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Lockdowns waren entgegen der Behauptung einer „Studie“ extrem wirksam

Im Schweizer Casino verzockt man sich weiter....
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DMZ –  WISSEN / POLITIK / W. Fürst / A. Aeberhard ¦   Im Schweizer Casino verzockt man sich weiter....

 

Wie gewisse Medien funktionieren wurde erneut perfekt demonstriert. Nebst Todesfällen, Unfällen und dem üblichen Unrat wird auch jeweils sehr schnell ein „Gerücht“ aufgenommen und breit und unisono gestreut, ohne Quellencheck, ohne Prüfung. Das ist nicht nur journalistisch gesehen ein Unding, sondern auch brandgefährlich, da man leider nur allzu gut weiss, wie vor allem unsichere Menschen sich auf solche Fake-News stürzen.

 

So wurde in den letzten Stunden fast überall die unseriöse und ungeprüfte Studie von (notabene) Ökonomen, nicht etwa von Epidemiologen oder Virologen, verbreitet. Laut dieser Ökonomen haben Lockdowns während der ersten Corona-Welle kaum Leben gerettet. Dass sich die Studie lediglich auf die erste Welle bezieht, scheint die Medienleute auch nicht sonderlich zu interessieren. Ebenso wenig, dass explizit wissenschaftliche, qualitativ wesentlich hochwertigere, Studien nicht berücksichtigt wurden. Skepsis gegenüber der Meta-Analyse gibt es auch deswegen, weil die Gewichtung der herangezogenen Studien nicht eindeutig nachvollziehbar ist. Letztlich kommt es auch nicht von ungefähr, dass Studien von Nicht-Sozialwissenschaftlern (z.B. Epidemiologie) automatisch als "von geringerer Qualität" sind. Die Studie ignoriert zudem wichtige Aspekte.

 

Der Hauptautor Steve Hanke ist zudem kein unbekannter Wissenschaftler. Der Ökonom mit fast 400.000 Followern auf Twitter äussert sich regelmässig meinungsstark zu Corona-Massnahmen. Dabei vertritt er libertäre Positionen und verschwörungsschwangere Fake-News. Italiens Corona-Massnahmen bezeichnete er jüngst als "faschistisch". Die neue Studie bewarb er auf Twitter mit dem Satz "Lockdowns sind was für Verlierer". Mehr ist von einem „Forbes“-Kolumnist und ehemaligen Reagan-Berater nicht zu erwarten. Er hat ganz andere Ziele, wirtschaftlicher Natur. Deshalb argumentiert er auch entgegen aller Erfahrungen und Fakten, und sagt: "Lockdowns haben wenig bis keinen Effekt auf die öffentliche Gesundheit, verursachten enorme ökonomische und gesellschaftliche Kosten, wo sie eingeführt wurden". Eine krasse Lüge.

 

Schon früher Autor von Fake-News

Schon im Juni 2020 twitterte Hanke Fake-News. So sagte er auf Twitter, dass Vietnam zu den "faulen Äpfeln" der Coronavirus-Daten gehöre, nachdem er die Null-Todeszahl des Landes fälschlicherweise als "Keine Daten gemeldet" bezeichnet hatte. Nach viel Aufschrei in den sozialen Medien und einer Petition an die Johns Hopkins University, die von fast 300 vietnamesischen Akademikern unterzeichnet wurde und eine Entschuldigung forderte, gab Hanke auf Twitter eine Korrektur heraus, in der er erklärte, dass das Land eine "perfekte" Bilanz im Kampf gegen das Coronavirus habe. In einem Interview mit Voice of America (VOA) nach der Kontroverse gab Hanke zu, dass Vietnams Reaktion auf die Pandemie in der Tat "ausgezeichnet" war, und er nannte die schlechte Bilanz des Landes in Bezug auf die Pressefreiheit als Gründe für seinen anfänglichen Verdacht auf seine Coronavirus-Daten. Hankes Interview wurde laut BBC das meistgesehene von VOA an diesem Tag. Übrigens wurde bereits eine andere Studie, die in die selbe Richtung zielte als wissenschaftlich nicht haltbar beurteilt. Es werden auch weitere Protagonisten noch versuchen, die Lockdowns negativ darzustellen.

 

Was sagen andere Experten zur Studie?

Dr. Seth Flaxman, Associate Professor am Department of Computer Science, University of Oxford, sagt zur "Studie": "Rauchen verursacht Krebs, die Erde ist rund, und den Menschen zu befehlen, zu Hause zu bleiben (die korrekte Definition von Lockdown), verringert die Krankheitsübertragung. Nichts davon ist unter Wissenschaftlern umstritten. Eine Studie, die vorgibt, das Gegenteil zu beweisen, ist mit ziemlicher Sicherheit grundlegend fehlerhaft."

 

Prof. Samir Bhatt, Professor für Statistik und öffentliche Gesundheit, Imperial College London:

"Ich finde, dieses Papier hat Mängel und muss sehr sorgfältig interpretiert werden. Nach zwei Jahren scheint es sich immer noch auf die erste Welle von SARS-COV2 und in einer sehr begrenzten Anzahl von Ländern zu konzentrieren. Der widersprüchlichste Aspekt ist die Neuinterpretation dessen, was ein Lockdown ist."

 

Auch andere Virologen und Experten kritisieren die Studie - die Untersuchung sei "absolut unwissenschaftlich". Die Kernaussage, Lockdowns verhinderten keine oder kaum Todesfälle, ist auch aus Sicht des Leiters des Instituts für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie an der Universität Marburg, Max Geraedts, "nicht haltbar".

Es gebe eine Fülle wissenschaftlich qualitativ hochwertiger Studien, "die aber auf der Basis der von den Autoren gewählten Auswahlkriterien nicht berücksichtigt wurden", so Geraedts.

 

Der Ökonom Andreas Backhaus von der Ludwig-Maximilians-Universität München analysiert, dass einige der untersuchten Einzelstudien "nicht übermässig überzeugend" seien. Sie erhielten "in der Meta-Analyse jedoch ein sehr hohes Gewicht, treiben also das Gesamtergebnis", twitterte er über das US-Papier.

 

Seriöse Studien haben bereits bewiesen, dass Lockdowns die Todeszahlen um 35,3 Prozent gesenkt haben. Auch konkrete Einzelmassnahmen wie die Schliessung von Einzelhandel und Gastronomie oder Vorschriften zum Tragen von Masken haben laut einzelnen Studien Todesraten spürbar senken können - um 10,6, bzw. 21,2 Prozent.

 

 

Die Untersuchung wurde lediglich auf der Webseite des JHU-Instituts veröffentlicht, nicht in einem wissenschaftlichen Journal. Andere Forscher haben sie noch nicht begutachtet. Dennoch griffen zahlreiche Medien die Studie bereits auf. Ein Fehler.

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