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CH: Bund verschenkt 5 Milliarden pro Jahr – für Firmen und Milliardäre – Der “Normalo” geht leer aus

DMZ –  POLITIK ¦ Urs Berger ¦                                                 

KOMMENTAR

 

Wenn wir den bürgerlichen Parteien Glauben schenken wollen, dann geht es unseren kleinen und mittleren Unternehmen finanziell so Mies, dass die bald den Löffel abgeben müssen. Ausser der Stimmbürger würde am kommenden 13. Februar die Stempelsteuer abschaffen. Nur dann, und nur dann, würden diese kleinen und mittleren Unternehmen überleben können. Ein Blick in die noch nicht lange zurückliegende Vergangenheit zeigt aber, dass gerade die bürgerlichen Parteien in der Not diese KMUs im Stich gelassen haben.

Ich könnte Alt-Bundesrat Kaspar Villiger zitieren, als er 2005 eine Interpellation eines damaligen FDP-Nationalrates beantworte, als dieser nach dem Nutzen für KMU bei der Abschaffung der Emissionen von Obligationen und Geldmarktpapieren der vergangenen 10 Jahre nachfragte. “Die KMU haben davon kaum profitiert. Es waren die Grossunternehmen und Holdings, die davon am meisten Nutzen zogen. “

 

Alt-Bundesrat Kaspar Villiger musste 2005 zugeben, dass die Steuerermässigungen nicht den KMU`s zugutekamen.

 

Braucht es noch mehr Worte? Ein FDP-ler sagt klipp und klar, die KMU profitieren von der Steuerrevision nicht, die doch als solche verkauft wurde. Diese hätte hauptsächlich die kleinen und mittleren Unternehmen entlasten sollen. Was jedoch nicht eintraf. Obwohl die Sozialdemokraten schon damals warnten. Pro Jahr gehen dem Fiskus allein mit dieser Senkung rund CHF 800 Millionen Franken flöten. Geld, dass wir für unseren Staat, und hier meine ich die AHV/IV, Arbeitslosenversicherung und die Sozialhilfe dringend, benötigen.

 

Wir verlieren mindestens CHF 5 Milliarden pro Jahr – Der Sozialstaat wird damit ausgehöhlt

Es folgten weiter Geschenke an die Adresse der grossen Firmen. In den letzten 23 Jahren paukte der bürgerlich dominierte National- und Ständerat weitere Steuer Erleichterungen durch.

 

  1. 1998 USRI: Proportionalitätstarif und Abschaffung Kapitalsteuer ca. CHF 500 Millionen pro Jahr Verlust
  2. 1998 Steuerregimes für Statusgesellschaften (Holdingprivilegien) ca. CHF 1 Milliarde Verlust pro Jahr
  3. 2001 – 2012 Stempelsteuer: Reduktion Umsatzabgabe, Erhöhung Freigrenze, Senkung Emissionsabgabe von 3% auf 1%, Befreiung ausländischer Firmen von Umsatzabgabe, Abschaffung Emissionsabgabe auf Fremdkapital ca. CHF 800 Millionen Verlust pro Jahr
  4. 2011 USRII: Kapitaleinlageprinzip und Privilegierte Dividendenbesteuerung ca CHF 1,5 – 2 Milliarden Franken Verlust pro Jahr
  5. 2013 Verrechnungssteuerbefreiung Coco-Bonds ca CHF 21 Millionen Verlust pro Jahr
  6. 2020 USR III/STAF: Senkung Unternehmensbesteuerung ca CHF 1 Milliarde Verlust pro Jahr
  7. 2021 Industriezölle: Abschaffung ca CHF 500 Millionen Verlust pro Jahr

 

Mit diesen Steuergeschenken an die Grossfirmen wie die Pharmaindustrie, den Banken Sektor und der Nahrungsmittelbranche verliert der Schweizer Staat pro Jahr CHF 5 Milliarden Franken an Steuereinnahmen. Damit können der Bund und auch die Kantone die wichtigen sozialstaatlichen Aufgaben nur noch genügend aufrechterhalten. Dies führt zu Kürzungen bei der Arbeitslosen Kasse, der AHV/IV und auch der Sozialhilfe.

 

Die Kürzung der Arbeitslosen Taggelder von 520 auf 400 Tag sind eine direkte Folge der Steuerpolitik des Bundes für Firmen

 

In den vergangenen Jahren begannen die bürgerlichen Parteien zu realisieren, dass ihre Politik der Steuergeschenke an die Grossfirmen nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. Dies würden sie indes nie öffentlich zugeben. Geschweige denn als Argument gelten lassen. Dennoch ist es traurige Tatsache.

Die Mehrheit des National- und Ständerates beklagt sich lautstark über die Milliarden Löcher in der Arbeitslosenkasse, der IV und der AHV. Auch die Hilflosenentschädigung oder die Sozialhilfe wird laufend gekürzt oder so eingefroren, dass die davon betroffenen Bürger noch gerade so über die Runden kommen.

 

Paul Rechsteiner engagiert sich nicht nur gegen die Senkung weiterer Steuern für die Firmen. (Foto: SP Schweiz)

 

Wären diese Politiker ehrlich, würden sie hinstehen und bekennen, dass sie die Schuldigen sind, dass die Sozialstaatlichen Aufgaben des Bundes Jahr für Jahr mit einem Minus abschliessen. Leider ist der Sumpf, in dem diese Politiker waten, so tief, dass sie sich mit ihren Verwaltungs- und Aufsichtsratshonoraren ihre Stimme erkaufen lassen. Denn ohne diese (Zusatz-) Einnahmen müssten die Damen und Herren merken, dass ein “Normal Verdiener” mit seinem Lohn gerade knapp über die Runden schafft. Das diese Politiker gleichzeitig noch Taggelder und Spesen plus weitere Auslagen für das politische Amt in der Höhe von ca CHF 100000.— erzielen verschweigen sie liebend gerne. Oder zeigen mit der Hand auf andere, welche noch mehr verdienen als sie.

 

Nicht nur der Sozialstaat wird ausgehöhlt – Service Public Abbau und Gebühren Erhöhung gehen zu Lasten der Bürger

 

Wie fühlen sich diese Politiker wohl, wenn sie sich am Abend ein Glas Rotwein einschenken, die Tageschau anschauen und die neusten Zahlen der Erwerbslosen, der Sozialhilfeempfänger oder der IV Rentner sehen und hören? Ich kann mir gut vorstellen, dass sie genüsslich am Rotwein nippen und denken, dass diese Menschen selber schuld seien. Der Bürger müsste sich nur mehr anstrengen, um eine Arbeit zu finden, aus der Sozialhilfe oder aus der IV Rente zurück in den Arbeitsalltag zu finden. Das diese der reine Hohn ist, dessen sind sie sich nicht bewusst.

 

Die Realität sieht jedoch düster aus. Infolge der Pandemie mussten viele Beschäftigte in Kurzarbeit, hatten nur noch 80% des Lohnes oder mussten sogar ohne Lohn auskommen. Die dringend benötigte Hilfe für kleine und mittlere Unternehmen wurden in beiden Räten durch die bürgerlichen Parteien oft verzögert oder gar nicht erst bewilligt. Oder es wurde Fundamental Opposition betrieben. So wie dies die SVP und Teile der FDP taten. Wie oft musste die Linke Rats-Minderheit für die Arbeiter, den “Büetzer” kämpfen, damit dieser wenigstens den Lohn bekommt oder die KMU überleben konnten? Gleichzeitig wird bei Staatsbetrieben wie der Swiss Millionen hohe Boni ausgeschüttet, obwohl diese vom Bund mit Milliarden unterstützt wurde.

 

Damit wir nicht noch mehr Einnahmen verlieren, erhöhen die Bürgerlichen Politiker ohne Probleme die Mehrwertsteuer, erhöhen, ohne mit der Wimper zu zucken die Abgaben auf der AHV/IV und der Arbeitslosenversicherung. Dies führt dazu, dass Bund und Kantone weitere “Gebühren” erheben, welche wir doch eigentlich bereits über Steuern und andere Abgeltungen bezahlen. Amtsaufgaben für kleinere Geschäft wie einen Grundbuchauszug, einen Strafregisterauszug oder einfach die Anmeldung an einem neuen Wohnort, werden verteuert oder zusätzlich eingeführt.

 

In die gleiche Kategorie fällt der Abbau des Service Public in kleinen Gemeinden. Poststellen werden geschlossen, Bahnschalter nicht mehr besetzt, Anbindungen an den öffentlichen Verkehr ausgedünnt und ländliche Polizeiposten geschlossen. Natürlich alles mit dem Vorwand, dass man Kosten sparen müsste. Dies alles sei viel zu teuer. Welch ein Schlag in das Gesicht der “Normalos” welche brav die Steuern zahlen und nicht von Milliarden Entlastungen der Steuern, wie dies die Reichen und Grossfirmen tun, profitieren können.

 

Der “Normalo” wird gemolken – Der Reiche wird beschenkt

 

Und was tut der Bürger? Wehren wir uns? Oder nicken wir nur ab? Oft habe ich das Gefühl, dass wenn die Thematik das liebe Geld angeht, wir uns selbst am nächsten sind. So nehmen wir die Auskunft locker hin, dass ein CEO aus der Pharma- Finanz- oder Chemiebranche Entschädigungen in Millionen Höhe erhalten. Wir nehmen es hin, empören uns kurz, um danach wieder unseren eigenen Geschäften nachzugehen. Wie erzürnen uns auch nicht, wenn der Bundesrat beschliesst, dass die Chefs von Post, Swisscom oder der SBB als Maximallohn CHF 1 Million erhalten. Ein Bundesrat indes nur “knausrige” CHF 425000.— plus Spesen. Sollte dies nicht umgekehrt sein? Seit wann arbeitet ein Bundesrat weniger als ein CEO der Staatseigenen Betrieben? Und, was mir am meisten Mühe bereitet, wieso muss ein CEO überhaupt eine Million verdienen? Kann ein Mensch so viel Wert sein? Ist sein Wert höher einzustufen als die Arbeit eines Service Desk Agenten, welcher die Wut er Kunden am Telefon ausbaden muss? Gut, zugegeben, hier sind wir im Bereich des philosophischen angelangt. Dennoch sollten wir uns diese Fragen stellen.

 

Die kleinen Bluten und die Reichen feiern – Nein zur Abschaffung der Stempelsteuer

 

Zurück zum Thema der Stempelsteuer. So viel diese Abgaben stören mögen, so nützlich sind sie. Durch diese Abgabe wird das Vermögen (noch) besteuert. Noch. Denn bereits hat der Dachverband der Wirtschaft, die Economiesuisse, angekündigt, dass sie weitere Steuervergünstigungen erwirken wollen. Ziel ist es, und dies gibt Economiesuisse und der Bundesrat in ihren verschiedenen Papieren klar zum Ausdruck, Firmen weniger oder gar nicht mehr zu belasten. Das Kapital, das Vermögen, so der Tenor aus der Wirtschaft, sei in den Firmen wichtiger als Steuern zu bezahlen. Dies bedeutet, dass der “Normalo” Bürger tiefer in die Tasche greifen muss. Beispiel gefällig?

 

Ein Sozialhilfebezüger im Kanton Aargau erhält CHF 975.— pro Monat ausbezahlt. Dazu kommt noch die Prämienverbilligung von maximal CHF 410.— und die Miete für seine Wohnung. Diese Berechnung basiert auf einem Ein-Personen-Haushalt. Davon bestreitet er die anfallenden Kosten für Strom, Nebenkosten, Kehrichtgebühren, öffentlichen Verkehr und die heute unabdingbaren Kommunikationskosten für Telefon, Fernsehen und Internet. Allein diese Ausgaben können pro Monat um die CHF 250.— bis 350.— ausmachen. Da verbleibt am Ende für das Leben in der Sozialhilfe mit zwischen CHF 550.– bis 650.— nicht viel übrig. Pro Tag kann der Hilfsbedürftige CHF 18.33 für sich beanspruchen. Daraus soll er auch (noch) Kleider, Schuhe und vielleicht eine Zeitung oder ein Buch bezahlen. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, sollte jedem klar sein.

 

Dies trifft nicht nur bei den Sozialhilfebezügern zu. Auch bei einer zweiköpfigen Familie wird ohne Zweitverdienst das Leben nicht billiger. Die Kosten sind hier noch höher als beim Ein-Personen-Haushalt welcher Sozialhilfe bezieht.

 

Was Ausgaben Einnahmen/Lohn
Miete 1500.–  
Krankenkasse 1200.–  
Versicherungen (pro Rata) 250.—  
Kleider (pro Rata) 150.–  
Schulunterlagen (pro Rata) 150.—  
Haushaltsausgaben 1500.–  
Rückstellungen für Zahnarzt/Selbstbehalte (pro Rata) 200.–  
Verpflegung Auswärts 500.–  
Bahn/Auto 200.–/ 400.—  
Bücher/Zeitungen 100.—  
Kommunikation/Internet 400.—  
Steuern (pro Rata) 500.–  
Strom/Kehricht/Wasser (pro Rata) 150.–  
Lohn   6500.–
Total CHF 6650.— CHF 6500.–
+/- pro Monat – CHF 150–  

 

Es braucht keine Finanzgenies, um zu sehen, dass die Belastung für eine Familie ohne einen Zweitverdienst heutzutage nicht zu stemmen ist. Das diese Politik der Belastung der “Normalo” Bürger irgendeinmal nicht mehr funktioniert, muss niemanden verwundern.

 

Die bürgerlichen Parteien lassen den Respekt vor dem Bürger missen. Weitere Vorlagen warten bereits, um die Firmen weiter zu entlasten.

 

Doch der Schweizer Bürger nimmt lieber in Kauf, dass er sich verschuldet oder den berühmten Gürtel noch enger schnallt. Und macht dazu die Faust im Sack. Wann, so frage ich mich, erwacht der Bürger und zieht hier die Notbremse, dass seine Belastung nicht noch höher ausfallen soll? Jetzt haben wir die Chance diese verfehlte Politik der bürgerlichen Parteien zu korrigieren und die Stempelsteuer Vorlage zu versenken. Es geht am Ende um das Geld, das wir Ende Monat noch zur Verfügung haben. Im Moment gelingt dies wohl den wenigsten Familien. Sagen wir Nein zu dieser Unsinnigen und kostspieligen Vorlage. Nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kinder und deren Nachkommen. Wir werden gemolken und die “Reichen” lässt man genüsslich an ihrem Champagner schlürfen. Das ist eines Sozialstaates, wie dies die Schweiz so gerne sein möchte, unwürdig.

 

 

 

Originalpublikation: https://www.linke-politik.ch/bund-verschenkt-5-milliarden-pro-jahr-fuer-firmen-und-milliardaere-der-normalo-geht-leer-aus/1687/?fbclid=IwAR3d-LdEcFvlGLJRNqg9niBIPFo9EbyMLVE4zbFpT4zj0lY0z-SmeYlKQSM

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