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Pandemie längst nicht vorbei - Antikörper heisst nicht Immunität

DMZ –  WISSENSCHAFT ¦ Sarah Koller ¦                          

KOMMENTAR

 

„Die Omikron-Variante verursacht weniger starke Symptome als die bisherigen. Die Corona-Pandemie ist vorüber. Auch ohne Impfung bilden Menschen Antikörper gegen das Virus“, solche Aussagen liest und hört man immer wieder, obschon das alles seit Langem widerlegt wurde. Nun fragen gewisse Blätter sogar schon, ob eine Impfung jetzt noch nötig sei. Bemüht man sich um Fakten, stellt man (leider) fest, dass es aktuell so schlimm steht, wie kaum vorher in der Pandemie. Auch „Vorzeigeländer“ haben massive Probleme. In Dänemark und Norwegen z.B. steigen die Hospitalisationen und Todesfälle immer noch (seit Aufhebung der Massnahmen). Auch in Österreich steigen die Hospitalisationen, #BA2 ist in Wien bereits dominant. In der Schweiz wird vielerorts BA2 als bereits dominant gemeldet. Wer meint, die Pandemie sei vorbei, irrt gewaltig. Eine Eindämmung ist nur mit entsprechenden Massnahmen denkbar, eine Maskenpflicht das Minimum.

 

Die Mär der raschen Immunität

Forschende aus Baltimore in den USA veröffentlichen ihre neuen Erkenntnisse. Sie konnten bei ungeimpften Genesenen noch 20 Monate nach einer Infektion Antikörper finden. Aber diese Tatsache bedeutet entgegen aller anderen Fehlannahmen nicht, dass man immun ist. Antikörper alleine bedeuten keinen wirksamen Schutz vor einer Infektion, auch wenn sie zahlreich im Körper vorzufinden sind. Die Wissenschaft kennt das Problem schon lange. Leider werden Aussagen der Wissenschaft gerne falsch verstanden oder missgedeutet. Die Johns Hopkins Universität in Baltimore macht deshalb auch explizit die Zusatzbemerkung, quasi präventiv, dass „Antikörperspiegel allein nicht direkt mit der Immunität gleichzusetzen sind“.

 

Antikörper gegen Corona durch Infektion: Probleme der Strategie

Man kann also von den Antikörpern nicht auf die Immunität von ungeimpften Genesenen schliessen. Denn es hängt sowohl von der Variante und der Menge an Virus ab als auch vom Verlauf. Leichte Verläufe haben oft auch eine geringere Immunantwort zur Folge.

 

Bei einer Impfung gibt es eine viel bessere Kontrolle über diese Aspekte. Natürlich kann man weiterhin auch ohne Impfungen versuchen eine Bevölkerungsimmunität aufzubauen. Die Frage ist nur, was das kostet – in Form von Todesfällen“, sagt z.B. auch Christian Drosten gegenüber dem Deutschlandfunk. Ein solcher Prozess würde mehrere Jahre dauern, denn eine Infektion mit einer Variante reicht nicht aus. Deshalb ist es unwissenschaftlich aktuell davon auszugehen, dass man eine Immunität in der Bevölkerung in kurzer Zeit erreichen kann, nur weil man alle durchseucht. Im Prinzip müsse man nämlich mit jeder Virus-Variante jeweils eine ausgeprägte Infektion durchmachen, um irgendwann einen ausreichenden Schutz vor allen Varianten aufzubauen. Mit einer Impfung geht das eben sehr viel schneller. Statt alle Massnahmen aufzuheben, wäre z.B. eine Impflicht ein weg zur Grundimmunität gewesen, ohne dass man x Todesopfer in Kauf nehmen muss.

 

Eine Ansteckung schädigt das Immunsystem

Ausserdem gibt es noch ein ganz anderes Problem bei dieser Strategie. „Im Gegensatz zu einer Impfung, bei der dieser Effekt ausgeklammert ist, schädigen ganz viele Infektionserkrankungen zunächst einmal das Immunsystem, statt es zu trainieren“, erklärt Drosten weiter. Denn auch wenn das Immunsystem bei einer Infektion reagiert, das Virus schädigt es dabei. Das könne auch Auswirkungen auf die Abwehr von anderen Krankheiten haben. Nach einer Impfung sei das nicht zu erwarten, da der Körper hierbei nicht mit dem ganzen Virus in Kontakt komme, sondern nur mit dessen viel zitiertem Spike-Protein, so der Virologe.

 

Preis der Durchseuchung am Beispiel der USA - Seit Monaten 1000 Tote jeden Tag

Darüber hinaus können wir uns in Europa nicht auf die Meldung vermeintlich seltener Todesfälle durch die Omikron-Variante verlassen. Auch die deutsche, österreichische und Schweizer Bevölkerung ist im internationalen Vergleich eher alt. Der Blick auf die USA zeigt also, wie es einem Industrieland ohne genügenden Impfschutz ergehen kann. Prof. Drosten nennt die Fakten für die USA: „Wir haben jetzt seit Monaten 1000 Tote am Tag. Und man fragt sich, wie lange das eigentlich noch so weitergehen soll.“

Experten warnen davor, das Coronavirus einfach machen zu lassen. „Das Risiko bei einer "Durchseuchung" ist viel zu hoch“

 

Dringt denn noch zu uns durch, was diese Zahl bedeutet? Im Vergleich mit einer Tragödie aus der Vergangenheit können wir das prüfen: Beim Terroranschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 kamen auf einen Schlag über 2500 US-Bürger ums Leben. Der Welt stockte der Atem. Die Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus seit Dezember 2019 belaufen sich in den USA mittlerweile auf 908.000 (New York Times, Stand 08.02.2022). Stockt uns bei dieser Zahl auch noch der Atem? In Deutschland sind es rund 123.000 Todesfälle. In der Schweiz über 13'000 und in Österreich bereits fast 15'000.

 

Und was leiten wir daraus für uns ab? Durchseuchung durch natürliche Infektion funktioniert so nicht.

Der Preis dafür sind Menschenleben – sehr viele Menschenleben

Die Pandemie ist kein Schlag, sie ist ein Marathon. Ihr Ausmass als Naturkatastrophe macht das schwer greifbar. Vielleicht hilft es, sich vorzustellen, all diese Menschen wären ebenfalls auf einen Schlag gestorben. Die Pandemie ist eine weltweite Katastrophe. Auch wenn wir dieser Tatsache langsam müde sind, vergessen sollten man sie nicht. Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Es wird Zeit, dass man sich dessen wieder bewusst wird und zurückkehrt zur Realität und Vernunft.

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