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AT: Sozialhilfe: Bundesrat legt Änderung des Grundsatzgesetzes keine Steine in den Weg

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                                

 

Die vom Nationalrat beschlossene Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes ist endgültig auf Schiene. Der Bundesrat stimmte in seiner heutigen Sitzung mehrheitlich dafür, keinen Einspruch gegen die Mitte Mai verabschiedete Gesetzesnovelle zu erheben. Damit können die neuen Bestimmungen, die einige Verbesserungen für armutsgefährdete Menschen bringen, noch vor dem Sommer in Kraft treten. Allerdings obliegt es über weite Strecken den Ländern, ob sie den ihnen eingeräumten erweiterten Spielraum tatsächlich nutzen, etwa was die neue Härtefallklausel, die Auszahlung der vollen Sozialhilfe an Menschen in spezifisch betreuten Wohneinrichtungen oder die Nicht-Anrechnung des 13. und 14. Monatsgehalts bei Niedrigverdiener:innen betrifft. Einige Vorgaben des Bundes sind allerdings verpflichtend, für die Ausgestaltung der Ausführungsgesetze haben die Länder sechs Monate ab Inkrafttreten der Novelle Zeit.

 

Sozialminister Johannes Rauch stellte im Zuge der Debatte über die Gesetzesnovelle ein drittes Entlastungspaket zum Ausgleich der aktuellen Teuerung in Aussicht. Schließlich seien immer größere Bevölkerungskreise von sozialen Notlagen betroffen, machte er geltend. Auch viele Pensionist:innen könnten angesichts der stark gestiegenen Wohn- und Lebenshaltungskosten nicht mehr von ihrer Pension leben. Rauch selbst sprach sich etwa für eine Valorisierung weiterer Sozialleistungen aus.

 

Vom Bundesrat ebenfalls unbeeinsprucht blieben Änderungen im Epidemiegesetz und weitere Gesetzesnovellen aus dem Gesundheitsbereich. Dabei geht es vorrangig um die Verlängerung coronaspezifischer Regelungen, etwa was Screeningprogramme, die Ausstellung von Impf- und Testzertifikaten, Ausreisebeschränkungen aus lokalen Pandemiegebieten, Kontaktnachverfolgungen, Einreiseregistrierungen, die Mitwirkung der Exekutive bei der Kontrolle pandemiebedingter Auflagen und Strafbestimmungen betrifft. Auch berufsrechtliche Sonderregelungen für Gesundheitspersonal wie Sanitäter:innen und Labormitarbeiter:innen sowie spezielle Bestimmungen im Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten bleiben vorerst weiter in Kraft. Gleiches gilt für die rechtliche Basis für etwaige Dienstfreistellungen für Beschäftigte mit COVID-19-Risiko-Attest. Neu sind gelockerte Bestimmungen für im Ausland ausgebildete Pflegekräfte: Sie können künftig unter bestimmten Voraussetzungen schon vor Erfüllung aller Auflagen in Österreich beruflich tätig sein.

 

Abgestimmt wurde im Plenum auch über zwei Entschließungsanträge der SPÖ, die jedoch keine Mehrheit fanden. Zum einen ging es dabei um eine vorgezogene Valorisierung des Pflegegelds um mindestens 5% mit 1. Juli 2022, zum anderen um erweiterte Kassen-Leistungen für ASVG-Versicherte. Die SPÖ sieht nicht ein, dass es nach wie vor Unterschiede zwischen den einzelnen Kassen in Bezug auf die Kostenübernahme von Behandlungen gibt, etwa was Zahnimplantate, Psychotherapie und Physiotherapie betrifft, und fordert eine sukzessive Harmonisierung, die sich am höchsten Leistungsniveau orientiert.

 

Sozialhilfe: SPÖ ortet vertane Chance

Ausdrücklich begrüßt wurde die Novelle zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz von den Bundesrät:innen Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/OÖ) und Ernest Schwindsackl (ÖVP/St). Man nehme mit dem vorliegenden Entwurf eine dringend notwendige Reparatur des Grundsatzgesetzes vor, indem man den Gestaltungsspielraum für die Länder vergrößere und außerdem festlege, dass krisenbedingte Zuwendungen des Bundes nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden dürfen, erklärte Hauschildt-Buschberger. Was die Umsetzung der weiteren Verbesserungen betrifft, sieht sie nun die Länder gefordert. Schwindsackl betonte, es sei wichtig, sozial Schwachen zu helfen. Mit der vorliegenden Novelle würden dem Grundsatzgesetz Härten genommen und den Ländern mehr Handlungsspielraum gegeben.

Enttäuscht äußerte sich hingegen der Wiener SPÖ-Bundesrat Sascha Obrecht. Im Paket seien zwar einige Punkte enthalten, die von seiner Partei unterstützt werden, sagte er, insgesamt ortet Obrecht aber eine vertane Chance. Schließlich würde in der Sozialhilfe vieles im Argen liegen. Wenn man im Fußball "zehn zu null" hinten liege, reiche es nicht, wenn man drei Tore schieße, zog er einen sportlichen Vergleich. Obrecht kritisierte außerdem die vielen Kann-Bestimmungen im Gesetz.

 

Seitens der FPÖ bedauerte Günter Pröller (OÖ), dass der Zugang zur Sozialhilfe mit der vorliegenden Novelle generell erleichtert werde. Das sei nicht sozial gerecht, meinte er, zumal bereits jetzt rund 60% der Sozialhilfebezieher:innen keine österreichische Staatsbürgerschaft hätten. Wichtiger wäre es seiner Meinung nach vielmehr, gezielt Österreicher:innen zu helfen, die tatsächlich Hilfe bräuchten. Einzelne Punkte des Gesetzes wie die Neudefinition von Haushaltsgemeinschaften wurden allerdings auch von Pröller begrüßt.

 

Sozialminister Johannes Rauch wies darauf hin, dass die nunmehrigen Verbesserungen auch Wunsch der Bundesländer gewesen seien. In der Praxis habe sich gezeigt, dass es bei Härtefällen mehr Spielraum brauche. Die neue Härtefallklausel erlaube es, im Einzelfall abzuwägen, inwieweit Unterstützung erforderlich sei. Weiterreichende Verbesserungen hält zwar auch Rauch für notwendig, er sieht das vorliegende Paket aber als wichtigen Verhandlungserfolg. 

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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