· 

Länder wie Deutschland könnten zu den Verlierern des Winters 2021 werden

DMZ –  POLITIK / GESELLSCHAFT ¦ Dirk Specht ¦       

KOMMENTAR

 

Die Experimente in Österreich und Dänemark sind gescheitert. Beide Länder gehen auf 2G/3G zurück und versuchen vor allem die Impfquote zu steigern. Alleine UK bleibt bisher bei seiner Politik. Ich hatte bereits im Mai deren Seitwärtsbewegung als einzigen Hoffnungswert für politisch/gesellschaftliche Systeme gesehen, die eine konsequente Pandemiebekämpfung nicht wollen oder nicht können. Wir müssen uns dazu zählen, wobei es in der Tat in Deutschland offensichtlich sowohl am Wollen als auch am Können fehlt.

 

Wir dürfen uns aber keine Hoffnung machen, recht bald in die Situation von UK zu kommen. In Deutschland haben wir mit dem exponentiellen Wachstum der vierten Welle einen leider sehr stabilen Verdopplungstrend ca. alle zwei Wochen aufgebaut. Das Chart in der hohen statistischen Verdichtung auf den 14-Tage-Durchschnitt zeigt das sehr deutlich. Es spricht nichts für einen baldigen Bruch dieses Trends, denn – wie die kumulierten Daten zeigen – liegt Deutschland bei den Impfungen zwar ungefähr auf dem Level von UK, bei den Vorinfektionen aber erheblich darunter.

 

Dass eine hohe Impfquote gegen Delta hilft, zeigt das Beispiel Spanien. Das Land kann offensichtlich auch den nach sechs Monaten zurückgehenden Impfschutz gut kompensieren. Es wird auch in Spanien zu Drittimpfungen kommen, aber dort kann das in Ruhe sowie vor allem ohne eine weitere Sterbewelle passieren.

 

Dass die Drittimpfungen erstens erforderlich und zweitens sehr erfolgreich sind, hat Konstantin Tavan anhand einer sehr relevanten Studie aus Israel aus seinem Facebook-Profil bestens zusammengefasst. In einem Satz: Die Drittimpfung bringt gegen Delta denselben Schutz wie die Doppelimpfung gegen den Wildtyp. Wer einen Facebook-Zugang hat, kann hier die Details der Analyse lesen.

 

Israel hat wissenschaftlich nachweislich die vierte Welle durch die Boosterimpfungen beenden können. Das war dort ebenfalls wegen der schlechten Impfquote und zudem wegen des rückläufigen Impfschutzes nach sechs Monaten erforderlich. Das Land hat mit einer hohen Opferzahl über den Sommer für diese Erkenntnis bezahlt. Ein Preis, den Deutschland ganz offensichtlich unbedingt ebenfalls bezahlen möchte.

 

Während die Booster-Impfung für alle in einer politisch/gesellschaftlichen Lage wie bei uns die einzige verfügbare Lösung darstellt – in den USA ist das bereits in der Umsetzung – wird selbst das bei uns zuerst mal diskutiert. Parallel dazu erleben wir, nachdem es im Frühjahr mühsam gelungen war, eine Impfinfrastruktur für alle aufzubauen, dass diese nun fehlt. So wird seitens der für die Organisation zuständigen über die Frage gestritten, wer die Menschen denn nun anspricht und diese viele Millionen Impfungen applizieren soll. Im Herbst 2021 beginnt also erneut ein Debatten- und Organisationschaos, das wir im Frühjahr bereits hatten – und eigentlich als erledigt sehen konnten.

 

Entsprechend sind die ersten Erfahrungswerte bei der konkreten Frage nach Boosterimpfungen. Wer klug und schnell genug war, hat den Termin oder gar die Impfung bereits, wer jetzt anfängt, erlebt aber oft, was sich nun anbahnt: Die Nachfrage dürfte das Angebot zunächst mal eine ganze Weile übersteigen.

Für die Situation in den Krankenhäusern sieht das nicht gut aus. Der Trend wird zwar irgendwann brechen, das ist bekanntlich der Weg, den viele Immunenthusiasten gerne gehen wollen, aber dafür ist eine unbekannte Anzahl weiterer Verdopplungen erforderlich. Dafür stehen nicht genug Sterbebetten zur Verfügung, deren Zahl leider wieder mal als zu erstrebender Grenzwert diskutiert wird.

 

Christian Drosten spricht von weiteren 100.000 Opfern als konservative Schätzung. Eine wichtige und sehr mutige Aussage, denn er weiß natürlich, dass er das erstens nicht so genau wissen kann und dass er zweitens wieder Häme ohne Ende kassieren wird, wenn es auch nur hundert Tote weniger werden – was er gewiss zu erreichen hofft.

 

Tatsächlich kann man die weitere Entwicklung nun nur für ein paar Wochen abschätzen. Mindestens eine weitere Verdopplung der aktuellen Zahlen ist sehr wahrscheinlich. Ob und wann das bricht oder wenigstens langsamer wächst, kann niemand sagen. 2G und Boostern sind die einig erkennbaren Gegenmaßnahmen, die werden kommen, 2G wird nun häufiger – mal wieder – diskutiert sowie regional bereits umgesetzt. Die Booster-Kampagne wird hinterher ruckeln. Aber vor dem Jahreswechsel kann das alles gar nicht mehr wirken, dafür ist diese Entwicklung zu dynamisch und auch bereits zu weit gelaufen. Wir sind mit allem, aber auch wirklich allem, was wir tun können, mal wieder zu spät dran und wenn das komplett schief läuft, wird das Gesundheitssystem so unter Druck kommen, dass wir sogar über 2G hinaus gehen müssen. Wenn Triage droht, Sterbezahlen steigen, Operationen verschoben werden, ganz offensichtlich keine Gesundheitsversorgung mehr „stabil“ existiert, wird der Handlungsdruck auf die Politik groß – und dann muss mal wieder der Holzhammer her. Selbst das ist 2021 entgegen der „Versicherungen“ der Politik keineswegs ausgeschlossen!

 

Offensichtlich dürfen wir seitens der Politik und der zuständigen Behörden in Bund und Ländern wenig erwarten. Jeder einzelne ist gut beraten, sich aktiv für sich und seine Familie um einen Booster zu bemühen und weiter zu schützen. Je mehr von uns das erfolgreich in Eigeninitiative schaffen, desto eher wird die Zahl von Drosten verfehlt und vielleicht können Betriebe sowie Veranstalter dann wenigstens mit 2G so etwas wie unternehmerische Planung leisten.

 

Auf so etwas wie eine uns schützende und führende Politik sollte niemand warten. Das ist im Herbst 2021 eine vernichtende Bilanz.

 

 


Meistgelesener Artikel

Jeden Montag wird jeweils aktuell der meistgelesene Artikel unserer Leserinnen und Leser der letzten Woche bekanntgegeben.


Unterstützung

Damit wir unabhängig bleiben, Partei für Vergessene ergreifen und für soziale Gerechtigkeit kämpfen können, brauchen wir Sie.


Mein Mittelland

Menschen zeigen ihr ganz persönliches Mittelland. Wer gerne sein Mittelland zeigen möchte, kann dies hier tun
->
Mein Mittelland



Ausflugstipps

In unregelmässigen Abständen präsentieren die Macherinnen und Macher der Mittelländischen ihre ganz persönlichen Auflugsstipps. 


Rezepte

Wir präsentieren wichtige Tipps und tolle Rezepte. Lassen Sie sich von unseren leckeren Rezepten zum Nachkochen inspirieren.


Persönlich - Interviews

"Persönlich - die anderen Fragen" so heisst unsere Rubrik mit den spannendsten Interviews mit Künstlerinnen und Künstlern.


Inhalte von Powr.io werden aufgrund deiner aktuellen Cookie-Einstellungen nicht angezeigt. Klicke auf die Cookie-Richtlinie (Funktionell und Marketing), um den Cookie-Richtlinien von Powr.io zuzustimmen und den Inhalt anzusehen. Mehr dazu erfährst du in der Powr.io-Datenschutzerklärung.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0