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CH: Statistik zur Fernmeldeüberwachung: Weniger Überwachungsmassnahmen, mehr Auskünfte zu Fernmeldeanschlüssen

DMZ –  RECHT / MM ¦ AA ¦                                        

 

Im Jahr 2021 haben die Schweizer Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) insgesamt rund 11 Prozent weniger Überwachungsmassnahmen beim Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) angeordnet. Um rund 18 Prozent gestiegen ist die Anzahl Auskünfte zu Fernmeldeanschlüssen.

 

Die Anzahl Echtzeitüberwachungsmassnahmen ist auf 1055 gesunken (gegenüber 1296 im Vorjahr). Ein Rückgang ist auch bei den rückwirkenden Überwachungsmassnahmen zu verzeichnen. Es wurden 6265 rückwirkende Überwachungsmassnahmen angeordnet, wovon 1695 Antennensuchläufe. Dies entspricht einem Rückgang von 806 rückwirkenden Überwachungen gegenüber dem Jahr 2020.

 

Die Zahl der Notsuchen von vermissten Personen steigt seit dem Jahr 2016 kontinuierlich an (+ 39% seit 2016). Im Jahr 2021 wurden 721 solcher Massnahmen angeordnet (gegenüber 692 im Vorjahr). Fahndungen nach entflohenen inhaftierten Personen wurden 15 angeordnet (gegenüber 26 im Vorjahr).

 

Mehr komplexe Auskünfte und Telefonbuchabfragen

Die Strafverfolgungsbehörden und der NDB haben im Jahr 2021 insgesamt rund 18 Prozent mehr Auskünfte beim Dienst ÜPF eingeholt. Es wurden 9113 komplexe Auskünfte (z.B. Ausweiskopien oder Vertragsdaten) verlangt, was einem Anstieg von rund 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dies ist u. a darauf zurückzuführen, dass der Dienst ÜPF seit 2021 nicht die Anzahl Auskunftsgesuche, sondern die Anzahl Antworten ausweist. Ebenso wurden einfache Auskünfte (Telefonbuch- oder IP-Adressen-Abfragen) häufiger verlangt, wodurch ihre Anzahl um 17 Prozent auf 298'342 gestiegen ist.

 

Zunahme der Überwachungsmassnahmen bei strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität

37 Prozent aller Überwachungsmassnahmen wurden von den Strafverfolgungsbehörden im Rahmen von schweren Vermögensdelikten angeordnet. 24 Prozent betreffen schwere Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, rund 8 Prozent strafbare Handlungen gegen Leib und Leben und rund 4 Prozent strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität. Letztere Überwachungsmassnahmen haben sich im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr fast vervierfacht.

 

IMSI Catcher und GovWare

Im Jahr 2021 blieben die Anzahl Einsätze mit besonderen Informatikprogrammen (GovWare) im Bereich des Vorjahres bei 11 (gegenüber 13 im Vorjahr). Die meisten davon haben die Strafverfolgungsbehörden bei der Überwachung krimineller Organisationen, bei Geldwäscherei und schweren Betäubungsmitteldelikten eingesetzt. Die Anzahl Einsätze der besonderen technischen Geräte (IMSI-Catcher) beläuft sich auf 112 (Vorjahr: 107). Diese Instrumente wurden grösstenteils bei Notsuchen nach vermissten Personen (31) und schweren Betäubungsmitteldelikten (52) eingesetzt.

 

Überwachungen des NDB

Der NDB ordnete im Jahr 2021 47 Überwachungen an und stellte 7781 Auskunftsgesuche. Im Jahr davor waren es 18 Überwachungen bzw. 7652 Auskunftsgesuche. Anzumerken ist, dass sich die Zählweise des NDB gegenüber derjenigen des Dienstes ÜPF unterscheidet (siehe dazu Infos).

 

Gebühren und Entschädigungen

Die Strafverfolgungsbehörden und der NDB entrichteten im Jahr 2021 total 11,6 Millionen Franken Gebühren (gegenüber 12,6 Mio. im Vorjahr). Den Mitwirkungspflichtigen wurden unverändert Entschädigungen in der Höhe von rund 5,9 Millionen Franken vergütet. Der Gesamtaufwand des Dienstes ÜPF lag mit 31,9 Millionen Franken tiefer als im Vorjahr mit 32,3 Millionen Franken. Der Kostendeckungsgrad des Dienstes ÜPF verringerte sich von 40 auf 37 Prozent.

 

Infos

Massnahmen zur Überwachung

Die Schweizer Strafverfolgungsbehörden können zur Aufklärung von schweren Straftaten gestützt auf die Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) Massnahmen anordnen zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. Dasselbe kann auch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB), gestützt auf das Nachrichtendienstgesetz (NDG; SR 121).

 

Jede Überwachungsanordnung einer Staatsanwaltschaft muss von der zuständigen richterlichen Genehmigungsbehörde (Zwangsmassnahmengericht) geprüft und genehmigt werden. Der NDB holt vor jeder Durchführung einer Massnahme die Genehmigung des Bundesverwaltungsgerichts sowie die Freigabe durch den Vorsteher oder die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ein. Vorab konsultiert diese bzw. dieser den Vorsteher oder die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und den Vorsteher oder die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD).

 

Der Dienst ÜPF nimmt zuletzt eine formelle Prüfung vor. Dabei prüft er, ob die anordnende Behörde tatsächlich zuständig ist und ob sich die Überwachungsanordnung auf eine strafbare Handlung gemäss Deliktkatalog (Art. 269 StPO) bezieht respektive ob im Falle des NDB eine genehmigte und freigegebene genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahme laut Art. 26 ff. NDG vorliegt. Der Dienst ÜPF weist die Mitwirkungspflichtigen (MWP) anschliessend an, ihm die fraglichen Daten zu übermitteln. Er stellt die Daten dann den auswertenden Strafverfolgungsbehörden oder dem NDB zur Verfügung. Vom Inhalt der Daten und den betreffenden Ermittlungen erhält der Dienst ÜPF keine Kenntnis. Die Strafverfolgungsbehörden und der NDB bezahlen für die Durchführung der Überwachungsmassnahmen Gebühren und die MWP werden für ihre Tätigkeit entschädigt. Massgebend für die Höhe der Gebühren und Entschädigungen ist die Verordnung über die Gebühren und Entschädigungen für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (GebV-ÜPF; SR 780.115.1).

 

Hinweis zur neuen Zählweise ab 2018 bzw. 2019

Mit dem Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF; SR 780.1) hat der Dienst ÜPF eine angepasste Zählweise der statistischen Daten eingeführt. Grundsätzlich werden alle Massnahmen, die einen Überwachungsauftrag an eine MWP zur Folge haben, in der Statistik berücksichtigt. Eine Ausnahme bilden Aufträge an eine MWP aus technischen Gründen, etwa weil die MWP für die Ausführung einer Massnahme zwei Aufträge vom Dienst ÜPF benötigt. Diese technischen Aufträge werden seit dem Jahr 2018 nicht mehr in die Statistik aufgenommen. Der Transparenz halber werden seit 2019 die Antennensuchläufe getrennt von den rückwirkenden Überwachungsmassnahmen in der Statistik geführt.

 

Es ist zu beachten, dass auf ein Delikt bzw. eine genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahme, mehrere Überwachungsanordnungen entfallen können. So können zum Beispiel sowohl der Festnetzanschluss als auch mehrere Mobiltelefone einer mutmasslichen Täterschaft überwacht werden. Weiter wird häufig dieselbe Mobiltelefon-Nummer bei verschiedenen MWP zur Überwachung in Auftrag gegeben, um sämtliche Roaming-Fälle abdecken zu können. Die Anzahl der von Überwachungsmassnahmen direkt betroffenen Personen liegt demnach merklich tiefer, als die Anzahl der angeordneten Überwachungsmassnahmen.

 

Hinweis zur unterschiedlichen Zählweise NDB und Dienst ÜPF

Die Zählweise des NDB und des Dienstes ÜPF unterscheiden sich, weshalb die Zahlen nicht miteinander vergleichbar sind. Der Dienst ÜPF erfasst die Anzahl Überwachungsaufträge pro beauftragte MWP. Wird beispielsweise dieselbe Mobiltelefonnummer bei drei verschiedenen MWP zur Überwachung in Auftrag gegeben, weist der Dienst ÜPF in seiner Statistik drei Überwachungsaufträge aus. Der NDB hingegen weist in einem solchen Fall eine Massnahme aus. Eine genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahme nach Artikel 26 ff. NDG kann dabei zu mehreren Überwachungsanordnungen führen, wenn z.B. die Überwachung derselben Mobiltelefon-Nummer bei verschiedenen MWP angeordnet wird.

Glossar

 

Echtzeitüberwachung

Eine Echtzeitüberwachung ist die simultane, leicht verzögerte oder periodische Übertragung der Post- oder Fernmeldeverkehrsdaten; z. B. Telefon- oder E-Mail-Überwachungen (Mithören von Telefonaten bzw. Mitlesen von E-Mails).

 

Rückwirkende Überwachung

Eine rückwirkende Überwachung beinhaltet die Verbindungsnachweise (wer hat mit wem wann und wie lange telefoniert etc.) der zurückliegenden sechs Monate.

 

Antennensuchlauf

Ein Antennensuchlauf umfasst die rückwirkende Überwachung aller an einem bestimmten Standort angefallenen Kommunikationen, Kommunikationsversuche und Netzzugänge, welche über eine bestimmte Mobilfunkzelle (oder WLAN Zugangspunkt) während eines bestimmten Zeitraumes stattgefunden haben. Relevant ist die Anordnung pro Zelle pro 2 Stunden.

 

Fahndung

Im Rahmen einer Fahndung können die Strafverfolgungsbehörden Personen aufspüren, gegen die in einem rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheid eine Freiheitsstrafe verhängt oder eine freiheitsentziehende Massnahme angeordnet worden ist.

 

Notsuche

Ausserhalb von Strafverfahren können Massnahmen der Fernmeldeüberwachung angeordnet werden, um vermisste Personen wie z. B. verunfallte Wanderer oder vermisste Kinder zu finden und zu retten.

 

Einfache Auskunft

Einfache Auskünfte können Basisinformationen zu Teilnehmeranschlüssen (Telefonbuchabfragen) sein oder sie können den Behörden über Fragen wie "Welche Telefonnummern sind auf eine bestimmte Person registriert?" Auskunft geben.

 

Komplexe Auskunft

Komplexe Auskünfte (ehemals technisch-administrative Auskünfte) liefern weitergehende Informationen zu Fernmeldeanschlüssen wie Vertrags- oder Ausweiskopien.

 

 

 

 

Herausgeber

Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr

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