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DE: Die Bekämpfung der Inflation erfordert neue Wege

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Die Reaktionen der Ampel-Parteien auf die ökonomischen und sozialen Herausforderungen der giftigen Gemengelage aus Corona- und Ukraine-Krise sind leider nicht sehr ermutigend. Der G7-Auftritt von Finanzminister Lindner

 ist Zeugnis eines Zustands, den man schon fast als Zerwürfnis vermuten darf und der an keinem der Ränder wirklich gute Lösungen verspricht.

 

Dabei fangen die Herausforderungen gerade erst an. Mit dem von Donald Trump eskalierten „Wirtschaftskrieg“ der USA gegen China begannen die Störungen in der Globalisierung, die bereits weltweite Handelsbeziehungen belasteten. Mit der Corona-Krise sind die Lieferketten bekanntlich endgültig massiv gestört worden. Der Ukraine-Krieg belastet zusätzlich die Weltmärkte für Energie, Nahrungsmittel sowie bestimmte Rohstoffe. Weder Corona, noch der Krieg in der Ukraine mit allen seinen geopolitischen Folgen sind absehbar vorbei. Beide Krisen drohen eher, die Probleme weiter zu verschärfen.

 

Die Folgen sind ökonomisch und geldpolitisch daher noch gar nicht absehbar und wir sehen davon erst die Anfänge. Das giftige Gemisch heißt Stagflation, also schwaches Wachstum gepaart mit Inflation. Wenn es so weiter geht, droht gar eine Rezession bei gleichzeitiger Inflation. Das sind ökonomisch sehr schwierige Zeiten, weil die Instrumente gegen diese beiden Phänomene sich widersprechende Maßnahmen erfordern. Vor allem dann, wenn man es bei den üblichen Rezepten belässt: Dann wird man entweder eine Rezession in Kauf nehmen, um die Inflation zu bekämpfen oder die Wirtschaft stimulieren, dabei aber eine hohe Inflation zulassen.

 

Das ist in der aktuellen Lage besonders heikel, weil eine Überschuldung vieler Staaten, aber auch von Unternehmen sowie Privathaushalten zu berücksichtigen ist. Wenn die Ökonomie also zu sehr einbricht oder die Geldpolitik zu restriktiv wird, droht eine Insolvenzspirale im staatlichen, vor allem aber im privaten Sektor. Die möglichen Kollateralschäden sind erheblich und die können jeden Weg, der seitens der Finanz- und Notenbankpolitik gewählt wird, so überzeichnen, dass auch grundsätzlich „richtige“ Maßnahmen letztlich scheitern.

 

Dieses Giftgemisch ist in der breiten Bevölkerung noch längst nicht angekommen. Die Spritpreise sind ein müder Anfang dessen, was da kommt. Die Energiepreise für Heizung und Strom kennen die meisten Haushalte noch gar nicht. Vertragliche Preisbindungen und noch nicht zugestellte Nebenkostenabrechnungen verbergen, was da tatsächlich kommt und es wird die meisten Haushalte weit stärker belasten, als das, was an der Zapfsäule möglich ist. Wie weit und wie lange die Preise für Lebensmittel und unverzichtbare Dienstleistungen des täglichen Bedarfs weiter steigen, ist kaum absehbar.

Welche Maßnahmen in welcher Dosierung auch immer gewählt werden, das wird vor allem eine gegenüber Corona nochmals größere soziale und damit gesellschaftliche Herausforderung. Die kommenden Lasten treffen bereits auf sehr unterschiedliche Tragfähigkeiten in den privaten Haushalten, die Einkommens- und Vermögensspreizung der letzten Dekaden wird dadurch von einem Gerechtigkeits- zu einem Existenzproblem.

 

Wenn man nun sieht, wie sich die Ampel-Koalition bereits an den beginnenden Problemen verhebt, gibt es leider kaum Grund für Optimismus. Die Ressourcen unseres Staates sind begrenzt, die der europäischen noch mehr. Es kommt nun darauf an, gezielt, intelligent und sehr effizient zu reagieren. Das ist aber leider nicht erkennbar. In diesem Interview schiebt Lindner so gut wie alles auf seine Partner bei der SPD und den Grünen ab, was ihm an unangenehmen Fragen vorgelegt wird. Dass er dies mehrfach wiederholt, ist ihm nicht anzulasten. Leider ist es eine Unart von Journalisten, bei dieser Interview-Form dieselben Fragen dauernd zu wiederholen.

 

Aber so erfahren wir also mehrfach, dass angeblich die Grünen für den misslungenen „Tankrabatt“ verantwortlich zeichnen und nun das Kartellamt dessen Wirkung durchzusetzen habe. Der SPD werden Steuererhöhungsfantasien zugeordnet, die alles nur verschlimmern würden. Namentlich die Übergewinnsteuer führe wie ohnehin alles, was da diskutiert werde, zu weiteren Preissteigerungen und überhaupt seien Übergewinne bisher gar nicht feststellbar.

 

Das ist ein besonders desolater Auftritt, weil der Finanzminister gerade in dieser schwierigen Situation der wichtigste Gestalter und keine an anderen Vorschlägen herum nölende Figur sein sollte. Dabei hat er in vielen Punkten ja Recht, wobei man über seinen eigenen Beitrag vielleicht noch streiten darf. Es macht gar keinen Sinn, mit diesem untauglichen „Tankrabatt“, der eine Steuerentlastung der Mineralölindustrie ist, diese zugleich zu subventionieren, um dann mittels einer komplizierten Übergewinnsteuer wieder etwas abzuschöpfen. Auch weitere Verteilungsmaschinen machen keinen Sinn. Die Kritik an Entwürfen von SPD und Grünen, die auf der einen Seite staatliche Unterstützungsleistungen hoch fahren und diese dann teilweise über Steuererhöhungen wieder einfangen wollen, ist vollkommen richtig.

 

Es geht um Effizienz und um Wahrung der Leistungsfähigkeit des Staates, da wäre etwas FDP-DNA sehr gefragt, aber bitte gestaltend und nicht widersprüchlich. Der Gedanke eines „Tankrabatts“ mit der Gießkanne kommt nun mal von Lindner selbst und genau das sind die falschen Rezepte. Vielleicht ist das Kernproblem der FDP, dass es nicht um ihre Klientel geht. Ebenso wäre seitens der SPD und grüner Sozialpolitik dringend geboten, die soziale Idee nicht mit möglichst breiter Umverteilung, sondern gemäß effizienter Bedürftigkeit zu denken.

 

Wer in Zeiten eskalierender Preise mit Gießkannen arbeitet, kann schnell ungewollt Benzin ins Feuer gießen, das sagt Lindner zurecht, zugleich aber keine Idee bietend, wie er es anders machen möchte. Er präsentiert sich hier auch nicht als Regulativ in einer Regierung, sondern schon fast als deren Spaltpilz. Dabei liegen die ökonomisch gebotenen Rezepte in seinem Ressort: Der Staat verdient gerade an der Preisentwicklung. Er kann und muss die Steuern senken – aber ganz anders als die FDP es gerne möchte explizit nur im untersten Einkommensbereich.

 

Der Grundfreibetrag muss steigen und der Eingangssteuersatz sinken. Das ist die erste und ohne jeglichen bürokratischen Kostenaufwand mögliche Maßnahme. Ferner wäre es ein guter Anlass, die ganzen sozialen Hilfsprogramme zu entrümpeln und in ein gemeinsames System mit einer negativen Einkommensteuer zu überführen. Wenn wir jetzt immer noch von Ressorts wie Heil lesen, es sei so schwierig, beispielsweise auch den Rentnern eine Soforthilfe zukommen zu lassen, weil Daten fehlen, zu denen so was simples wie eine Kontoverbindung zählt, ist nun wirklich aufräumen angesagt. Es sollte schlicht jeder eine Steuererklärung machen, in der alles zusammengefasst wird und wer Einkünfte unter dem Existenzminimum hat, erhält eine negative Einkommensteuer – also eine Auszahlung.

 

Wir können in dieser Situation nur die finanzschwachen Haushalte staatlich unterstützen – und zwar direkt, nicht bei den Preisen! Dazu müssen alle Einnahmen und Ausgaben auf den Tisch. Das ist eine typische Aufgabe der Finanzverwaltung. Es bedarf dazu keiner weiteren Behörden und Einrichtungen, die von Sozialbetrügern ohnehin nur ausgenutzt werden und dann auch noch dazu führen, dass man in so einer Krise feststellen muss, entweder die Bedürftigen gar nicht zu kennen oder keine Kontoverbindung zu haben, um ihnen eine Unterstützung zukommen zu lassen.

 

Diese Kombination aus einer umfassenden Verwaltungsreform und einer effizienten Unterstützung der tatsächlich Bedürftigen wäre eine klassische FDP-Idee. Alles weitere müssen die Nachfrager mit den Anbietern verhandeln. Nur so kommt der Druck auf, Lieferketten wieder zu errichten und Produkte zu besseren Preisen anzubieten. Das Kartellamt hat dabei für den Wettbewerb zu sorgen und da, wo der nicht stattfindet, kann man über Regulierung von Märkten nachdenken.

 

Nur so lässt sich Inflation wirksam bekämpfen, ohne die Wirtschaft in eine Rezession zu schicken. Gerade wegen der hohen Schuldenstände wäre es wichtig, das anders als im letzten Jahrtausend zu lösen. Wer jetzt – und diese Stimmen kommen gerne aus der FDP – massive Zinserhöhungen fordert, sollte erstens prüfen, wie das in den 70ern auf die Arbeits- und Einkommenssituation gewirkt hat und zweitens mal nachrechnen, was das bei unserem heutigen Schuldenstand zusätzlich bedeuten würde. Niemand, der einigermaßen weit blickt, kann sich mehr als eine Normalisierung der Zinsen wünschen. Die ist sicher überfällig, ebenso muss die Ausweitung der Notenbankbilanzen nun enden, aber als Instrument zur Inflationsbekämpfung nun ausgerechnet massive Zinserhöhungen zu erwarten, ist hoffentlich eine Außenseiterposition.

Der Druck, bessere Preise zu bieten, kann nur vom Verbraucher aufgebaut werden und wir müssen genau deshalb die Unterstützung auf diejenigen begrenzen, die das schlicht nicht leisten können. Preisregulierung kann darüber hinaus erforderlich werden, das mag bei der Energie notwendig sein, in der Breite ist es das nicht. Wenn Regulierung, dann aber direkter Eingriff in die Preisgestaltung durch Offenlegung und Prüfung von Margen. Es wird niemals gelingen, Preise bei fehlendem Wettbewerb wieder in angemessene Größenordnungen zu bringen, wenn man zugleich in der Breite dummerweise die Industrie selbst subventioniert, aber auch nicht, wenn man dem Verbraucher mit der Gießkanne mehr Geld zur Verfügung stellt.

 

Eine Finanzreform wäre umso erforderlicher und kein aufblähen weiterer Umverteilungsmaschinen. Das fehlte schon bei den Corona-Hilfen schmerzlich.

Schade, dass es keine FDP mehr gibt.

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