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CH: Die Betreuung im Alters- und Pflegeheim nimmt 2020 ab, die Spitex-Versorgung kontinuierlich zu

2020 liessen sich mehr Menschen zu Hause pflegen.
2020 liessen sich mehr Menschen zu Hause pflegen.

DMZ – GESUNDHEIT/WISSEN ¦ MM ¦ D. Aebischer¦  2020 liessen sich mehr Menschen zu Hause pflegen.   

Laut Medienmitteilung des Bundesamtes für Statistik (BFS) wurden 2020 in der Schweiz 158'433 Klientinnen und Klienten im Alters- und Pflegeheim betreut. Gegenüber 2019 entspricht dies einem Rückgang um 4%. Eine Abnahme, die seit Beginn der Erhebung im Jahr 2006 nie zuvor beobachtet werden konnte. Das BFS vermutet, dass die Abnahme auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen sei.

 

Trotz dieser Abnahme stiegen auf der anderen Seite die Kosten um 2,6% an. Die 2546 Spitex-Dienste (Hilfe und Pflege zu Hause) erbrachten Leistungen für 420'793 Personen. Gegenüber 2019 entspricht dies einer Zunahme um 6,7%. Dies geht aus der Statistik der sozialmedizinischen Institutionen und der Statistik der Hilfe und Pflege zu Hause des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor.

 

Zahl der Todesfälle zwischen 2019 und 2020 um 16,3 % 

"Es wird empfohlen, die Ergebnisse der Vorjahre zu konsultieren. Wie es in der Pressemitteilung heisst, stieg die Zahl der Todesfälle zwischen 2019 und 2020 um 16,3 %, während sie in den letzten fünf Jahren nur um durchschnittlich 0,2 % zunahm.", teilte uns ein Mitarbeiter des BFS auf Anfrage mit. Genaueres erfährt man, wenn man die Standardtabellen der letzten Jahre zu konsultiert.

 

In der Schweiz wurden im 2020 1550 Alters- und Pflegeheime gezählt

Ein Viertel der im 2020 gezählten Alters- und Pflegeheime in der Schweiz davon waren öffentliche, 30% privat subventionierte und 45% rein private Einrichtungen. Während die Zahl der Langzeitaufenthalterinnen und -aufenthalter stabil blieb (+0,2%), ging die Anzahl Beherbergungstage um 0,6% zurück.

Die Zahlen 2020 zu den Spitex-Diensten bestätigen den Trend zu einem erhöhten Tätigkeitsvolumen, wobei der Anstieg bei der KVG-Pflege stärker ausfiel als bei den hauswirtschaftlichen Leistungen (Haushalt, Einkaufen, soziale Betreuung). Ob diese Entwicklung sich wieder "normalisiert", konnte das BFS noch nicht sagen: " Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwierig abzuschätzen, wie die Entwicklung in den kommenden Jahren aussehen wird.", teilte uns ein Mitarbeiter des BFS auf anfrage mit.

 

 

2020 liessen sich mehr Menschen zu Hause pflegen.

 

Weniger Eintritte und mehr Todesfälle in Alters- und Pflegeheimen

Gemäss der Medienmitteilung hatte die Covid-19-Pandemie (erwartungsgemäss) starke Auswirkungen auf die Inanspruchnahme der Alters- und Pflegeheime. Im 2020 gingen im Vergleich zum Vorjahr um 10,2% weniger Menschen in ein Alters- oder Pflegeheim. Es waren 62 000 Klientinnen und Klienten, die man im 2020 zählt.

 

"Gleichzeitig wurde bei den in Alters- und Pflegeheimen eingetretenen Todesfällen ein starker Anstieg registriert. 2020 starben 34 572 Personen in diesen Institutionen. Gegenüber 2019 nahm die Zahl der Todesfälle um 4856 zu (+16,3%). In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der in Alters- und Pflegeheimen eingetretenen Todesfälle durchschnittlich um 0,2% gestiegen. In diesem Zusammenhang erscheint am 13. Dezember 2021 eine BFS-Publikation zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf das Gesundheitswesen."

 

Deutlicher Anstieg im privaten Sektor

Die Leistungen der Privaten vermehrten sich rasant: Die für Pflege verrechneten Stunden für die Hauswirtschaft und Sozialbetreuung nahmen zu. Der Rückgang der Aufenthaltsdauer in Alters- und Pflegeheimen (APH) und die Anzahl verfügbarer Plätze führten zu einer kontinuierlichen Abnahme des Belegungsgrads. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in APH hat sich innerhalb der letzten Jahre um mehr als einen Monat vermindert. Gleichzeitig hat die Anzahl Stunden für Dienste der Spitex (Hilfe und Pflege zu Hause) weiter zugenommen.

 

Inanspruchnahme von Spitex-Leistungen nimmt zu

Die Spitex konnte  26,5 Millionen Arbeitsstunden verrechnen (+6% gegenüber 2019):

  • 72% für pflegerische
  • 24% für hauswirtschaftliche
  • 4% für weitere Leistungen (Betreuung, therapeutische Dienstleistungen, Fahrdienste, Notrufsysteme usw.)
  • Insgesamt wurden 3,8 Millionen Mahlzeiten (+21%) an 33 535 Personen ausgeliefert.

 

2020 liessen sich mehr Menschen zu Hause pflegen.

 

Im Spitex-Bereich waren 25'858 VZÄ (+4,5% gegenüber 2019) tätig. 75,5% aller Beschäftigten waren in gemeinnützigen und 21% in privatwirtschaftlichen Unternehmen tätig, 3,5% waren selbstständige Pflegefachpersonen.

 

"Auch wenn die Anzahl Personen ab 80 Jahren in der Schweiz im Jahr 2020 um lediglich 1% gestiegen ist (2019: +2,3%), nahm die Zahl der Personen ab 80 Jahren, die Spitex-Pflegeleistungen beziehen, um 5,7% zu (2019: +3,6%). Dieses Spitex-Angebot wurde von 140'303 Klientinnen und Klienten genutzt (2019: 132 691). Der Anteil der 80-jährigen und älteren Pflegeleistungsempfängerinnen und -empfänger belief sich somit auf 30,6% (+1,4 Prozentpunkte gegenüber 2019). Zurückzuführen ist diese ausserordentliche Zunahme mit grosser Wahrscheinlichkeit auf das Gesundheitsmanagement im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie." (Medienmitteilung BFS)

 

Die aktuellsten Zahlen und Fakten zur Spitex zusammengefasst:

  • 78% aller Spitex-Klient/innen werden durch die Nonprofit-Spitex versorgt
  • es gibt rund 500 Organisationen vor Ort
  • 40’256 Spitex-Mitarbeitende; umgerechnet 19'500 Vollzeitstellen
  • Die Nonprofit-Spitex betreut jährlich rund 327’350 Klientinnen und Klienten (von insgesamt 420’793) 
  • Die Nonprofit-Spitex erbringt jährlich bei rund 279’518 Personen (von insgesamt rund 367’479) Pflegeleistungen. Davon waren 105’161 Personen mindestens 80 Jahre alt  
  • es werden rund 105’412 Personen (von insgesamt 121’042) in ihrer Alltagsbewältigung unterstützt. 54’288 dieser Personen waren mindestens 80 Jahre alt

2020 verursachten die Alters- und Pflegeheime Betriebskosten von insgesamt 10,8 Milliarden Fr. 

Die Betriebskosten von insgesamt 10,8 Milliarden Franken bilden ein Plus von 2,6% gegenüber 2019.

Ein Beherbergungstag wurde Fr. 10.- teurer und beträgt neu 319 Franken. Die gemäss Krankenversicherungsgesetz anerkannten Kosten (Pflege, medizinisches Material und Medikamente) machten 43,7% der Gesamtkosten aus (+0,5 Prozentpunkte). Der Rest entfiel auf die Pensionskosten.

 

 

2020 liessen sich mehr Menschen zu Hause pflegen.

 

 

Pensionskosten werden von betreuten Menschen getragen

Das BFS präzisiert auf Anfrage: "Die Pensionskosten (Beherbergung, Essen, Reinigung, Alltagsgestaltung) werden von den betreuten Personen getragen und teilweise durch die Ergänzungsleistungen (EL abgedeckt)."  Die Pflegebedürftigen bezahlen für die ambulante Pflege (ohne Akut- und Übergangspflege) gemäss der auf den 1.1.2011 in Kraft getretenen Neuordnung der Pflegefinanzierung je nach Kanton eine Patientenbeteiligung; dies zusätzlich zum Selbstbehalt und zur Franchise. Wie es sich im 2020 konkret und je Kanton mit den Patientenbeteiligungen verhielt, ist auf der Tabelle der Spitex detailliert aufgeführt.

 

Die Spitex-Leistungen kosteten insgesamt 2,8 Milliarden Franken (+6% gegenüber 2019)

  •  1,2 Milliarden Franken (42%) von der öffentlichen Hand
  • 1,1 Milliarden Franken (40%) von den Versicherungen
  • 462 Millionen Franken (16%) von den betreuten

Den grössten Anteil des Aufwands machten die Personalkosten aus (86%). Die restlichen 14% waren Betriebskosten.

 

Wir haben im Zusammenhang der Medienmitteilung des BFS Frau Francesca Heiniger, Leiterin Kommunikation/Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung Spitex kontaktiert. Da offenbar die Pandemie zum Teil mitverantwortlich für die zurückgehenden Zahlen bei Alters- und Pflegeheimeintritten ist und gleichzeitig für eine grosse Zunahme bei der Beschäftigung und Einnahmen, bzw. Kosten auf Seiten der Spitex wollten wir von Francesca Heiniger wissen, ob dies für die Spitex eher als Vorteil zu werten sei oder diese Entwicklung auch Gefahren in sich berge?

Francesca Heiniger: "Die Spitex ist ein wichtiger Pfeiler der ambulanten Grundversorgung, deren Bedeutung in Zukunft noch zunehmen wird. Tatsächlich wächst die Spitex seit Jahren kontinuierlich, dies auch schon vor der Pandemie (gemäss Zahlen und Fakten auf spitex.ch)". So haben im 2020 die Anzahl Klienten gegenüber dem Vorjahr um 6.7% zugenommen. Dies habe damit zu tun, dass die Menschen möglichst lange zu Hause bleiben wollen und dies heute eben dank Spitex-Leistungen möglich sei. "Die meisten Menschen gehen erst ins Heim, wenn es zu Hause nicht mehr geht. Auch der von der Gesundheitspolitik vertretene Grundsatz «ambulant vor stationär» trägt zum stetigen Wachstum der Spitex bei. Ebenso die Tatsache, dass medizinisch-technisch zu Hause immer mehr möglich ist. Eine «Gefahr» bzw. eine sehr grosse Herausforderung ist, dass die Spitex für die Erbringung ihrer Leistungen immer mehr Personal benötigt und der Markt für Pflegepersonal, insbesondere für diplomiertes Pflegepersonal, ausgetrocknet ist.", erklärt Francesca Heiniger.

 

Wie verhält es sich aktuell bei der Spitex im 2021. Ist dieser "Trend" weiterhin zu beobachten?

"Die Spitex wächst seit langem kontinuierlich; dieser «Trend» wird sich auch im 2021 fortsetzen. Einerseits durch die demografische Entwicklung in der Schweiz, anderseits wächst aber auch die Nachfrage nach Spitex-Leistungen bei den unter 64-jährigen.", führt Frau Heiniger aus. Auch der Trend, dass die Anzahl Spitex-Klienten stärker wächst als die Anzahl Bewohner in den Heimen, werde sich fortsetzen.

 

Die Zahlen der Heime in der «Somed»-Statistik  https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/aktuell/neue-veroeffentlichungen.gnpdetail.2021-0092.html oder bei Curaviva Schweiz https://www.curaviva.ch/Kontakt/P8wot/

 

Ob die Spitex über genügend Fachkräfte und Personal verfüge, antwortet Francesca Heiniger: "Die Personalsituation ist regional sehr unterschiedlich. Unsere Mitglieder berichten teilweise von angespannter bis sehr angespannter Personalsituation. In gewissen Regionen ist die Situation hingegen komfortabler. Hinzu kommen/kamen im 2020/2021 allerdings pandemiebedingte Ausfälle (Personal in Quarantäne; Kinder des Personals in Quarantäne)."

 

"Vorwurf" aus der Bevölkerung

Teilweise kann man in der Bevölkerung den "Vorwurf" wahrnehmen, dass die Spitex den Alters- und Pflegeheimen die Arbeit erschweren würde, weil einerseits Fachpersonal und andererseits Geld "aufgeteilt" werden müsse. Wir wollten wissen, wie die Spitex diesen "Vorwurf" bewerte: "Die Pflege und Unterstützung im Heim (stationär) und zu Hause (ambulant) konkurrenzieren sich kaum, ausschlaggebend ist unter anderem die Pflegestufe; die Finanzierung ist unterschiedlich." Hingegen sei eine Konkurrenz auf dem gesamten Personalmarkt nicht von der Hand zu weisen. "Die Menschen treten häufig erst sehr spät ins Heim ein, weil sie möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben wollen und medizinisch-technisch zu Hause immer mehr möglich ist." Die Altersheime würden somit zu spüren bekommen, dass diese Menschen erst ins Heim eintreten, wenn es nicht mehr anders geht, "wenn sie also (hoch)betagt und häufig mehrfach erkrankt (polymorbid) sind. Die Pflege und Betreuung dieser Heim-Bewohnerinnen und -Bewohner ist anspruchsvoll."

 

 

 

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