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DE: Deutsches Kompetenzwirrwarr spielt Oligarchen in die Hände

DMZ –  Reinhard Schlieker / WirtschaftsKurier            

 

Während beispielsweise in Italien und Frankreich rigoros gegen Oligarchen, die auf der Sanktionsliste der EU stehen durchgegriffen wird, tut sich Deutschland schwer. Wieviel Vermögen eingefroren wurde, weiß keiner. Vielleicht ist auch noch gar nichts passiert.

 

Italien ist derzeit kein sicherer Hafen für Milliardäre russischer Herkunft. Das erfuhr unlängst der russische Stahltycoon Alexej Mordaschow, dessen Superjacht „Lady M“ so bald nicht mehr auslaufen wird. In Deutschland wäre ihm das womöglich nicht passiert. Denn während anderswo mit Sonderermittlern durchgegriffen wird, herrscht hierzulande bei der Sanktionierung der Oligarchen Kompetenzwirrwarr.

 

Die italienische Justizbehörde dagegen ist bei der „Lady M“ nun Kapitän und Steuermann zugleich. Regierungschef Mario Draghi hat eine eigene Task Force gebildet, die die Sanktionen durchsetzen soll. Knapp 500 Kilometer Luftlinie Richtung Westen, im malerischen La Ciotat in der Provence, griff derweil die französische Staatsmacht zu. Igor Setschin, Großaktionär des Ölkonzerns Rosneft und bis vor kurzem damit auch Partner der britischen BP, kann den Helikopter auf dem Deck seiner Luxusjacht nicht mehr landen. Und in der Schweiz, dem Land, wo sich die Tresore der Reichen befinden, standen in der vergangenen Woche, eilig im Privatjet gelandete Oligarchen in Zürich und Genf vor verschlossenen Bankschließfächern. Regierungen, wie die eidgenössische, aber auch die italienische und französische, beschlagnahmen im Zuge der Sanktionen kurzerhand die Lieblingsspielzeuge der „Oligarchen“, jener kleinen Zahl mächtiger Russen, die zumeist durch lukrative Geschäfte mit dem russischen Staat und seinen Unternehmen reich geworden sind – rund 35 Milliardäre sollen es sein, die als Günstlinge des heutigen Machthabers Wladimir Putin die Geschicke ganzer Wirtschaftszweige bestimmen. Als Nutznießer und Stützen des russischen Staatswesens sind einige von ihnen auf einer Sanktionsliste der Europäischen Union zu finden. Damit darf ihr Eigentum dort beschlagnahmt, eingefroren oder in seiner Nutzung beschränkt werden.

 

Die meisten EU-Staaten beeilten sich, ihre neuen Möglichkeiten zu nutzen. Villen in der Toskana oder in Frankreichs Süden, Konten in Luxemburg oder Privatflugzeuge auf westeuropäischen Airports wurden verplombt und stillgelegt. Aus Deutschland hingegen ist in dieser Hinsicht vor allem Verwirrendes zu hören. Während vor Tagen kurzzeitig schon die Beschlagnahme der Oligarchen-Jacht „Dilbar“ aus Hamburg gemeldet wurde, die dem russischen Putin-Gönner Alischer Usmanow zugeschrieben wird, gab es nun dazu wieder Dementis. Die Zollbehörde tut sich offenbar schwer damit, hinter der auf Malta eingetragenen Eigner-Holding den russischen Milliardär zweifelsfrei zu identifizieren.

Und sein Übriges tut der deutsche Föderalismus nebst völlig normalem Wirrwarr der Zuständigkeiten. Das Internetportal „Business Insider“ hat sich ins Dickicht der Bürokratie begeben und dabei festgestellt, dass keine Behörde so recht weiß, was sie tun sollte, und wann, und noch weniger, wer denn dann sonst. Das Bundeswirtschaftsministerium ist nach Aussage einiger Landesbehörden federführend in der Sanktionsausübung, sieht das selbst aber offenbar nicht so. Zuständig seien hingegen Zoll, Polizei und die Staatsanwaltschaften in den Ländern. Da gibt es wohl noch Beratungsbedarf.

 

Etwas übersichtlicher sollte die Sperrung von einschlägigen Bankkonten sei: Das erledigen die Banken selbst und informieren die Deutsche Bundesbank in Frankfurt über die Maßnahmen. Aber auch da regelt sich offenbar nicht alles von allein. Welcher Ablauf nötig ist, liest sich auf der Website der Bundesbank seit Anfang dieser Woche so: „Das insoweit in Deutschland zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erlässt in diesen Fällen im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium der Finanzen sowie im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank beschränkende Eilmaßnahmen.“ Damit sind bereits vier Institutionen genannt, die sich einigen müssen.

 

Entsprechend schmallippig regiert die Bundesregierung auf die Frage, ob in Deutschland bereits Vermögenswerte eingefroren oder beschlagnahmt wurden: Es gibt keine Auskunft. Das immer wieder als erstes genannte von Robert Habeck (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium teilt auf Anfrage mit: In der Bundesregierung, in den Ländern und den zuständigen Vollzugs- und Ermittlungsbehörden gebe es „etablierte Strukturen und Prozesse". Diese würden jetzt „zügig auf eine effektive und effiziente Umsetzung der Russland-Sanktionen ausgerichtet."

 

Bei Grundbesitz ist die Sachlage noch komplizierter. Dem im Erzgeschäft mit seiner „Metalloinvest“ reich und zeitweise mit „Gazprom“ bekannt gewordenen Usbeken Alisher Usmanow gehören offenbar über eine anonyme Holding mehrere Luxusvillen in Rottach-Egern am Tegernsee. Die können immerhin nicht einfach in See stechen und sind von daher auch im gemächlichen deutschen Behördentempo noch dingfest zu machen, wenn es denn so weit ist. Die „private Nutzung“ allerdings lässt sich nicht verbieten.

 

Immerhin sind, was auch das Verdienst einiger Putin-unfreundlicher Hacker sein dürfte, die Aufenthaltsorte vieler Jachten und Privatflugzeuge bekannt. Durch die Hacker-Wühlarbeit konnte man auch erfahren, dass die offensichtlich dem Kriegsherrn Putin selbst gehörende Jacht „Graceful“ sehr rechtzeitig die Hamburger Docks von Blohm & Voss verließ, am 7. Februar nämlich, obwohl die fälligen Reparaturarbeiten an dem 80-Meter-Schiff noch andauerten. Sie fuhr unbeanstandet nach Kaliningrad, dem früheren Königsberg, und schaukelt somit in russischen Gewässern. Westliche Geheimdienste dürften künftig plötzliche Schiffsbewegungen bei Magnaten und Mafiosi in die Liste ihrer Warnsignale aufnehmen.

 

Einige der Superjachten haben sich noch rechtzeitig aufgemacht aus den westlichen Häfen des Missvergnügens und sammeln sich derzeit auf den Malediven. Im Indischen Ozean fühlen sich die Neureichen wohl geschützt vor dem Zugriff europäischer Autoritäten im Jachtfieber – und vor Putin selbst. Denn der Kremlherrscher schottet sich zusehends auch von jenen ab, die bisher als seine Günstlinge schalten und walten konnten. Am meterlangen Tisch des Herrn ist inzwischen allenfalls noch am Fußende Platz für Oligarchen – wenn überhaupt. Die mehr oder weniger offene Hoffnung des Westens, die gebeutelten Milliardäre als unfreiwilliges Korrektiv zum schwer berechenbaren Kriegsfürsten nutzen zu können, dürfte sich als Chimäre erweisen. Nur überaus leise Kritik hört man von einigen wenigen am Ukraine-Überfall. Schließlich blüht das sibirische Straflager längst auch den Reichen, die sich so lange im Glanz der Macht sonnen konnten wie am Pool ihrer Luxusschiffe.

 

 

 

 

Herausgeber: WirtschaftsKurier

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