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CH: "Studie", die der Schweiz Top-Zeugnis in der Pandemie ausstellt, sorgt für Unmut

DMZ –  POLITIK / WISSENSCHAFT ¦ Sarah Koller ¦       

KOMMENTAR

 

Der "Blick" hat mit einem Ökonomen der HSG die Pandemie-Politik von 45 Ländern ausgewertet und kommt zum Schluss, dass entgegen der landläufigen Meinung, dass die Schweiz vor und während der gesamten Pandemie total versagt hat, die Schweiz sei super durch die Pandemie gekommen. Natürlich ist dies bei näherer Betrachtung falsch. Aber der Schaden ist angerichtet. Wie bildungsresistent viele Leserinnen und Leser auch dieser „Studie“ sind, zeigen die Kommentare unter dem erschienenen Artikel. Vorwiegend natürlich Schwurblerkommentare von Coronaleugnern, die sich durch den Inhalt bestätigt sehen. Allerdings ist es immer auch nötig, um etwas zu verstehen, dass man eine Studie auch deuten kann – was offensichtlich sehr vielen Menschen verwehrt bleibt, auch nach zwei Jahren der Weiterbildungsmöglichkeiten.

 

Indikatoren der Auswertung

Gemäss eigenen Angaben der Macherinnen und Macher der „Studie“ basiert das Ranking auf den fünf Indikatoren Übersterblichkeit, Einschränkungen, Wirtschaftswachstum, Fiskalpolitik, Inflation. Auch wurde ein Blick-Ranking (global) basierend auf dem Durchschnittswert der Rankings in den einzelnen Kategorien berücksichtigt. Aufgrund dieser Indikatoren kommen die Urheber zum Schluss, dass die Rechnung für die Schweiz aufgeht. „Berücksichtigt man statt Fall- und Todeszahlen die Übersterblichkeit, die Einschränkung von Freiheitsrechten und die Auswirkung von Massnahmen auf die Wirtschaft, schneidet die Schweiz zwei Jahre nach dem ersten Covid-19-Fall hervorragend ab.“ Das zeige diese neue Datenanalyse.

 

Die Analyse zeigt sehr vieles, aber nicht das, was sie gerne zeigen möchte. Zum einen zeigt sie schonungslos auf, dass Wirtschaft doppelt so stark gewichtet wird als Gesundheit. Ein Werteverfall und fragwürdige Operationalisierung einer Schweizer Hochschule. Die Beweggründe scheinen zumindest andere zu sein, als die „Rolle“ der Schweiz zu bewerten. Auch gehen die Urheber der „Studie“ davon aus, dass die Pandemie zu Ende ist „Abgerechnet wird am Schluss". Dass dem nicht so ist, zeigen die explodierenden Zahlen (Fallzahlen, Sterbezahlen, Hospitalisierungen...) weltweit.

 

Wenn schon, dürfte man bestenfalls von einem vorübergehenden Zwischenergebnis ausgehen. Nicht aber von einem Rückblick auf eine beendete Pandemie. Wer ist Urheber. Genannt wird die HSG (Universität St.Gallen), die in den letzten Zeit immer wieder für Skandale (20Min schreibt über die Aussagen von Professorinnen: Richard Kohler von Swissfaculty betrachtet das Verhalten der Dozierenden als unprofessionell, Zita Küng, Geschäftsführerin der feministischen Fakultät, kritisiert die beiden Professorinnen scharf und wirft ihnen sexistisches Verhalten vor.) im eigenen Haus gesorgt hat und die durch „Studien“ aufgefallen ist, die nicht wirklich professionell gemacht wurden. Es ist auch nicht das erste Mal, dass die HSG in Kritik gerät wegen dem Umgang mit Spesenaffären. Die HSG stand auch immer wieder wegen Nebentätigkeiten ihres Rektors und Professoren immer wieder in der Kritik.

 

Die aktuelle Auswertung stammt von Stefan Legge, Makroökonom und Dozent an der Uni St. Gallen. Dass dabei die wirtschaftlichen Standpunkte wichtig sind, steht ausser Frage. Legge, der seit Monaten ähnliche Tweets und Posts verfasst, die in die selbe Richtung gehen, wie die der aktuellen „Auswertung“, wird auch gerne von der „Weltwoche“ zitiert. Wohl vor allem aus diesem Grund und weil solche Aussagen, vor allem den Coronaleugnern und Verschwörungstheoretikern in die Karten spielen. Legge, Mitglied des The World Economic Forum (weforum.org), ist Wirtschaftsexperte, kein Pandemie- oder Politikexperte. Das macht im Ansatz den Unterschied. So ist auch bei dieser aktuellen Arbeit die Wertung eine Frage, welche Kriterien man wie gewichtet. Und da hat jeder oft eine unterschiedliche Meinung. Bei einer Gesundheitskrise zur Hälfte Indikatoren zu wählen, welche unmittelbar die Perspektive der Wirtschaft einnehmen und einen weiteren, der in dieser Optik ebenfalls von hohem Gewicht ist, ist sicher die falsche Herangehensweise und führt unweigerlich zum vorliegenden „falschen“ Bild. Zudem muss erwähnt werden, dass über 100 Länder fehlen in der „Beurteilung“. Auch das verfälscht (bewusst) das Ergebnis.

 

Fazit: Die vorliegende „Auswertung“ kann nicht als relevant hinzugezogen werden in der Beurteilung der Schweizer Rolle, wenn man die "Studie" nicht entsprechend einordnen kann. Das gilt natürlich in jedem Fall.

 

Karl Lauterbach sieht in der Schweiz "unverzeihliches Poltikversagen"

Auch der SPD-Gesundheitsexperte übte harsche Kritik an der Schweizer Regierung und spricht von einem "unverzeihlichen Politikversagen". Auf Nachfrage von Blickerklärte er sogar, dass die Schweiz stolz darauf sei, der Wirtschaft weniger geschadet zu haben als andere Länder: "Erstens ist das aus meiner Sicht nicht richtig – der wirtschaftliche Schaden in Deutschland ist nicht viel höher. Zweitens fände ich es armselig, wenn man stolz darauf ist, die Wirtschaft gerettet zu haben, wenn dafür sehr viele Leute sterben." Und dies ist leider aktuell bereits der Fall. Viele Todesfälle hätten durchaus vermieden werden können. Die Schweiz opfert also ganz bewusst Menschen. Zudem findet der Epidemiologe, die Menschen in der Schweiz seien nicht genügend über Aerosole und das Risiko in Restaurants informiert und gewarnt worden. Wie sollte man auch, bei einer Regierung, die aktuell noch denkt Masken bringen kaum etwas, Händewaschen sei wichtig, Kinder seien weder Treiber der Pandemie, noch seien sie gefährdet, die eine App eingeführt haben, die nicht funktioniert, u.v.m. Dass nun eine Auswertung eines Ökonomen mehr gewichten sollte, erschliesst sich mir nicht.

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