AT: Nationaler Bildungsbericht: Digitalisierung in Schulen am Vormarsch

Drohender Lehrkräftemangel in den nächsten zehn Jahren
Drohender Lehrkräftemangel in den nächsten zehn Jahren

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                               Drohender Lehrkräftemangel in den nächsten zehn Jahren    

 

Wien (PK) – Nicht zuletzt wegen der COVID-19-Pandemie erfuhr die Digitalisierung im Bildungsbereich in den letzten zwei Jahren einen Bedeutungsschub. Informationstechnologien zur Unterstützung des Lernens seien nicht mehr aus dem Schulalltag wegzudenken, heißt es im aktuellen Nationalen Bildungsbericht (III-527). Dementsprechend verfügen mittlerweile sämtlichen Bundesschulen über drahtlose Internetverbindungen (WLAN) und auch an Mittel- und Volksschulen schreitet der WLAN-Ausbau voran. Ungeachtet dessen benötigt Österreich mehr Lehrkräfte: während die Zahl schulpflichtiger Kinder in den nächsten zehn Jahren um über 5% steigen wird, erreicht ein großer Teil der PflichtschullehrerInnen dann das Pensionsalter.

 

Aufbau digitaler Kompetenzen erforderlich

Im Zuge der COVID-19-Pandemie, die an den Schulen ab März 2020 immer wieder mit Aussetzen des Präsenzunterrichts einherging, mussten LehrerInnen und SchülerInnen sich in kurzer Zeit an das Distance-Learning gewöhnen. Vielerorts war man schlecht auf die Digitalisierung vorbereitet, stellen BildungswissenschafterInnen in ihrem eigens dazu verfassten Beitrag zum Nationalen Bildungsbericht fest. Bei der anstehenden Überarbeitung der Curricula der Primarstufe sei daher ein Aufbau der digitalen Kompetenzen zu berücksichtigen. In der Sekundarstufe II müssen zudem bei der Unterrichtsgestaltung die unterschiedliche Vorbildung der SchülerInnen sowie deren heterogene Geräteausstattung beachtet werden.

Bei den mittleren und höheren Bundesschulen gibt es immerhin bereits zahlreiche Standorte mit IT-Schwerpunkten, wird im Bericht dargestellt. So führten 2020 14% dieser Schulen Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) als besondere Querschnittsmaterie, 21 % hatten Notebookklassen und 36 % einen schulautonomen IKT-Gegenstand.

 

Über die generelle Ausstattung der Schulen mit IT-Infrastruktur zeichnet der Bericht ein positives Bild: Exklusive der Volksschulen verfügten 2020 mehr als die Hälfte der Standorte über WLAN in allen Unterrichts- und Aufenthaltsräumen. An den Bundesschulen sei ein Internetzugang für SchülerInnen mittlerweile selbstverständlich, so die AutorInnen des Bildungsberichts, Mittelschulen (84% im Jahr 2020) und Volksschulen (74% im Jahr 2020) zögen nach. Allerdings zeigt sich laut Bericht beim Ausbau der schulischen Basis-IT-Infrastruktur das Problem der unterschiedlichen Schulerhalter. Das Bildungsministerium könne nur Mittel für die Bundesschulen zu Verfügung stellen, die Ausstattung der Pflichtschulen hänge von den Investitionen der jeweiligen Schulgemeinde ab.

 

Zuwachs an PflichtschülerInnen

Die Bevölkerungsprognose der Statistik Austria ziehen die AutorInnen des Bildungsberichts heran, um auf die Herausforderungen für das Schulwesen aufgrund der demografischen Entwicklung hinzuweisen. Demnach wird die Anzahl der SchülerInnen im schulpflichtigen Alter bis 2030 österreichweit deutlich steigen (+5 % im Alter 6–9 Jahre und +7 % im Alter 10–14 Jahre) und sich bis 2050 auf einem gegenüber 2019 erhöhten Niveau stabilisieren. Da derzeit etwa ein Viertel der VolksschullehrerInnen und etwa ein Drittel der MittelschullehrerInnen 55 Jahre oder älter sind, drohe langfristig ein Lehrermangel in Österreich, warnen die AutorInnen im Bericht, wenn nicht ausreichend Lehrernachwuchs rekrutiert werde.

Einen zeitversetzten Anstieg der Klassenschülerzahl sagt die Prognose in der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen voraus; hier werde der Höhepunkt 2040 erreicht. Hinsichtlich der Bundesländerverteilung wird der stärkste Anstieg Schulpflichtiger in Wien erwartet, während für Kärnten sogar ein Rückgang der Anzahl der 6- bis 14-Jährigen prognostiziert wird.

 

Soziale Prägung der Bildungslaufbahn

Die demografische Entwicklung Österreichs sei maßgeblich von Ab- und Zuwanderung bestimmt, heißt es im Bildungsbericht, wobei für 2019 ein positiver Wanderungssaldo ausgewiesen wird. Durch den vermehrten Zuzug nach Österreich hat sich in der Primarstufe der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund und einer anderen Alltagssprache als Deutsch vor allem seit der EU-Osterweiterung 2004 deutlich gesteigert. Bundesweit hat den Erhebungen zufolge fast jedes vierte Volksschulkind, in Wien jedes zweite Volksschulkind Deutsch nicht als Erstsprache. Kombiniert mit niedrigerem Berufsstatus und geringerer formaler Bildung der Eltern, würden SchülerInnen mit Migrationshintergrund weniger häufig einen höheren Bildungsabschluss erreichen, so der Bericht. Vor allem die Trennung der Schülerschaft in Mittelschulen und AHS-Unterstufen befördere die zwischenschulische Segregation von Schülerinnen und Schülern ohne deutsche Erstsprache. Auch bei vergleichbarem Kompetenzstand gelangen SchülerInnen aus nicht deutschsprachigen Elternhäusern beziehungsweise mit Eltern ohne Matura vor allem in Wien weniger häufig in die AHS-Unterstufe als Gleichaltrige mit deutscher Muttersprache.

 

Leistungsmessungen machen soziale Unterschiede sichtbar

Bei Leistungsmessungen in Mathematik (4. Schulstufe) 2018 und Englisch (8. Schulstufe) 2019 zeigte sich, dass in der leistungsschwachen Schülerschaft übermäßig viele Kinder aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien vertreten sind. Bei der Kompetenzmessung Mathematik am Ende der Volksschule erreichten Kinder, deren Eltern maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen, im Durchschnitt 84 Punkte weniger als jene, deren Eltern eine Matura haben. Diese Differenz erhöhte sich nochmals um 35 Punkte, wenn man die Erstgenannten mit Kindern aus einem Akademikerhaushalt verglich. Außerdem schnitten Kinder ohne Migrationshintergrund bzw. mit deutscher Erstsprache um mehr als 60 Punkte besser ab als ihre MitschülerInnen mit Migrationshintergrund bzw. mit einer anderen Erstsprache als Deutsch.

Trotz der weiterhin bestehenden sozialen Selektivität im heimischen Bildungswesen verbesserten sich die österreichischen SchülerInnen insgesamt bei den internationalen Bildungsstandardüberprüfungen 2018 und 2019 in den Fächern Mathematik und Englisch. Schlechtere Ergebnisse als im Vergleichsjahr 2011 ergab die Überprüfung der ViertklässlerInnen 2019 bei den Naturwissenschaften.

 

Förderunterricht in der Nachmittagsbetreuung

Zur Abfederung sozialer Risiken für den Lernerfolg brauchen die Schulstandorte Förderkonzepte, die ihren regionalen Bedingungen Rechnung tragen, sind die Mitglieder des Bundesinstituts für Qualitätssicherung im Schulwesen (IQS) überzeugt. Sie haben gemeinsam mit VertreterInnen aus Bildungsministerium und dem Institut für Höhere Studien (IHS) jenen Teil des Nationalen Bildungsberichts verfasst, der auf Grundlage von statistischen Analysen die Situation des Bildungswesens in seinem gesellschaftlichen Umfeld widerspiegelt.

 

Ganztägige Schul- und Betreuungsformen werden bereits zur bedarfsgerechten Förderung von SchülerInnen genutzt. An drei Viertel der heimischen Ganztagsschulen werden die SchülerInnen bei der Nachmittagsbetreuung im Rahmen von gegenstandsbezogener Lernzeit (GLZ) in verschiedenen Fachbereichen gefördert und unterstützt. Die Betreuungsform der individuellen Lernzeit (ILZ) zur eigenständigen Vertiefung des Gelernten wird an ganztägigen Schulformen dagegen kaum herangezogen. Laut Bericht besuchten im Schuljahr 2019/20 23,7% der PflichtschülerInnen zumindest einmal wöchentlich die schulische Nachmittagsbetreuung, in Wien waren es sogar fast 40%.  

 

Im Bericht wird zudem auf das Förderpaket des Bildungsressorts verwiesen, das zum Nachholen von pandemiebedingten Lernrückständen installiert wurde und mit dem bis Februar 2022 bis zu rund 3 Millionen (Einzel)-Förderstunden finanziert werden. 10 % der Fördermittel kämen speziell außerordentlichen SchülerInnen zugute und gingen zweckgewidmet an Standorte, die etwa einen erhöhten Sprachförderbedarf (Deutschförderklassen) oder besondere sozioökonomische Herausforderungen aufweisen. Weiters nennt der Bericht die 2020 etablierte Sommerschule in den letzten beiden Ferienwochen als probates Mittel zur Leistungsverbesserung.

 

Bildungsausgaben im europäischen Schnitt

Knapp mehr als 20 Mrd. € gab Österreich 2019 insgesamt für die Bildung aus, um 39% mehr als 2000. Im Verhältnis zu den gesamten Staatsausgaben stieg der Anteil der Bildungsausgaben seit Beginn dieses Jahrtausends von 10,3 % auf 11,1 % (2019). Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hält der Anteil der Bildungsausgaben konstant bei 5,4 %, womit Österreich dem Bericht zufolge im europäischen Durchschnitt liegt.

 

Als ausgabenintensivste Schultypen stechen die Mittelschulen sowie kleine Volksschulen hervor, da hier niedrige Klassenschülerzahlen höhere Pro-Kopf-Kosten verursachen. Den größten Ausgabeposten machen zwar die Lehrergehälter aus, diese liegen jedoch unter dem Gehaltsdurchschnitt aller HochschulabsolventInnen, wird im Bericht aufgezeigt.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

Ausflugstipps

In unregelmässigen Abständen präsentieren die Macherinnen und Macher der DMZ ihre ganz persönlichen Auflugsstipps. 

Unterstützung

Damit wir unabhängig bleiben, Partei für Vergessene ergreifen und für soziale Gerechtigkeit kämpfen können, brauchen wir Sie.

Rezepte

Wir präsentieren wichtige Tipps und tolle Rezepte. Lassen Sie sich von unseren leckeren Rezepten zum Nachkochen inspirieren.

Persönlich - Interviews

"Persönlich - die anderen Fragen" so heisst die Rubrik mit den spannendsten Interviews mit Künstlerinnen und Künstlern.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0