konnten dann unter anderem CDs erhalten. "Medizinischer Direktor Europa" der IBMS ist der Berliner Arzt und Buchautor Thomas Höhn, der mehrfach im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in
Deutschland als Gesundheitsberater auftrat und Verfechter pseudomedizinischer oder umstrittener Behandlungsmethoden wie die der Bioresonanz oder Airnergy ist.
Verschwörungstheorien auch in der Biografie
Coldwell verbreitet Verschwörungstheorien zur eigenen Vermarktung. Er sei gezwungen gewesen, Deutschland zu verlassen und nach Florida zu ziehen, da seine Heilertätigkeit gegen Krebs
und andere chronische Krankheiten zu einer "Verfolgung" durch die Pharmaindustrie und Ärzte geführt habe. Angeblich sei er gezwungen worden, über seine Wunderheilungen zu schweigen. Ausserdem
will er eine Bombe in seinem Auto gefunden haben, es soll auf ihn geschossen worden sein, sein Hund Blue sei vergiftet worden und er behauptet, täglich bis zu zwanzig Todesdrohungen zu erhalten.
Über das Internet sieht sich Coldwell "Falschaussagen" von ungenannten Gegnern ausgesetzt:
So werden auch noch nach mehr als zehn Jahren meiner Abwesenheit, kurioserweise nur in Deutschland, von einer kleinen Gruppe an Gegnern, die sich um eine arbeitslose Sekretärin formiert haben
und deren Kumpanen sogar mit Kinderpornografie in Verbindung gebracht werden, Lügen oder Falschaussagen im Internet über mich verbreitet, die jeder Beschreibung spotten. Ich bin Jürgen sehr
dankbar für diese Informationen und werde mich ganz sicher dagegen wehren.
Mehrere Jahre lang arbeitete Coldwell mit Kevin Trudeau zusammen, wurde aber offenbar 2012 von Trudeau ausgebootet und überzieht diesen seither u.a. auf seinen Webseiten mit Kritik und
Häme. Inzwischen wurde Kevin Trudeau zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Zuletzt war Coldwell in Deutschland als Aktionär und Aufsichtsrat der Effectiv Systems AG aktiv. Er ist ferner im Beirat eines privaten American Anti-Cancer Institute vertreten. Offenbar
kooperiert Coldwell auch mit dem Edelmetallhändler Jürgen Kettner.
Ungereimtheiten ergeben sind, wenn man den eigenbiographischen Angaben von Coldwell Glauben schenken will. Aus der Angabe seiner sechs Promotionen muss geschlossen werden, dass er seine Studien
nach ca 23 Jahren beendete (zuerst ein Psychologiestudium, 6 Jahre Medizinstudium, 5 Jahre Facharztausbildung und 4 mal 2 Jahre als Doktorand, bevor er 16 Jahre lang als Allgemeinmediziner tätig
gewesen sein will. Seine Tätigkeit als Wunderkrebsheiler könnte er demnach frühestens im Alter von etwa 59 Jahren begonnen haben, dabei sind seine jahrenlangen Aktivitäten als Unternehmensberater
noch gar nicht mit eingerechnet. Ab dem Lebensalter von 59 will Coldwell dann 35000 Krebspatienten behandelt haben. Dies würde jedoch bei einem Arzt mehreren Jahrzehnten Arbeitszeit entsprechen,
da Krebspatienten in der Regel mehrere Arztbesuche benötigen.
Bernd wird Leonard
Bernd Klein war einmal ein eher unbedeutender Motivationstrainer. Aber er hatte, sagen ehemalige Mitstreiter hinter vorgehaltener Hand, schon immer ein grosses Ego. Irgendwann nannte sich Klein
„Leonard Codwell“. Aus den USA, wo er seit Mitte der Neunziger Jahre lebt, gibt es sogar eine Urkunde für die Namensänderung. Dazu erwarb Klein einige Doktortitel von Universitäten wie der
Columbia State. Titelmühlen, die für Geld akademische Grade verhökern. Geboren war „Dr. Coldwell“.
In Coldwells Biografie, die er von sich verbreitet, heisst es, „Dr. C“ sei „nach Meinung aller massgeblichen Gesundheitsexperten die weltweit grösste Autorität für natürliche Heilmittel und
Heilmethoden für Krebs“. Er habe eine dokumentierte 92-prozentige Heilungsrate der Krankheit – allein, die Dokumentation bleibt Coldwell schuldig. Die Pharmaindustrie, „Feinde der
Volksgesundheit“, jedoch bekämpfe ihn mit allen Mitteln: Druck auf seine Therapeuten, Bestechung seiner Patienten und sogar mit Auftragskillern.
Fakt und Fiktion verschwimmen nicht selten. Verschwörungstheorien boomen. Und auch Coldwell profitiert von diesem Zeitgeist. Trotz seiner zweifelsohne besonderen rhetorischen Begabung vor
Live-Publikum, sind es die sozialen Netzwerke, die Coldwell nach vielen Jahren relativer Bedeutungslosigkeit zu wachsender Popularität verhelfen. Er und sein Team posten heute Ausschweifungen zu
„Pharmalügen“ und „Krankmachern“, sondern auch zu Themen wie „Chemtrails“, Flüchtlinge und eine zionistische Weltverschwörung. Mit Erfolg: Mehr als 20.000 Menschen folgen Coldwell mittlerweile
auf Facebook, Tendenz steigend.
An seiner „Karriere“ lässt sich nachzeichnen, wie ideologische Brandstifter die sozialen Medien nutzen. Da wird provoziert, werden Andersdenkende der Lüge bezichtigt und da verlässt man sich auf
die algorithmusbedingte Blindheit der Netzwerke. Also ganz in der Schiene, die aktuell die Coronaleugner befahren.
Auf Fakten wird stets verzichtet
Das Erfolgsrezept der Populisten, auf Fakten zu verzichten und gegen jede Vernunft zu argumentieren, hat Coldwell verinnerlicht. Mehr als 30.000 Krebspatienten habe er erfolgreich behandelt,
behauptet Coldwell immerzu, und verweist auf die bereits zitierte Heilungsquote. Auch wird er nicht müde, sein persönliches Risiko zu erwähnen: Weil mehrere Mordanschläge auf ihn verübt
worden seien, beschütze ihn nun der Bodyguard von US-General David Petraeus persönlich. Und während er all das sagt und schreibt, erfreut er sich immer mehr Jubel und Likes.
Die ZDF-Sendung „Frontal 21“ hatte Coldwell bereits Ende der Neunziger Jahre als Hochstapler entlarvt.
Coldwell wurde um so politischer je mehr Zuspruch es ihm einbrachte. Es gipfelte in der öffentlichen Unterstützung für Adrian Ursache im vergangenen Sommer. Schon im Juli machte sich Coldwell
auf seinen Online-Kanälen für seinen „Freund“ stark, lud das selbst ernannte Oberhaupt des Staates Ur in seine Radio-Sendung „Dr. Coldwell Meinung“ ein und schimpfte mit ihm gemeinsam gegen
„Regierungsschergen“, die freie Bürger drangsalierten.
Einige Wochen später lieferte sich Ursache bei der Zwangsräumung seines Hauses, gewissermaßen seines Staates Ur, eine Schießerei mit der Polizei. Das verschaffte ihm einige Prominenz, von
„Bild“ bis „FAZ“ berichteten fast alle Medien über den ehemaligen Mister Germany, der sich selbst zwar nicht als Reichsbürger sieht, mit seinen Zweifeln an der Rechtmässigkeit der
Bundesrepublik jener Ideologie jedoch sehr nahesteht.
Coldwells Unterstützung für Adrian Ursache und dessen Anhänger im Kampf gegen die illegale Bundesrepublik hat mittlerweile nachgelassen. Es geht auf Coldwells Kanälen wieder weniger um
Politik als vielmehr um tödliche Strahlungen, Impfreaktionen und Heilpflanzen. Vielleicht ergeht es dem falschen Doktor
ja wie der geächteten Pharmaindustrie. Mit Gesundheit lässt sich einfach mehr Geld verdienen.
Coldwell übt sich recht geschickt im Identitären-Sprech. Vor rund einem Jahr warnte er das Abendland in einem Podcast: "Wenn ihr jetzt nicht aufwacht und die illegalen
Invasoren innerhalb dieses Jahres rausschmeisst, ist Deutschland verloren. (..) Merkel hat Deutschland zerstört und zerbrochen und die Deutschen zerbrochen." Wenn der Bevölkerungsaustausch
nicht rechtzeitig gestoppt werde, erginge es den Deutschen bald wie den Griechen, so Coldwell, der bei der Gelegenheit auch den Rasseforscher raushängen lässt: "Ihr seid bald alle wie die
Griechen, braunäugig und dunkelhaarig. (...) Die Griechen waren auch vor dem Einfall der Moslems blauäugig und blond." Sellner blickt bei solchen Ausführungen vermutlich verdutzt
in den Spiegel und denkt voll Gram an seine dunklen Haare und an seine Vorfahren während osmanischer Einfälle. Gunacker indes darf frohlocken, der blonde Twen geht in der Völkerkunde
Coldwells durchaus als Ebenbild eines antiken Griechen durch. Im Sermon Coldwells folgt eine Wahlempfehlung für die AfD und ein kleiner geschichtlicher Rückblick. Winston Churchill wollte die
Deutschen "genetisch vernichten." Coldwells Kalauer, das wagen wir zu behaupten, gingen auch bei den "Österreichern" oder den Identitären runter wie Butter.
Auch Leute wie Michael Wendler gehören zu den Gläubigen von Coldwell. Dass Michael Wendler die Corona-Krise für eine "Fake-Pandemie" hält, ist keine Neuigkeit. Im August
erregte er wieder einmal Aufsehen, als er auf Telegram davor "gewarnt" hatte, dass im September "fast alle Geimpfte" der Tod erwartet. Nun ist der September angebrochen - und der Spott in
den sozialen Netzwerken ist gross.
In einem seiner vielen abstrusen Videos ruft Coldwell sogar zum Polizistenmord auf, oder nennt Politiker wie Sebastian Kurz und Angela Merkel als „kriminelles Schwein“, „Neue
Weltordnungs-Drecksau“ oder „Miststück“ und behauptet, dass „wir alle umgebracht werden mit dieser sogenannten [Covid 19-] Impfung, mit den Masken, mit den Tests und mit allem, was damit zu tun
hat“.
Von all den „dämlichen scheiss Vollidioten“, die nach der Aufassung Coldwells „endlich aufwachen müssen“, scheinen indes nur komplett Abgedrehte wie Michael Wendler auf diesen
Schreihals reinzufallen.
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