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Steuersenkung auf Sprit spült frisches Geld in Putins Kriegskasse

DMZ –  POLITIK ¦ Oliver Stock ¦                                                   

 

Vom 1. Juni an sinken die Kraftstoffpreise, weil die Bundesregierung eine befristete Steuersenkung auf Sprit beschlossen hat. Wissenschaftler weisen jetzt nach: Der Schritt ist nicht nur überflüssig, weil Benzin und Diesel im Verhältnis zum Einkommen nicht besonders teuer sind, sondern er ist auch gefährlich. Denn der Hauptnutznießer ist Russland.

 

Die Preissenkung für Benzin und Diesel ist nicht gerechtfertigt und spült zusätzliches Geld in die Kriegskasse des russischen Machthabers Wladimir Putin. Zu diesem Ergebnis kommen Ökonomen in mehreren Ländern, die die politischen Bemühungen bewerten, die Spritpreise an der Tankstelle zu senken. In Deutschland tritt nach einem Beschluss der Bundesregierung eine solche Preissenkung zum 1. Juni zunächst für drei Monate in Kraft. Durch eine befristete Steuersenkung auf Kraftstoffe sollen die Preise für Diesel um 14 Cent und Benzin um 30 Cent nach unten gehen. Dazu kommt eine Mehrwertsteuerersparnis. Aus Sicht der Wissenschaftler ist dies eine eher populistische und kontraproduktive Maßnahme.

 

Gernot Sieg, Direktor des Instituts für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster weist in einer aktuellen Studie nach, dass die Spritpreise im langfristigen Vergleich in Deutschland noch immer günstig sind. Zwar führe der Blick auf die Preisangaben an den Zapfsäulen der Tankstellen bei Autofahrern zu ungläubigem Staunen. Eine langfristige Betrachtung zeigt jedoch, dass die Ausgaben fürs Tanken im Verhältnis zum Nettolohn für dieselbe Strecke im Jahr 2020 die niedrigsten seit 1997 waren. Und auch bei den aktuellen Benzinpreisen um die zwei Euro pro Liter weist der Wissenschaftler nach, dass noch immer ein geringerer Anteil des Einkommens für eine Tankfüllung aufgewendet wird als es vor zehn Jahren der Fall war. Erst bei einem Preis von etwa 2,40 Euro wäre das Niveau von 2012 wieder erreicht. „Nominale Spritpreisrekorde müssen vor ihrem realen Hintergrund bewertet werden“, schreibt Sieg in seiner Studie. „So wie Inflation den Geldwert verringert, so führen Produktivitätssteigerungen zu steigenden Löhnen und Gehältern. Darüber hinaus ermöglicht der technische Fortschritt, energieeffiziente Motoren in Pkw zu nutzen.“ (https://www.wiwi.uni-muenster.de/fakultaet/de/news/3726)

 

Der Professor geht ins Detail: Zwischen 1997 und heute sei der durchschnittliche Nettolohn aller Arbeitnehmer von 1.334 Euro auf 2.088 Euro gestiegen. Der Verbrauch des sparsamsten VW Polo ist von 6,8 Liter pro 100 km für das Baujahr 1997 auf 5,31 Liter pro 100 km für das Baujahr 2019 gesunken, „und zwar nicht nach Werksangaben, sondern nach tatsächlichen Verbräuchen“, wie Sieg vorrechnet. Fasst man beides zusammen, lautet das Ergebnis: Auch nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs und den Folgen für die Spritpreise, können Autofahrer heute für weniger Geld die gleiche Strecke zurücklegen als vor zehn Jahren.

Während Gernot Sieg das Vorgehen der Bundesregierung damit als populistisch entlarvt, kommen die drei schwedischen Ökonomen Johan Gars, Daniel Spiro und Henrik Wachtmeister zu dem Schluss, dass die Steuersenkungen auf Treibstoffe sogar eine kriegsverlängernde Wirkung haben. Der Grund: Sie spülen zusätzliches Geld in die russische Haushaltskasse, das für Waffen, Munition und Soldaten ausgegeben werden kann. (https://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/2204/2204.03318.pdf)

 

Das Ergebnis ihrer Untersuchung im Detail: Eine Steuersenkung in der EU von 20 Cent pro Liter würde dazu führen, dass mehr getankt wird, was Russlands Ölgewinne um rund elf Millionen Euro pro Tag nach oben schnellen ließe. Dies ergebe mehr als vier Milliarden Euro im Jahr und damit sieben Prozent der russischen Militärausgaben. „Solche Steuersenkungen haben problematische Folgen, da sie die Nachfrage erhöhen und damit das aktuelle Angebot noch knapper machen“, schreiben die schwedischen Wissenschaftler. Am Ende gewännen immer die Ölproduzenten – was im fall Russlands staatliche Konzerne sind. Die Ökonomen warnen deswegen vor Steuersenkungen auf Spritpreise in der EU. Ihr Gegenvorschlag lautet: Gebt den Menschen Bargeld, das wenigsten kommt am Ende nicht in Putins Kriegskasse an.

 

Auch das macht die Bundesregierung. Im Rahmen ihres Entlastungspakets erhalten Erwerbstätige 300 Euro extra. Ginge es nach den Wissenschaftlern, hätte sie die Steuersenkungen auf Spritpreise besser nicht beschließen dürfen.

 

 

Quelle / Herausgeber: https://www.wirtschaftskurier.de/titelthema/artikel/steuersenkung-auf-sprit-spuelt-frisches-geld-in-putins-kriegskasse.html

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Kommentare: 1
  • #1

    Oliver (Freitag, 27 Mai 2022 16:01)

    Die Berechnung ist Murks. Weder ist das Einkommen gleichverteilt noch hat jeder ein relativ neues Auto - geschweige denn mit Elektroantrieb. Gerade unter Einkommensschwachen sind ältere Autos mit höherem Verbrauch häufig, da diese sich eben nicht so häufig ein neues Auto leisten können. Es gibt kein "das Nettoeinkommen" - es gibt allenfalls ein Durchschnittsnettoeinkommen.
    Die Steuersenkung isoliert zu sehen ist genauso Murks, wird sie doch durch das 9€-Ticket begleitet, das Alternativen zur Fahrzeugnutzung bietet.