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Gross sein

DMZ – LEBEN ¦ Patricia Jungo ¦                                                     KOMMENTAR

 

Wer von uns wollte als Kind nicht rasch gross sein, grösser sein, zu den Grossen gehören? Wie haben wir immer ehrfürchtig aufgeschaut zu denen, die eben schon grösser waren. Na ja, wir hatten es ja schon seit der ersten Sekunde hier auf Erden zu hören bekommen: Hier galt es gross zu sein und dazu auch noch gut!

 

Dies schien wirklich der Schlüssel zum Erfolg im späteren Leben zu sein. Zum guten Glück verbrachten wir aber unsere Tage ganz in der magischen Kinderwelt des Hier und Jetzt. Dennoch versuchten wir möglichst gut und auch rasch gross zu werden. Diese Grösse erschien uns sinnbildlich für etwas, was die Erwachsenen bereits besassen und worauf wir noch geduldig warten mussten.

 

Es war aber unser Ziel und es sollte möglichst rasch gehen. Wir wollten einfach spüren, wie es sich anfühlte, gross zu sein. Auf einmal war es soweit: Wir waren endlich gross, gehörten zu den Grossen, waren grösser als einige andere Grosse und vielleicht auch kleiner. Das spielte aber keine Rolle, denn wir waren nun Teil der so sehr herbeigesehnten Welt der Grossen. Wir hofften, nun endlich erfüllt zu sein, um uns noch besser darauf konzentrieren zu können, gut zu sein. Doch dieses Grosssein fühlte sich gar nicht so toll an und immer gut zu sein, war entweder nicht das, was wir wirklich wollten oder ganz einfach zu anstrengend. Also das mit dem Grosssein hatten wir uns definitiv einfacher vorgestellt: Jetzt war man gross und es reichte doch nicht: Es galt nun auch noch, wahre Grösse zu zeigen und an den Tag zu legen.

 

Für viele kein einfaches Vorhaben. Erst mussten wir ja herausfinden, was damit überhaupt gemeint war. Jeder konnte doch schliesslich sehen, wie gross wir waren. Warum zum Henker sollte man nun noch Grösse zeigen. Das Leben mit all seinen Farben zeigte uns nach und nach, was wahre Grösse wirklich war und dass es mehr als nur Geduld brauchte, um gross zu sein. Es ging zuerst darum, genau die Person zu werden, die wir schon immer sein wollten. Wahre Grösse bedeutete auch, die vielen Herausforderungen des Lebens anzunehmen und trotz aller Angst im Vertrauen voranzuschreiten und sich ihnen zu stellen. Gar nicht so einfach, die Sache mit der wahren Grösse! Da waren harte Arbeit, Hingabe, das Anerkennen unseres eigenen Wertes und das Ausschöpfen unseres Potenzials gefragt. Uns wurde bewusst, dass wahre Grösse nichts mit Körpergrösse, Status oder Position zu tun hatte, aber auch nicht ein für alle Mal erreicht werden konnte.

 

Es ging darum, sie jeden Tag zu leben, diese Grösse! Sie hatte mit uns zu tun, aber auch ganz viel mit den Menschen um uns. Und auf einmal ging uns ein Licht auf, dass auch das Gutsein nicht mehr das war, was wir gedacht hatten. Wir konnten gut sein zu uns selbst, indem wir unseren Wert erkannten, ohne dabei andere klein zu machen. Wirklich gross sein konnten wir also, indem wir echte Menschenliebe und Demut lebten, uns mit und für andere freuten, uns für jene einsetzten, die uns brauchten. Es fiel uns auf einmal wie Schuppen von den Augen: Wahre Grösse konnte man nur vom Herzen aus wachsen lassen und sie zeigte sich in der Art, wie wir uns selber und andere behandelten. Es war Zeit, als Grosse nun wirklich gross zu sein und uns gleichzeitig einzugestehen, dass es dazu wohl «lebenslanger» Arbeit bedurfte. Vielleicht war es auch weise, in seinem Herzen ab und zu wieder dieses Kind zu sein, das unbedingt gross sein wollte und doch schon lange vor den Grossen begriffen hatte, was wahre Grösse wirklich bedeutete.


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