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AT: Pandemie und Korruption: Jugend verliert Vertrauen in Politik

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                                    

 

Wie geht es jungen Menschen in Österreich nach beinahe zwei Jahren Corona-Pandemie? Zur Beantwortung dieser und anderer Fragen der Jugendpolitik beauftragte das Parlament beim Institut SORA heuer erneut eine Studie im Rahmen des jährlichen Demokratie-Monitors. Das Resultat, das heute bei einer Online-Pressekonferenz präsentiert wurde: Fast die Hälfte (47%) der befragten Jugendlichen wies einen verschlechterten psychischen Zustand auf. Besonders betroffen davon sind sozioökonomisch schwächere Gruppen.

 

Schlechter geworden ist auch der Eindruck von der heimischen Innenpolitik bei Teenagern und jungen Erwachsenen. 70% der Jugendlichen sind den SORA-Erhebungen zufolge der Ansicht, dass Korruption ein sehr oder eher großes Problem der Politik in Österreich darstellt. Die Demokratie hierzulande wird von 33% dieser jungen Menschen als schwach bewertet. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka betont in diesem Zusammenhang, er empfinde auch als Staatsbürger die Ergebnisse des Demokratie-Monitors besorgniserregend. "Es ist unerlässlich, dass wir das Vertrauen in unser politisches System nicht nur aufrechterhalten, sondern noch weiter stärken. Es gibt keine Alternative zur Demokratie". Man müsse weiter daran arbeiten, die Diskussions- und die Medienkompetenz zu fördern, sowie das Geschichtsbewusstsein und die Bildungspolitik zu intensivieren. Die Demokratiewerkstatt des Parlaments sei in diesem Zusammenhang ein Vorzeigeprojekt.

 

Seit 2018 erhebt das SORA-Institut im Auftrag des Parlaments jährlich das Demokratieverständnis Jugendlicher. Damit soll der Zugang junger Menschen in Österreich zur Demokratie und zu den Institutionen in Erfahrung gebracht werden. Zwischen 15. August und 5. Oktober 2021 wurden bei den Untersuchungen 300 Jugendliche im Alter zwischen 16 und 24 Jahren befragt. Für Parlamentsdirektor Harald Dossi bildet die Studie eine wichtige Basis für "evidenzbasierte Politik". Im Fokus der SORA-Beauftragung steht die Entwicklung des demokratischen Verständnisses bei der Zielgruppe, erfasst werden aber auch aktuelle Ereignisse.

 

Hauptanliegen Pandemie-Bewältigung

Besonders gravierend (61%) ist der Anteil von Jugendlichen in finanziell prekärer Lage, die angaben, dass die Pandemie ihre psychische Gesundheit verschlechtert hat. Grünen-Jugendsprecherin Barbara Neßler appelliert an Jugendliche, sich bei psychischen Problemen helfen zu lassen: Viele junge Menschen seien von der großen Belastung der Pandemie betroffen, es sei daher völlig in Ordnung, zuzugeben, "mir geht es nicht gut". Die Probleme der Pandemie seien "in der vollen Breite der Jugend angekommen", fasst NEOS-Jugendsprecher Yannick Shetty die Ergebnisse des SORA-Berichts zusammen. Jugendliche aus allen sozialen Schichten seien mittlerweile von den Folgen der Corona-Krise betroffen.

Die Bundesjugendvertretung sieht im SORA-Bericht ihre Vermutung mit Zahlen belegt und folgert, die Pandemie-Bewältigung müsse ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Tatsächlich werten 48% der Befragten die Überwindung der Corona-Krise als das dringendste politische Anliegen, während nur 24% den Klimaschutz und 13% die ökonomische Sicherheit nennen. Letzterer Punkt umfasst ausreichendes Einkommen und die Leistbarkeit des täglichen Lebens.

 

Pandemie schränkt politische Partizipation ein

Für Jugendliche aus prekären finanziellen Verhältnissen stellt laut SORA-Analyse der Wegfall des schulischen Normalbetriebs als bedeutender Ort der politischen Bildung ein Hindernis bei der politischen Partizipation dar. Vielen (53%) sei unklar, welche Rechte ihnen als BürgerInnen zustehen; wie sie sich politisch beteiligen können, wissen 45% nicht genau. SPÖ-Jugendsprecherin Eva Maria Holzleitner folgert aus den Erhebungen, politische Bildung müsse endlich als "eigenständiges Schulfach" Eingang in alle Schultypen finden, um zu vermitteln, wie politische Beteiligung möglich ist. Generell erkennt sie beim Großteil der Jugendlichen eine Schwächung des Vertrauens an das politische System.

 

Wie bei der Gesamtbevölkerung sind Wahlen für junge Menschen die häufigste Form der Beteiligung: Rund zwei Drittel der 16- bis 26-Jährigen (68%) haben in den letzten fünf Jahren ihre Stimme bei einer Wahl abgegeben. Gleich dahinter (62%) folgt die Partizipation bei Initiativen im direkten Umfeld wie Schule, Arbeit oder Nachbarschaft. Bei beiden Beteiligungsformen war im Jahresvergleich ein leichter Rückgang bemerkbar, den SORA nicht zuletzt mit den Einschränkungen durch die Pandemie erklärt.

 

Ibiza-Affäre & Co. schwächten Demokratie-Vertrauen

Der Anteil der Jugendlichen, die der Auffassung sind, dass das politische System in Österreich "gar nicht gut" funktioniert, hat sich dem Bericht zufolge gegenüber 2018 von 6% auf 14% gesteigert, wobei SORA unter anderem auf die Ibiza-Affäre von 2019 hinweist. Auch Chatverläufe zur "Inseraten-Affäre", die heuer publik wurden, werden als maßgeblich für den Vertrauensverlust genannt.

 

Hervor steche jedenfalls ein starker Zusammenhang mit der Betroffenheit von den Folgen der Pandemie. In den Befragungen ergaben sich bei beinahe der Hälfte (48%) der jungen Menschen, deren psychische Gesundheit sich infolge der Pandemie verschlechtert hat, und bei 38% der durch die Pandemie ökonomisch schlechter gestellten Jugendlichen Zweifel an der Funktionsfähigkeit des politischen Systems. Konkret dem Parlament gegenüber ist das Vertrauen unter Jugendlichen seit dem Vorjahr ebenfalls gesunken, von 55 auf 43 %, geht aus der Studie hervor. Unter den Jugendlichen, für die Korruption ein großes Problem der österreichischen Politik ist, ergaben die Erhebungen ein noch geringeres Vertrauen in das Parlament (38%). Dasselbe gilt für jene jungen Menschen, die infolge der Pandemie verstärkt in finanziell prekärer und/oder psychisch belasteter Situation sind. Nur 37% beziehungsweise 36% dieser jungen Menschen vertrauen dem Parlament. Das Vertrauen in andere Institutionen wie Bundespräsident, Justiz, Polizei, Behörden & Ämter sei dagegen gleich geblieben oder habe sich leicht verbessert.

 

Informationsbedürfnis und Medienverhalten

Einen Mangel an politischem Interesse erkannten die StudienautorInnen nicht, im Gegenteil: Das Informationsbedürfnis junger Menschen ist seit 2018 angestiegen, wobei vor allem soziale Medien als Informationsquellen von Jugendlichen angegeben werden (59% Instagram, 36% Facebook, 28% WhatsApp, 12% Twitter). Medienkompetenz sei in Verbindung mit Sozialen Medien außerordentlich wichtig, betont die junge ÖVP-Abgeordnete Carina Reiter. Da Social-Media-Kanäle immer mehr an Bedeutung bei der Informationsweitergabe gewännen, müsse die Politik dafür sorgen, dass Jugendliche bei der Befassung damit über "das richtige Werkzeug", also ausreichendes Know-how, verfügen.

Allerdings sind auch wieder mehr ZeitungsleserInnen unter den Jugendlichen. 53% nutzen Zeitungen gedruckt oder online als Informationsquelle, 51% nannten andere Internetseiten. Die Homepage beziehungsweise Social Media-Kanäle des Parlaments besuchten 2021 mehrmals 24% der Befragten, 2020 waren es noch 29% gewesen. Nationalratssitzungen verfolgten 31% der Jugendlichen zumindest einmal, 29% mehrmals.

 

Ehrenamt weiterhin wichtig

Unverändert hoch geblieben ist gemäß Befragung das ehrenamtliche und zivilgesellschaftliche Engagement junger Menschen. Rund ein Fünftel der Jugendlichen gibt an, ehrenamtlich bei Blaulichtorganisationen, im Kultur- und Kunstbereich, bei sozialen Organisationen oder für Umwelt- und Tierschutz aktiv zu sen. Die hohe Bedeutung sozialer Interaktion – gerade in Form persönlicher Treffen - für junge Menschen sei augenscheinlich, unterstreicht FPÖ-Mandatar Phillip Schrangl. Vor allem junge Abgeordnete seien sich vor diesem Hintergrund der Einschränkungen bewusst, die mit der Pandemie einhergingen. "Wir sind eure Stimme in diesem Parlament", sichert er das Engagement der JungmandatarInnen für junge Generationen zu. Immerhin hat mehr als die Hälfte (52%) der 16- bis 26-Jährigen nicht den Eindruck, ihre Anliegen werden bei politischen Entscheidungen beachtet.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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