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Covid-19: Die weiteren Entscheidungen sind sehr schwierig – jede Richtung sollte gut begründet werden

DMZ –  WISSENSCHAFT ¦ Dirk Specht ¦                           

KOMMENTAR  

 

Da Omicron vielleicht mit den Ausnahmen Israel und Dänemark nahezu überall die Testkapazitäten in die Knie zwingt, sind die Zahlen der Neuinfektionen nur mit Vorsicht zu bewerten. Allenfalls kann man davon ausgehen, dass sie den jeweiligen Trend richtig wieder geben.

 

Wirklich verlässlich, aber leider sehr stark verzögert ist nur der Blick auf die Sterbezahlen, die bei Omicron mit einer noch höheren Latenz als bei den bisherigen Wellen auftreten. Das Chart anbei vergleicht diese Kurven bewusst in der starken Glättung über 14 Tage, so dass es eine sehr träge und langfristige Betrachtung ist.

 

Wir können erkennen, dass vermutlich nur in UK so etwas wie ein Plateau auf einem höheren Niveau entstanden ist. Dies könnte meine These bestätigen, dass Omicron nach dem Peak nicht beliebig weit fällt, sondern eher regional oszilliert. Außerhalb von UK ist so ein Muster leider noch nicht erkennbar, hier steigen die in dieser Weise geglätteten Sterbezahlen in den Ländern mit “älteren” Omicron-Wellen weiter an.

Das Niveau ist jedoch sehr unterschiedlich und das ist der alles entscheidende Punkt: Während wir in den USA und in Israel leider alte Höchststände sehen, bleibt das in den übrigen Ländern weit darunter. Das passt zu den Impfquoten in diesem Vergleich.

 

Interessant ist die Entwicklung in Österreich, der Schweiz und Deutschland. In diese Ländern hat die Omicron-Welle später begonnen, so dass wir derzeit nur spekulieren können, welches dieser globalen Muster hier wohl zu erwarten ist.

 

In Österreich ist diese langfristige Kurve bereits in einem Wiederanstieg, in der Schweiz und in Deutschland noch nicht. Der Unterschied ist jedoch zu gering, um daraus allzu viel zu schließen.

Bisher kann man insbesondere Deutschland und der Schweiz jedoch attestieren, dass die Verlangsamung selbst von Omicron ganz gut funktioniert hat. Nun wird interessanter Weise in allen Ländern schon während der gesamten Pandemie jeder Erfolg einer Strategie gerne als Argument genutzt, sie fallen zu lassen. Diese merkwürdige Logik, dass ausbleibende Schäden ein Indiz für nicht mehr notwendige Maßnahmen sind, setzt also erneut ein.

 

Kriterien sowohl für die Einführung als auch für den Verzicht von Maßnahmen können natürlich nur Notwendigkeit und Angemessenheit sein. Diese Beurteilung wird immer schwieriger!

Gerne erfolgen Verweise auf UK und Dänemark, während die USA und Israel ausgeblendet werden. Dabei dürften mit Blick auf Altersstrukturen, Impfquoten und Impfverteilung in den Altersgruppen die Folgen von Omicron im DACH-Bereich eher zwischen den Ländern mit starker Entkopplung von Infektionen und klinischen Folgen sowie denen, die neue Höchstbelastungen erfahren, liegen.

 

Leider werden vor allem in Deutschland allenfalls Medizinhistoriker irgendwann die aktuellen klinischen Folgen der Infektionen feststellen. Da wir nicht mal die Belastung der Krankenhäuser zeitnah und präzise kennen, ist die Bewertung hier besonders schwer. Der deutsche Gesundheitsminister verweist zurecht auf die Erfolge bei der (relativen) Verzögerung von Omicron und sein Argument, vor einem erkennbaren Rückgang der Zahlen gebe es keinen Grund, diesen Erfolg zu gefährden, ist nachvollziehbar. Schade, dass er keine besseren Zahlen zur Verfügung hat, seine Expertenkommission hatte es gerügt, danach hörte man nichts mehr zu dem Thema.

 

In der Schweiz geht man nun einen anderen Weg, Österreich scheint dem zu folgen. Hier werden Maßnahmen zurück genommen. Diese sehr langfristigen Daten werden zeigen, wer Recht hat.

Das Problem: Anhand dieser Daten kann nicht entschieden werden. Diese Charts zeigen leider nur, was vor vier bis sechs Wochen richtig oder falsch gelaufen ist. Insbesondere im DACH-Bereich werden wir vor Mitte März nicht wissen, welche klinischen Folgen Omicron unter den jeweiligen Bedingungen tatsächlich verursacht. Österreich und die Schweiz ändern diese Bedingungen gerade, Deutschland tut dies noch nicht.

Es ist ein wenig Kindergartengehabe, jeweils auf andere Länder zu zeigen und für das eigene dasselbe zu fordern. Gerade dieses Chart zeigt, dass wir wegen der unterschiedlichen Immunität in den Populationen nicht so einfach voneinander abschreiben können.

 

Es ist also richtig, die Entscheidungen sehr sorgfältig zu prüfen und zu begründen – und ebenso falsch ist es, mit simplen Narrativen daher zu kommen. Man kann die Verantwortlichen derzeit nicht beneiden. Umso verwerflicher sind die vielen populistischen Forderungen, die entweder (dumm) darauf hinweisen, es passiere doch nichts oder (kindisch), es gehe doch woanders auch.

 

Wir sollten als Gesellschaft endlich eines fordern und unter uns ebenso handhaben: Wer etwas fordert, sollte es sehr gut begründen. Es hat sich die perfide Diskussionskultur etabliert, das von der jeweils anderen Seite zu verlangen. Das führt nicht zu guten Entscheidungen, sondern nur zu schlechtem Diskurs.

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