AT: Nationalrat beschließt rechtskonforme Lösung für Beugehaft und Verlängerung von Corona-Sonderregelungen

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                                    

 

Deutliche Kritik an Verunsicherungspolitik der Freiheitlichen in der Frage der Impfpflicht

Wien (PK) –  Die Verlängerung diverser Corona-Sonderregelungen sowie die Schaffung einer rechtskonformen Lösung für die Beugehaft, die in ihrer bisherigen Form vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, standen im Mittelpunkt der weiteren Beratungen der heutigen Nationalratssitzung. Durch die – mehrheitlich beschlossene - Novellierung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ist nun gewährleistet, dass die Beugehaft maximal für ein Jahr zulässig ist und dass der Rechtsschutz ausgebaut wird. Den von den Freiheitlichen vorgebrachten Bedenken, dass die Beugehaft in Hinkunft auch bei Impfunwilligen eingesetzt werden könnte, traten die VertreterInnen der anderen Parteien mit Nachdruck entgegen. Mit solchen Falschinformationen würde man die Menschen noch mehr verunsichern, beklagten etwa Agnes Sirkka Prammer von den Grünen sowie Wolfgang Gerstl (ÖVP). FPÖ-Vertreterin Susanne Fürst beharrte aber auf ihrer Rechtsposition, wonach die Anwendung der Beugehaft bei der Durchsetzung der geplanten Impfpflicht möglich sei, und brachte einen dementsprechenden Zusatzantrag ein; dieser fand keine Mehrheit.

 

Die verfassungsrechtlich notwendige Mehrheit fand die von den Regierungsfraktionen vorgeschlagene Verlängerung verschiedener Corona-Sonderregelungen um ein weiteres halbes Jahr bis Mitte 2022, wobei COVID-19-Begleitgesetze sowie auch die Bundesverfassung geändert werden mussten. Inhaltlich geht es unter anderem um den verstärkten Einsatz von Videotechnologie bei Gemeinderatssitzungen sowie bei verschiedenen Verwaltungsverfahren. Außerdem sollen beschleunigte Vergaben im Bereich der Labordiagnostik ermöglicht werden.

 

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen der COVID-19-Pandemie sei es auch notwendig, die virtuelle Abhaltung von Sitzungen der AMA-Gremien über das Jahr 2021 hinaus unbefristet zu erlauben, lautete die Begründung eines einstimmig beschlossenen ÖVP-Grünen-Antrags. Um Landwirtschaftsthemen ging es dann auch bei der Behandlung des Grünen Berichts, der mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde. Darin wird unter anderem aufgezeigt, dass es durchschnittlich zu einer Steigerung der Einkünfte um 1,4% im Vergleich zum Vorjahr kam, wobei große Unterschiede in den einzelnen Sektoren festzustellen seien. Durch die Maßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik werden die bäuerlichen Betriebe auch in Zukunft umfassend unterstützt werden, war Bundesministerin Elisabeth Köstinger überzeugt, die von einem unverzichtbaren Stabilitätsfaktor sprach. Mehr denn je brauche es aber auch faire Preise für die hochqualitativen Produkte sowie eine höhere Wertschätzung für die Leistungen der BäuerInnen. Die im Zuge dieser Debatte eingebrachten Entschließungsanträge der SPÖ, in denen eine gerechtere Verteilung der Agrarförderungen sowie ein Ausbau der Unterstützungsmaßnahme "Soziale Angelegenheiten" im Rahmen der GAP-Mittel gefordert wurden, sowie jener der Freiheitlichen betreffend Sockelförderbetrag für Arbeitsplätze am Bauernhof blieben bei der Abstimmung in der Minderheit.

 

Reparatur der Beugehaft: Freiheitliche befürchten Anwendung der Beugehaft bei Impfunwilligen

Grundsätzlich sei das Rechtsinstrument der Beugehaft sinnvoll, da es der Durchsetzung staatlicher Entscheidungen diene, urteilte Susanne Fürst (FPÖ). Als Hauptanwendungsbereich dafür war bisher das Asyl- und Fremdenrecht vorgesehen. Die Wiedereinführung der Beugehaft am 1. Jänner 2022 erhalte nun aber angesichts der geplanten Einführung der Impfpflicht im Februar besondere Brisanz. Entgegen anderslautender Beteuerungen wurde nämlich die Möglichkeit zur Inhaftierung von impfunwilligen Personen nicht dezidiert und verbindlich ausgeschlossen, stellte Fürst mit Nachdruck fest. Sie brachte daher einen Abänderungsantrag ein, durch den garantiert wäre, dass die Beugehaft im Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfpflicht nicht zum Einsatz kommen darf.

 

Friedrich Ofenauer (ÖVP) erläuterte die Hintergründe für die notwendige Reparatur des Instruments der Beugehaft, die vom VfGH aufgehoben wurde. In der neuen Novelle sei nun eine höchstzulässige Gesamtdauer der Beugehaft von maximal einem Jahr festgelegt. Zudem werde ein Rechtsmittel nach dem Vorbild der Schubhaftbeschwerde eingeführt, informierte er. Gleichzeitig sei auch immer die Verhältnismäßigkeit der Beugehaft zu prüfen. Was die Kritik der Freiheitlichen angeht, so hielt er ihnen entgegen, dass eine Beugehaft nicht dazu diene, allgemein gesetzliche Verpflichtungen durchzusetzen. Da im Entwurf zum Impfpflichtgesetz keine individuellen Bescheide und auch keine Freiheitsstrafen vorgesehen seien, brauche es keine weiteren Ausnahmebestimmungen. Auch sein Fraktionskollege Wolfgang Gerstl unterstrich, dass der Einsatz einer Beugehaft bei Impfunwilligen auch "theoretisch nicht möglich" sei.

 

SPÖ-Vertreter Christian Drobits wies darauf hin, dass durch das VfGH-Urteil eine Novellierung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes erforderlich war, da ansonsten die Beugehaft mit Ende dieses Jahres ausgelaufen wäre. Im Sinne der Verhältnismäßigkeit war es auch notwendig, die Verhängung der Beugehaft auf ein Jahr zu limitieren und ein Rechtsschutzinstrument einzuführen. Nicht richtig sei jedoch, dass die Beugehaft bei Impfunwillen eingesetzt werden könne, wie dies immer wieder von der FPÖ vor allem in den sozialen Medien behauptet werde. Dies sei eine verantwortungslose Politik und daher scharf zu verurteilen.

Grünen-Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer wiederholte, dass bei der zur Debatte stehenden Gesetzesänderung einzig die Reparatur und die Verbesserung der Bestimmungen zur Beugehaft im Fokus stehen. Bedauerlicherweise werde dies aber von den Freiheitlichen zum Anlass genommen, um Gerüchte in die Welt zu setzen, die jeglicher sachlichen Grundlage entbehren. "Sie erzählen den Menschen wissentlich die Unwahrheit", denn Sie kennen den Entwurf zum Impfpflichtgesetz, führte Prammer gegenüber der Abgeordneten Fürst ins Treffen, "schämen Sie sich für diese Vorgangsweise".

 

Johannes Margreiter (NEOS) appellierte an alle Abgeordneten, die Emotionen aus der Debatte herauszunehmen. Sachlich betrachtet gehe es einfach um die Neuregelung der Beugehaft, die aufgrund eines VfGH-Entscheids nunmehr befristet werde. Dies habe mit dem Thema Impfen "genau gar nichts zu tun". Dennoch unterstütze er den Abänderungsantrag der FPÖ, damit absolute Klarheit herrsche.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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