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Gigantisches Erzvorkommen in Norwegen entdeckt: „Wir sind nicht länger von China abhängig“

DMZ –  WIRTSCHAFT ¦ Oliver Stock ¦                                  

 

Michael Wurmser ist einer der Gründer von Norge Mining, „Norge“ - was? Der Name könnte künftig häufiger fallen, denn das norwegisch-britisch-schweizerische Unternehmen hat das weltweit größte Vorkommen an Phosphat-Erzgestein im Südwesten Norwegens entdeckt. Vor allem Batterien lassen sich damit herstellen. Hat Europa damit die Chance, unabhängig von chinesischen, russischen oder afrikanischen Lieferanten zu werden?

Das Gespräch führte Oliver Stock / WirtschaftsKurier

 

Guten Abend Herr Wurmser, wie geht es Ihnen? Die Pandemie hat uns im Griff, die Inflation macht, was sie will, und die Lieferketten sind löchrig – also wie geht es da einem Minenbetreiber, wie Sie es sind?

Paradoxerweise kommen wir dank der Pandemie viel schneller voran als geplant.

 

Wie das?

Als wir vor zwei Jahren anfangen wollten mit unseren Probebohrungen, haben wir weltweit Bohrtürme bestellt – und schließlich einen Einzigen bekommen. Dann, mit den ersten Lockdowns, konnten wir uns gar nicht mehr retten vor Angeboten. Da haben wir plötzlich sechs Bohrtürme zum Preis von einem bekommen. Das beschleunigt unsere Bohrperformance um ein Vielfaches.

 

Ihr Unternehmen bohrt im südlichsten Zipfel Norwegens nach Rohstoffen, was wollen sie da finden?

Wir haben sogenannte „kritische Rohstoffe“ entdeckt. Diese Bezeichnung ist eigentlich eine Klassifizierung der EU. Sie meint damit solche Rohstoffe, die eine starke wirtschaftliche und strategische Bedeutung für die europäische Wirtschaft und ihre Industrien haben, dabei allerdings mit einem hohen Versorgungsrisiko verbunden sind. Diese Materialien sind nicht nur kritisch für wichtige Industriesektoren und zukünftige technische Anwendungen, sondern auch für das nachhaltige Funktionieren der europäischen Wirtschaft insgesamt.

 

Was genau haben Sie gefunden?

Es geht um Phosphat, Titan und Vanadium. Phosphat ist zum einen ein Grundbestandteil der Düngemittelbranche und somit Teil der Ernährungssicherheit- und Versorgung der Weltbevölkerung. Man braucht es aber auch, um stickstoffbasierte Düngemittel abzulösen, die ansonsten Stickoxide abgeben und den Klimawandel beschleunigen. Vanadium gewinnt als Rohstoff für Stromspeicher erneuerbar produzierter Energieformen enorme Bedeutung. Es kann die Lithium-Ionen-Batterien ablösen, die giftige Schwermetalle enthalten und schwer zu recyclen sind. Sie sind bislang Teil einer Kette von verantwortungslosem Konsum. Natürliche Phosphatdünger und langlebige Vanadium-Batterien tragen zu einem erheblichen Teil zur Lösung dieses globalen Problems bei. Auf internationaler Ebene werden Vanadium-Redox-Flow-Batterien die Antwort auf die Speicherung riesiger Mengen an erneuerbarer Energie sein um die schädliche Kohlenstoffabhängigkeit hinter uns zu lassen. Phosphat ist aber auch Bestandteil der neuen Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie, welche bereits schon bei Tesla, Volkswagen und anderen Autobauern eingebaut werden. Titan ist sehr fest und leicht. In der Flugzeugindustrie ist es nicht mehr wegzudenken. Die meisten dieser Rohstoffe kommen bisher aus China, Russland oder Nordafrika. Wie wackelig die Versorgung ist, erleben wir derzeit. Deswegen sind das eben kritische Rohstoffe.

 

Und die haben sie jetzt in Norwegen gefunden?

Norge Mining hat auf einem Gebiet von 420 Quadratkilometer Lizenzen erworben, das ist etwa doppelt so groß wie Paris. Wir haben sogenannte elektro-magnetische Erkundungsflüge mit dem Helikopter gemacht, mit Hilfe modernster Sonar-Technologie lässt sich das Gebiet genau eingrenzen. Wir haben dann Probebohrungen unternommen und konnten eine hohe Konzentration der Mineralstoffe im Erzgestein nicht nur in geringen Tiefen zwischen 400 und 700 Metern, sondern auch eine volle Mineralisierung bis in mindestens 2200 Meter Tiefe nachweisen. Der Norwegische Geologische Dienst und andere Orgnisationen bezeichnen unsere Ressourcen als „Weltklasse-Vorkommen“. Wir können vor Ort mindestens die nächsten 75 Jahre kritische Rohstoffe fördern, ohne dass sie zur Neige gehen. Europa und der Westen können sich durch diese Ressourcen in Norwegen zumindest von drei Rohstoffen die komplette Unabhängigkeit sichern und sind nicht länger von Drittstaaten, wie insbesondere von China abhängig.

. . . und hinterlassen eine mit Chemikalien verseuchte Kraterlandschaft, die unbewohnbar ist, mitten in den Naturschutzgebieten von Norwegen.

Auf gar keinen Fall. Wir nutzen ausschließlich erneuerbare Energien aus Wasser- und Windkraft für die Stromversorgung unseres Unternehmens. Zudem können diese Mineralien ohne chemische Zusatzstoffe komplett aus dem Erzgestein gewonnen und voneinander getrennt werden. Bei allem, was wir tun, steht Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Es wäre ja völlig irrsinnig, Rohstoffe zu fördern, die uns helfen sollen, den Klimawandel zu bekämpfen, um dann beim Abbau das Gegenteil zu machen. Ein unter allen Gesichtspunkten schonender und umweltfreundlicher Abbau ist die unbedingte Voraussetzung für uns. Wir respektieren und verschonen alle Schutzgebiete und stehen in ständiger Verbindung mit den lokalen Umweltschutzgruppen. Es ist genug Platz vorhanden und gibt überhaupt keinen Grund, diese Schutzgebiete unnötig zu zerstören.

 

Das sehen meistens nicht alle so. Was passiert mit den Menschen, die dort leben?

Wir treffen uns regelmäßig mit den Bewohnern in den Gemeinden innerhalb unseres ohnehin wenig besiedelten Lizenzgebietes. Wir stehen in engem Kontakt mit den Gemeinderäten, und mit den örtlichen Zulieferern, Grundbesitzern und dort lebenden Bauern. Diese Politik der offenen Tür für alle Anspruchsgruppen werden wir auch in Zukunft beibehalten, sowohl bei neuen Entwicklungen, als auch bei weiteren Zielsetzungen unserer Projekte. Für Landbesitzer, auf deren Gebiet wir fördern,  müssen wir 2,5 Prozent unseres Umsatzes als Ausgleich zurückstellen, was übrigens auch im Mineralgesetz Norwegens geregelt und vorgegeben ist. Das dürfte ein gutes Geschäft für alle sein.

 

Apropos, wer sind Ihre Investoren?

Wir sind vollständig privat finanziert und daher komplett unabhängig. Als norwegisch-britisch-schweizerisches Unternehmen sitzen in diesen Ländern auch viele unserer Investoren. Und in Deutschland.

 

Auch in China?

Wir sind klar auf Europa ausgerichtet. Lokale, als auch nationale Behörden in Norwegen, als auch die EU-Kommission stehen hinter uns und sichern uns Unterstützung auf allen Ebenen zu. Norwegen ging diesbezüglich bereits schon in Vorleistung und hat den geplanten Bau einer Autobahn von Dänemark nach Norwegen – ein Infrastrukturprojekt und eine Kooperation zwischen Norwegen und der EU - geographisch soweit verschoben, dass die Trasse nicht mehr über unser Gebiet läuft. Aber wir werden auch regelmässig aus China kontaktiert.

 

Ihre Vision - wann geht es wirklich los mit der Förderung?

Wir sind keine Idealisten, sondern Realisten. Das Geschäftsmodell von Norge Mining ist und bleibt am Ende das Betreiben einer Rohstoff-Mine. Bis es so weit ist, wird es noch vier, fünf Jahre dauern. Aber rechtzeitig zum großen Batterieboom sind wir auf dem Markt und setzen ganz am Anfang der Wertschöpfungskette an, um Europa souveräner, nachhaltiger und letztlich klimaneutral zu machen. Die hiesige Autoindustrie wird nicht darum herumkommen, sich mit Rohstofflieferanten wie unserem Unternehmen zu verbinden.

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