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Ein Anthroposophe streut mit Fake-News Unsicherheit

Austrian SDG-Award Gala, Grupenfoto mit allen Preisträger:innen und Laudator:innen © Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen
Austrian SDG-Award Gala, Grupenfoto mit allen Preisträger:innen und Laudator:innen © Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen

DMZ –  GESUNDHEIT / WISSEN ¦ Lena Wallner ¦        Austrian SDG-Award Gala, Grupenfoto mit allen Preisträger:innen und Laudator:innen © Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen 

 

Fake News und Verschwörungstheorien werden vor allem von Menschen, die unsicher sind und Angst haben verbreitet. Dies, weil Fake News einfache Antworten auf komplexe Fragen liefern. Fake News sind gefährlich, da die persönliche Meinung beeinflusst, sowie Gefühle und Stimmungen ausgelöst werden. Vielfach führt das auch zu Streit. Mit letzthin gemachten absurden Aussagen, hat der Arzt Harald Matthes bei vielen Menschen Ängste verstärkt. Die Kernaussage des Antroposophen: Schwere Nebenwirkungen nach der Corona-Impfung seien wesentlich häufiger als bekannt, Leider fielen auch viele Medienhäuser darauf herein und veröffentlichten verbreiteten diese Fake News.

 

Matthes ist Ärztlicher Leiter des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe, einer Klinik mit Schwerpunkt auf Anthroposophischer Medizin in Berlin. Mit Meteoreisen, Zaunrübe und Brechweinstein werden Patienten nach anthroposophischen Therapiekonzepten behandelt. Zusätzlich hat er eine Stiftungsprofessur für Integrative und Anthroposophische Medizin an der Berliner Charité inne, die von der Software AG-Stiftung finanziert wird. Wir haben sowohl die Charité, die Software AG und die Klinik kontaktiert und wollten wissen, wie sie zu den Fake News, die „ihr“ Professor verbreitet, stehen.

 

Die Charité distanziert sich klar von der Auswertung

Ein Sprecher teilt uns mit, dass man sich von Matthes' Auswertung distanziert: "Bei dieser Untersuchung handelt es sich um eine offene Internetumfrage, im engeren Sinne also nicht um eine wissenschaftliche Studie. Diese Datenbasis ist nicht geeignet, um konkrete Schlussfolgerungen über Häufigkeiten in der Gesamtbevölkerung zu ziehen und verallgemeinernd zu interpretieren."

Selbst bei echten Studien kann es methodische Schwächen geben, aber das wird dann jeweils auch transparent kommuniziert, gerade wenn über unveröffentlichte Zwischenergebnisse berichtet wird.

Zudem gibt es Kritik an der Definition dessen, was eine "schwere Nebenwirkung" ist.

 

Antroposophische Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe gibt keine Stellungnahme ab

Wie erwartet, nimmt die Klinik auch in diesem Fall keine Stellung. Es scheint, dass dies zur „Firmenkultur“ gehört, dass man unliebsame und entlarvende Fragen einfach nicht beantwortet.

Als Anthroposophie werden, gemäss gesammelter Informationen auf Wikipedia, u.a. übrigens eine von Rudolf Steiner (1861–1925) begründete, weltweit vertretene spirituelle und esoterische Weltanschauung sowie der zugehörige Ausbildungs- und Erkenntnisweg bezeichnet. „Die Anthroposophie versucht, Elemente des deutschen Idealismus, der Weltanschauung Goethes, der Gnosis, christlicher Mystik, fernöstlicher Lehren sowie der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu Steiners Zeit miteinander zu verbinden. Eine Hauptquelle der anthroposophischen Lehre bildet die okkulte „Geheimwissenschaft“, die Rudolf Steiner nach eigenen Aussagen aus Erforschungen einer für ihn bestehenden geistigen Welt, mit Hilfe von „Hellseherorganen“, erlangt habe.“ Weit weg von einer Realität, noch weiter weg von Wissenschaft. Schon auch deshalb ist es fragwürdig, wieso solche Kliniken und Anbieter weiterhin „arbeiten“ dürfen ohne wissenschaftliche Evidenz, dafür aber auf dem Buckel der Prämienzahlerinnen und -zahler.

 

„Angeregt von Steiners Ideen existiert in vielen Bereichen eine „Anwendungs-Anthroposophie“. Hierzu zählen unter anderem die Anthroposophische Architektur, die Waldorfpädagogik, die anthroposophische Medizin, die Naturkosmetik der Marke Weleda, die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die Eurythmie und Die Christengemeinschaft.“ (Wikipedia)

 

In Steiners weitausgreifendem Werk finden sich an etlichen Stellen Aussagen über Menschenrassen. Dabei handelt es sich einerseits um anthropologische Untergliederungen der heutigen Menschheit in drei, vier oder fünf Rassen und andererseits um die theosophische Lehre von den „Wurzelrassen“, welche aufeinanderfolgende Stadien der Entwicklung der ganzen Menschheit darstellen sollen. Nachdem in den 1980er Jahren verschiedene Publikationen die Rezeption der Wurzelrassenlehre in der völkischen Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts und damit in der Vorgeschichte des Nationalsozialismus untersucht hatten,[80] ordnete die deutsche ehemalige Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth in ihrer 1992 erschienenen Kampfschrift Feuer in die Herzen unter Bezugnahme auf die Wurzelrassen die Anthroposophie (neben dem New Age und anderen esoterischen Strömungen) als extrem rassistisch ein. Daran knüpften seither zahlreiche Autoren an.

In den frühen Schriften Steiners vor 1900 gibt es durchaus rassistische Stellen. Als 23-Jähriger schrieb er darüber hinaus antisemitischen Unsinn und finanzierte verschwörungstheoretische Schriften, die den Juden die Kriegsschuld gaben, mit. Im 2007 nimmt gar die Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung selbst einen Band der Gesamtausgabe vom Markt.

 

„Studie“ mit falschen Zahlen

40 Mal so viele schwere Nebenwirkungen wie bisher angenommen, hat der Mediziner Harald Matthes nach Corona-Impfungen in einer Studie angeblich gefunden. In einem Beitrag der MDR-Sendung Umschau von Ende April heisst es, 0,8 Prozent der Geimpften hätten schwere Nebenwirkungen. Diese Zahl bekräftigte Matthes wenig später in einem Interview ebenfalls im MDR-Fernsehen. Das hätten bisher unveröffentlichte Daten seiner Studie ergeben. MDR fällt seit Längerem negativ auf mit tendenziösen Impfskeptikerberichten.

 

Laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) liegt die Melderate von Verdachtsfällen auf schwerwiegende Nebenwirkungen nach Corona-Impfungen bei lediglich 0,02 Prozent.

 

Matthes' operiert also mit Fake News. Zudem wurde seine Ergebnisse bisher nicht veröffentlicht, sodass nicht nachprüfbar ist, wie er zu seinen Schätzungen kommt. Zweitens lässt die Methodik der „Studie“ es nicht zu, die Schwere der Komplikationen zu überprüfen – und mit der Impfung ursächlich in Verbindung zu setzen. Und drittens decken sich seine Ergebnisse – auch wenn er das behauptet – nicht mit den Ergebnissen internationaler und nach besten wissenschaftlichen Standards durchgeführten Studien oder den Zahlen aus Ländern mit besseren Überwachungssystemen wie etwa Schweden.

 

Ausserdem ist anzunehmen, dass weil an der „Studie“ prinzipiell jeder teilnehmen kann, sich vor allem Menschen melden, die vermuten, an einer Impfkomplikation zu leiden. Die Folge ist eine deutliche Überschätzung schwerer Nebenwirkungen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen von einem Selektionsbias.

 

 

Auch von der Software AG-Stiftung, die die „Studie“ finanziert, haben wir bis heute keine Stellungnahme erhalten. Wir bleiben dran.

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