Selbsternannte anonyme „Künstler:innen“ verbreiten Fake-News und Blödsinn

DMZ –  KULTUR / POLITIK ¦ Walter Fürst ¦                             

KOMMENTAR

 

Man weiss nur allzu gut; immer wenn etwas anonym lanciert wird, ist das „Projekt“ suspekt. In diesem Fall ist so ziemlich alles suspekt. Selbsternannte Künstlerinnen und Künstler erstellen anonym die Website kunst-gegen-covidgesetz.ch und treten dabei auch mehr oder weniger anonym auf, denn man kennt ausser Marco Rima niemanden. Und dass Rima als Verschwörungs-gläubiger da mitmacht, vielleicht sogar Urheber ist, erstaunt denn auch nicht. So gesehen, kann man die ganze Aktion ohnehin eigentlich unkommentiert vergessen. Allerdings beschäftigt der Umstand, wie es kommt, dass Nutzniesser von Steuergeldern sich anmassen solchen Quatsch zu veranstalten – deshalb ist die verunglückte und peinliche Aktion ein paar Zeilen wert. Diese Leute sollten all das Steuergeld, das sie während ihrer Karriere erhalten haben, umgehend zurückzahlen müssen. Und diese Anmassung, sehr ausgeprägt in der Schweiz, sich selber als Künstler zu bezeichnen. Nicht alles, was man nicht versteht und niemand haben will, ist Kunst. Das sollten die Urheber dieser ominösen Website mal begreifen. Daran ändert auch eine Pandemie nichts.

 

Ominöse Geldquelle und Urheber

Ganzseitige Inserate dieses „Komitees“ machen die Sache auch nicht glaubwürdiger, im Gegenteil. Da fragt man sich sogleich, woher das Geld kommt. Auf Sozialen Medien kursieren bereits erste Mutmassungen, woher das Geld stammen könnte. U.a. wird oft der Bund genannt, der diese Künstler:innen mit Corona-Hilfen während der Pandemie finanziell unterstützt hat. Da die selbsternannten Künstler:innen auf deren Plattform allerdings unbekannt sind, wird die Geldquelle von einer anderen Seite gekommen sein.

Verständlich also, dass sich nur eine Handvoll Leute getrauen ihr Gesicht auf der Website zu zeigen, alle anderen werden mit Vornamen und Wohnort gelistet. Das können also x-Leute sein, die irgendwo einen Pinsel oder ein Instrument stehen haben, oder ganz einfach Fake-Künstler:innen sein. Von denen, die sich zeigen, sind vor allem Therapeuten, Rudolf-Steiner-Fanatiker, Esoteriker und Ähnliche, die sich outen. Kein Wunder, das sind ja eben genau diese Leute, die man an den Demos zuweilen antreffen kann. Mit dieser weiteren „Spaltungs-Aktion“ wollen die vermeintlichen Künstler:innen dann auch gegen Spaltung einstehen. Paradox, wie alles aus dieser Ecke.

 

Immerhin haben die Möchtegernkünstler:innen jetzt eine Plattform, wo sie sich als solche outen können. Allerdings stellt man rasch fest, dass sehr viele Einträge von den Urhebern selber kreiert wurden. Was für eine peinliche und unwürdige Geschichte.

 

Fake-News, Lügen und Propaganda der niederen Art

So schreiben die selbsternannten Künstler:innen, dass sie eben solche seien und aus vielen Bereichen kommen würden. Wer damit gemeint ist, bleiben die Urheber schuldig. Kann ja jeder etwas behaupten. In der Verschwörerszene ist das ja üblich, dass Behauptungen, letztlich ohne Beweise zu erbringen, anonym aufgestellt werden und verbreitet werden. In der blinden Kommune der Bildungsresistenten und Realitätsfernen wird ohnehin alles geglaubt. So muss sich auch kein Fake-News-Urheber Gedanken machen, ob der verbreitete Quatsch auch erfolgreich Klicks generiert.

 

Anfänglich habe diese Kommune der selbsternannten Künstler:innen grosse Achtung gehabt, wie der Bundesrat auf die Pandemie reagierte. Auch diese Aussage kommt komplett unglaubwürdig beim Leser an, denn solche Stimmen gab es damals und auch heute nicht aus dieser Ecke. Aber ein netter Versuch, die Leser in in die Irre zu führen und vorzugaukeln, dass es sich hier um denkende und abwägende Menschen handelt.

 

Weiter benutzen die Urheber dieser Website SVP-Parolen, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen: „Doch mit den erneuten Verschärfungen des Covid-Gesetzes hat er jedes Augenmass verloren. Wer sich impfen lassen wollte, ist geimpft. Die Spitalbetten sind nicht überlastet. Das Covid-Zertifikat ist nicht zu rechtfertigen. Es spaltet unsere Gesellschaft und schliesst Menschen von Bildung, Kunst und Kultur aus.“ Also gleich mehrere Falschaussagen in einem kleinen Abschnitt. Dass das #CovidGesetzNein keine Auswirkungen auf die Wirtschaftshilfen hätte, ist eine der grössten Lügen. Auch wer der Wirtschaft nicht schaden will, muss zwangsläufig JA stimmen am 28. November 2021.

 

Immer die selben Falschaussagen

Es ist natürlich nachzuvollziehen, dass immer noch die selben Falschaussagen fruchten bei der blinden und tauben Gefolgschaft. Denn bisher haben diese Leute ausnahmslos alles geglaubt, was widerlegt wurde. Denn aus deren Warte ist auch nur das wahr, was auch massig widerlegt ist. Quasi die bestwiderlegten Falschaussagen sind dann auch wahr, weil sie widerlegt sind. Das ist ja der Beweis. Etwa so funktioniert die Logik dieser Leute.

 

Die Nein-Sager sind die Gegnerschaft jeder Vernunft und von Fakten

Es bleibt bei einem weiteren peinlichen Versuch der anonymen Gegnerschaft jeder Vernunft und von Fakten.

Erst gestern, 22. November 2021 hat sich der Nationale Kulturdialog an seiner Sitzung zur Umsetzung der Covid-Unterstützungsmassnahmen im Kulturbereich ausgetauscht. Kantone, Städte und Gemeinden unterstützen die vom Bundesrat vorgeschlagene Verlängerung der Kulturbestimmung im Covid-19-Gesetz bis Ende 2022. Im Weiteren haben die Teilnehmenden Herausforderungen besprochen, die in Hinblick auf die Wiederaufnahme des Kulturbetriebs an Aktualität gewonnen haben. Durch solche Aktionen von vermeintlichen Kulturschaffenden werden genau solche wichtige Instrumente gefährdet.

 

Die Geschäftsführerin von SzeneSchweiz, Salva Leutenegger, sagt auf Anfrage zu diesem „Projekt“ um Marco Rima: Diese Aktion vermittelt den Eindruck, es handle sich um eine riesengrosse Gruppe von Gegnern des Gesetzes. In unserem Verband haben wir die Erfahrung gemacht, dass es sich um eine ganz kleine Minderheit handelt, die sehr laut auftritt. Die Aufmachung ist optisch dilettantisch gemacht, was nicht unbedingt auf professionelle Künstler:innen schliessen lässt. (SzeneSchweiz ist die grösste und wichtigste

Schweizer Berufsorganisation für Künstlerinnen und Künstler bei Theater, Film und TV.)

 

Peter Metzinger, Leiter der Ja-Kampagne der Zivilgesellschaft für das Covid-Gesetz, warnt vor dem Schaden an der Demokratie, der durch solche Aktionen entsteht. «Die Schweiz hat zweifellos das beste direktdemokratische System der Welt, sonst könnten wir nicht über eine dermassen marginale Gesetzesänderung abstimmen. Aber Demokratie kann nur dann funktionieren, wenn die Grundlage der Entscheidung für ein Ja oder Nein mit der Wahrheit übereinstimmt. Seit Beginn der Pandemie beobachte ich eine Erosion der Faktentreue auf Seiten der Massnahmengegner. Diese geht dabei weit über das Thema COVID-19 hinaus. Auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Mobilfunkinfrastruktur werden immer hemmungsloser Unwahrheiten und Verschwörungsmärchen verbreitet. Wir haben hier ein echtes Problem für unser Funktionieren als demokratisch organisierte Gesellschaft, aber auch für unsere Wirtschaft, die immer mehr unter der gesellschaftlichen Spaltung leidet, die durch die Erfinder und Verbreiter von Falschinformationen verursacht wird», so Peter Metzinger, der nebenbei auch noch die Plattform www.ReclaimTheFacts.com betreibt, um Campaigning für Fakten und Faktechecks zu machen.

 

Mike Müller fragt dann auf Twitter, on es sich dabei um eine neue Kategorie bei Stockfotos handle: „Nicht-googlebare Künstler.“

 

 

Wenn schon Kulturschaffende und Künstler:innen, dann kann man sich doch gleich an echte und reale wenden. Dann stellt man nämlich schnell fest, dass die echten und realen Künstler:innen und allen voran Suisseculture ein JA in die Urne legen werden.

 

Knackeboul fragt sich bei dieser Aktion: "Ich weiss nicht was ehrenloser ist: Die Mäzenen, die das finanzieren, die Künstler*innen, die da mitmachen oder das Gratisblatt, das sowas druckt.

Leider ist es tatsächlich so, dass ein Teil der Kunstschaffenden in den Covid-Gesetz-Nein Gesang miteinstimmt. Aber der grosse Teil der Künstler*innen ist solidarisch, verantwortungsvoll und traut der Wissenschaft und stimmt deshalb JA."

 

Der Dachverband der Organisationen der professionellen Kulturschaffenden der Schweiz und der schweizerischen Urheberrechtsgesellschaften empfiehlt ein JA für die Abstimmung vom 28.11.2021 und argumentiert wie folgt:

 

„Argumentarium 2. Referendum Covid-19-Gesetz (Abstimmung vom 28.11.2021

Am 13. Juni 2021 fand die Abstimmung über das Covid-19-Gesetz statt, das mit grosser Mehrheit angenommen wurde. Von der Abstimmung nicht betroffen waren die im März 2021 vom Parlament verabschiedeten wesentlichen Verbesserungen bei den Unterstützungsmassnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie, vor allem für den Kulturbereich. Diese sind:

  • Die Ausweitung der Härtefallhilfe für Unternehmen, die wegen der Pandemie vorübergehend schliessen mussten oder starke Umsatzeinbrüche erlitten.
  • Selbstständige, die den Corona-Erwerbsersatz brauchen, müssen dafür nur noch 30% Umsatzeinbussen nachweisen  (vorher: 40%!).
  • Freischaffende Künstlerinnen und Künstler (weder selbstständig noch fest angestellt, sondern immer pro Projekt mit zeitlich befristeten Arbeitsverträgen angestellt) können auch Ausfallentschädigungen beantragen, dies war bis zum März 2021 nur für Selbstständige möglich.
  • Entschädigungen für Publikumsanlässe von überkantonaler Bedeutung, die wegen Corona nicht stattfinden konnten oder können.
  • Ausweitung der Kurzarbeitsentschädigung, um Kündigungen zu verhindern und Arbeitsplätze zu retten.

Mit diesen wichtigen Anpassungen stellt das Covid-19-Gesetz jetzt eine optimale Grundlage dar, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie lindern zu helfen und die kulturelle Vielfalt in der Schweiz zu erhalten.

 

Auch wenn der Bundesrat im August die Normalisierungsphase ausgerufen hat, ist die Schweizer Kultur noch weit von der Normalität entfernt. Für die Kulturbranche ist klar, dass es die Verlängerung der Unterstützungsmassnahmen auch 2022 braucht, um unwiederbringlichen Schaden abzuwenden. Darüber wird aber erst nach der Abstimmung im Parlament diskutiert. Für die Erholungsphase braucht die Kulturszene  zwingend die optimale Grundlage, die mit den Verbesserungen des Parlaments im März 2021 geschaffen wurde. Nur so kann sie die Pandemie überstehen.

 

Deswegen empfiehlt Suisseculture ein JA für die Verbesserungen des Covid-19- Gesetzes am 28. November 2021.“

 

Ein weiteres Beispiel von echten Kulturschaffenden in der Schweiz, die sich klar für ein JA aussprechen ist die SMPA. Die Swiss Music Promoters Association sagt am 28. November 2021 ebenfalls JA für die Verbesserungen des Covid-19-Gesetzes.

 

Stefan Breitenmoser, Geschäftsführer der Swiss Music Promoters Association (SMPA), sagt auf Anfrage, dass schweizweit Anzeigen im Namen von Künstlerinnen und Künstlern gegen das Covid-19-Gesetz kursieren würden. „Darin wird argumentiert, die Kultur sei von einer Ablehnung des Gesetzes nicht betroffen, weil die Finanzhilfen für Künstlerinnen und Künstler sowieso auslaufen würden. Uns ist wichtig klarzustellen: Dieses Argument ist falsch (und zwar nicht als Meinung, sondern als Fakt).“

 

Stefan Breitenmoser führt weiter aus, dass der Bundesrat wie auch die zuständigen Parlaments-kommissionen, sich für eine Verlängerung der Entschädigungs- und Unterstützungsmassnahmen für die Kultur (Artikel 11 Kulturmassnahmen und Artikel 11a Schutzschirm) stark machen.

 

Nachzulesen in den öffentlichen Medienmitteilungen des Bundesrats und der Kommissionen:

„Weder die Kampagne noch die Website der Aktion legen offen, wer dahintersteckt und wer die Inserate finanziert. Die Unterzeichnenden treten nur mit Vornamen auf. Keiner der Kulturverbände, welche in die Kulturpolitik eingebunden sind, unterstützt diese Aktion.“

 

Fazit:

Es war immer so und wird es immer sein. Fakten und Aufnahmefähigkeit sind zwei der wichtigsten Faktoren für das Bilden einer Meinung. Wo das fehlt, fehlt es letztlich an Allem. Otto Julius Bierbaum sagte dazu: „Unzufriedenheit ist Dummheit.“

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