AT: Verbesserung der militärischen Wehrfähigkeit Österreichs im Fokus des Landesverteidigungsausschusses

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                                  

 

Angesichts der aktuellen geopolitischen Entwicklungen stand heute die militärische Wehrfähigkeit Österreichs im Zentrum des Landesverteidigungsausschusses. Dazu wurden mehrere Oppositionsanträge von den Abgeordneten und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner debattiert. So setzten sich die Freiheitlichen in mehreren Anträgen für eine Anhebung der Mittel für die militärische Landesverteidigung ein und beantragte die Überarbeitung der aus ihrer Sicht veralteten österreichischen Sicherheitsstrategie sowie die Wiedereinführung des achtmonatigen Grundwehrdienstes im Modell 6 + 2 Monate. Die NEOS sprachen sich für ein Konzept zur effizienten Nutzung der Mittel aus dem Landesverteidigungsbudget, eine Anhörung der Generalstabschef-Kandidat:innen vor dem Landesverteidigungsausschuss und eine Neuanpassung der Befugnisse der militärischen Nachrichtendienste aus. Sämtliche Anträge von FPÖ und NEOS wurden mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen vertagt.

 

FPÖ fordert Überarbeitung der Sicherheitsstrategie und Budgeterhöhung für das Bundesheer

Der veränderten Einschätzung der Gefahrenlage Rechnung tragen soll die Überarbeitung der Österreichischen Sicherheitsstrategie unter Einbeziehung aller im Hauptausschuss des Nationalrats vertretenen Parteien(2414/A(E)). Diese ist laut FPÖ-Antrag mehr als zehn Jahre alt und enthält keine aktuellen Bedrohungsszenarien wie etwa jene durch den Krieg in der Ukraine oder die Gefahr eines Blackouts.

 

Im Ausschuss erklärte Volker Reifenberger (FPÖ), dass die österreichische Sicherheitsstrategie seit dem "gravierenden Umbruch" der geopolitischen Situation inhaltlich nicht mehr der aktuellen Bedrohungslage entspreche. Sie verfüge nur mehr über historischen Charakter. Nicht nur der Krieg in der Ukraine habe zu einem Paradigmenwechsel geführt, sondern auch die Entwicklung der Digitalisierung, ergänzte Robert Laimer (SPÖ), der sich dem Antrag anschloss.

 

Wir würden gerade eine "Zäsur in der europäischen Sicherheitsarchitektur" erleben, stimmte auch Friedrich Ofenauer (ÖVP) zu. Die aktuelle Bedrohungslage habe das Bewusstsein der Bevölkerung für die geistige Landesverteidigung wieder geschärft, was es der Politik erleichtere, notwendige Entscheidungen zugunsten der Wehrfähigkeit Österreichs zu treffen. Ofenauer gab zu bedenken, dass bereits Gespräche über Maßnahmen in diese Richtung, beispielsweise im Rahmen des "strategischen Kompasses", laufen würden und stellte daher einen Vertagungsantrag.

 

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) bekräftigte Ofenauer, warf jedoch ein, dass es gerade deswegen einer raschen Überarbeitung der Sicherheitsstrategie bedürfe. David Stögmüller (Grüne) erwiderte, dass zunächst die notwendigen Budgetmittel beschlossen werden müssten, bevor eine parlamentarische Debatte über die Sicherheitsstrategie geführt werden könne. Ein Argument, dem Hoyos-Trauttmansdorff widersprach, da er die Sachlage umgekehrt beurteile.

 

In einem weiteren Antrag spricht sich die FPÖ für ein Sonderinvestitionspaket für das Bundesheer in der Höhe von 1 Mrd. € noch im Jahr 2022 und die Anhebung des Regelbudgets für militärische Angelegenheiten auf 1% des Bruttoinlandsproduktes ab 2023 aus (2415/A(E)).

 

Hubert Fuchs (FPÖ) verwies auf die Vorgehensweise der deutschen Regierung, die mit einem Sonderbudget in der Höhe von 100 Mrd. € massiv aufrüsten und in den kommenden Jahren mehr als 2% ihres Bruttoinlandsproduktes für militärische Angelegenheiten zur Verfügung stellen würde. Auch das österreichische Bundesheer hätte nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine dringenden Investitionsbedarf. Fuchs fragte, warum das Bundesfinanzrahmengesetz nicht dementsprechend abgeändert wurde.

 

"Vollinhaltliche Unterstützung" für den Antrag der Freiheitlichen äußerte Andreas Hanger (ÖVP), sah jedoch zwei Schwachstellen, die ihn zum Stellen des Vertagungsantrages veranlassten. Einerseits sei das Sonderinvestitionspaket von 1 Mrd. € aufgrund von Vorlaufzeiten bei militärischen Beschaffungsvorgängen technisch kaum umsetzbar, andererseits habe die Verteidigungsministerin mit 1,5% des Bruttoinlandproduktes für militärische Angelegenheiten bereits ambitioniertere Ziele festgelegt, als nur 1%.

David Stögmüller bestritt die Sinnhaftigkeit, 1 Mrd. € ohne konkreten Fahrplan "in ein System zu schütten", wo die Mittel möglicherweise in die falschen Kanäle gelenkt würden.

 

Der Antrag illustriere das "Dilemma" der vergangenen Jahrzehnte, in denen man ständig die soziale gegen die militärische Sicherheit ausgespielt habe, sagte Klaudia Tanner und bemerkte, dass es klare Investitionspläne gebe, die das Budget auch über Legislaturperioden hinaus sichern sollen.

 

Wiedereinführung des achtmonatigen Grundwehrdienstes

Eine weitere Verbesserung der militärischen Wehrfähigkeit– insbesondere der Milizverbände – versprechen sich die Freiheitlichen von der Wiedereinführung des achtmonatigen Grundwehrdienstes im Modell 6 + 2 Monate, womit verpflichtende Milizübungen wieder in vollem Umfang möglich würden (2416/A(E)). Die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate bezeichnet Antragsteller Reinhard Eugen Bösch (FPÖ) als "verantwortungslos". Diese habe zu einem "dramatischen Fehlbestand" bei den Milizverbänden und –einheiten geführt und dem Bundesheer nachhaltig geschadet. Nur die Miliz ermögliche ein Anwachsen des Heeres auf die nötige Einsatzstärke, so Bösch.

 

Als Milizsoldat sehe sich Volker Reifenberger (FPÖ) selbst mit dem "permanenten Verfassungsbruch" konfrontiert, der die Unterfinanzierung und personelle Unterausstattung des Bundesheeres bedeute. Wenn dieser Zustand weiterhin nicht behoben werde, drohe aufgrund der "massiven Überalterung" auch das Verschwinden des letzten Truppenkerns der Miliz. Das Bundesheer sei gegenwärtig nichts anderes als ein Berufsheer mit Grundwehrdienern als "billige Systemerhalter", erklärte Reifenberger und sprach von einer "potemkinschen Miliz".

 

David Stögmüller (Grüne) entgegnete, dass auch eine Verlängerung des verpflichtenden Grundwehrdienstes an der "sinnlosen" Struktur nichts ändere. Dies werde auch durch die geringe Zahl derer demonstriert, die sich freiwillig melden.

 

Verteidigungsministerin Tanner formulierte die Absicht, die Anreizsysteme für die Miliz zu verbessern. Wesentliche erste Schritte in diese Richtung wie die Kaderausbildungsprämie seien bereits unternommen worden, es seien aber auch noch zahlreiche weitere Attraktivierungsmaßnahmen angedacht.

 

Streitkräfteentwicklungsgesetz

Bisher habe die Bundesregierung den "katastrophalen Zustand und die dramatische Unterfinanzierung" des Bundesheeres ignoriert, kritisieren die Freiheitlichen in einer Gesetzesinitiative (2545/A). Zur Wahrnehmung seiner von der Verfassung vorgegebenen Aufgabe der militärischen Landesverteidigung benötige das Bundesheer eine langfristige finanzielle Planungssicherheit. Diese könne es nur geben, wenn das Budget im entsprechendem Umfang für mehrere Jahre "über Gesetzgebungsperioden und Regierungswechsel hinaus" gesichert sei, heißt es im Antrag. Daher schlägt die FPÖ ein Bundesgesetz über die langfristige Finanzierung der Entwicklung des Österreichischen Bundesheeres (Streitkräfteentwicklungsgesetz – SEG) vor. Das SEG soll unter anderem vorsehen, dass mindestens ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die militärische Landesverteidigung vorzusehen ist und die Bundesregierung dem Nationalrat jährlich einen Bericht über die Entwicklung des Bundesheeres vorzulegen hat.

 

Man wolle mit diesem Antrag der Regierung die Hand reichen, erklärte Ausschussobmann Bösch, um Sicherzustellen, dass diese ihre Ankündigungen auch umsetzen könne. Im Finanzrahmengesetz sei schließlich "kein Euro mehr" für die militärische Landesverteidigung veranschlagt worden. Aufgrund der bereits eingeplanten Budgeterhöhungen durch die Bundesregierung stellte Manfred Hofinger (ÖVP) einen Vertagungsantrag.

 

NEOS wollen Konzept zur ökonomischen Nutzung des Landesverteidigungsbudgets

Der Überfall Russlands auf die Ukraine habe einen militärstrategischen Paradigmenwechsel eingeleitet, nach dem nun praktisch jede Waffengattung nach dem "politisch opportunen Gießkannenprinzip" mit mehr finanziellen Ressourcen bedient werden soll, erklärt Douglas Hoyos Trauttmansdorff in einem Entschließungsantrag (2371A/(E)). Dabei fehle eine Analyse, für welche eintrittswahrscheinlichen Szenarien gewisse Waffengattungen und die dafür notwendigen Budgetmittel realistischer Weise gebraucht werden. Daher fordert er die Verteidigungsministerin auf, eine Analyse mit nach Eintrittswahrscheinlichkeit gereihten Einsatzszenarien vorzulegen, für jedes Szenario einen Kosten-Nutzen-Vergleich der verschiedenen Waffengattungen zur Zielerreichung zu erstellen und einen Vergleich zwischen der Zielerreichung in einem selbstständigen Einsatz des Bundesheeres und einem gemeinsamen Einsatz in einer europäischen Allianz anzustellen. Zudem soll evaluiert werden, welche Effizienzsteigerungen und Kostenersparnisse durch das Pooling verschiedener Waffengattungen mit den GSVP-Partnerstaaten zu erreichen wäre.

 

Es handle sie hierbei um einen Antrag, den man geradezu nicht ablehnen könne, zeigte sich Wolfgang Brandstätter (NEOS) zuversichtlich. Er verwies auf Beiträge im russischen Fernsehen, die von einer hohen Aggressivität zeugten und betonte, dass es auch um Bedrohungsanalysen gehen müsse. David Stögmüller (Grüne) stimmte den im Antrag angeführten Punkten zu, gab jedoch zu bedenken, dass es eines parlamentarischen Prozesses bedürfe, um diese Gesamtanalyse zu verhandeln. Er stellte einen Antrag auf Vertagung.

Hearing für die Position des/der Generalstabschef:in im Landesverteidigungsausschuss

Im Gegenzug für die Unterstützung aller Fraktionen für die Aufstockung des Landesverteidigungsbudgets habe Verteidigungsministerin Klaudia Tanner Transparenz und eine stärkere Einbindung der Volksvertretung versprochen. Die Bestellung des/der Generalstabschef:in biete laut Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) eine günstige Gelegenheit dafür. Er fordert, die drei höchstgereihten Kandidat:innen für die Position einem Hearing im Landesverteidigungsausschuss zu unterziehen und dessen Vorschläge in die Entscheidung miteinzubeziehen (2530/A(E)).

 

Die Einbindung der Volksvertretung sei auch bei dieser Frage wichtig, so Helmut Brandstätter (NEOS), umso mehr, da die Bevölkerung hier erkennen könne, welche hervorragenden Persönlichkeiten es im Bundesheer gebe. Ein öffentliches Hearing würde dafür die angemessene Aufmerksamkeit erzeugen. Cornelia Ecker (SPÖ) signalisierte ihre Zustimmung zu dem Antrag und erklärte, dass es neben der parlamentarischen Kontrolle des Prozesses auch um die Transparenz gehe.

 

Friedrich Ofenauer (ÖVP) erwiderte, dass die Besetzung der Position der Chefin bzw. des Chefs des Generalstabs anhand des Ausschreibungsgesetzes erfolgen müsse und sah keinen Anlass dieses abzuändern, um ein Hearing durchführen zu können. Insbesondere, da dies bei ähnlichen Besetzungsvorgängen dann auch gefordert werden könnte.

 

Anpassung der Befugnisse der Nachrichtendienste

Zudem sehen die NEOS Aktualisierungsbedarf bezüglich des Militärbefugnisgesetzes (MBG) (2370/A(E)). Dieses regelt unter anderem den rechtlichen Rahmen für die nachrichtendienstliche Aufklärung und Abwehr und beschränkt diese auf den militärischen Bereich. Für die NEOS stellt das eine "sachlich nicht mehr gerechtfertigte Limitierung" dar, da sich die Bedrohungslage weg von ausschließlich militärischen hin zu "hybriden-, cyber- und terroristischen Szenarien" entwickelt habe, wie es in dem Antrag heißt. Dementsprechend seien die Befugnisse der Nachrichtendienste im MBG von "militärischen Tatsachen, Vorgängen und Vorhaben" auf "sicherheitspolitische Tatsachen, Vorgänge und Vorhaben" zu erweitern.

Weiters würden sich die Regelungen, insbesondere was die Informationsbeschaffung im Cyberraum und die dazu verwendeten technischen Mittel betrifft, zu wenig spezifisch gestalten. Daher sei zu prüfen, ob die rechtlichen Limitierungen im Sinne des Schutzes der nationalen Sicherheit sinnvoll und in Abwägung mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte verhältnismäßig sind. Zudem sollen laut Antrag die Befugnisse des Heeres-Nachrichtenamtes (HNaA) im Zuge der internationalen Zusammenarbeit jenen der Partnerdienste ähnlich gestellt werden, um einer Marginalisierung der österreichischen Dienste entgegenzuwirken.

Aufgrund geänderter Kommunikationsgepflogenheiten von möglichen Gefährder:innen soll außerdem die gegenwärtige Rechtslage dahingehend geändert werden, dass das HNaA autorisiert wird, im Anlassfall in ausländische Computersysteme, Netzwerke sowie Informationsaustauschkanäle wie Soziale Medien einzudringen.

 

Im Ausschuss äußerte sich Robert Laimer (SPÖ) zustimmend zu dem Antrag, der in die sinnvolle Richtung gehe, sich den Rahmenbedingungen der Digitalisierung anzupassen. Auch Süleyman Zorba (Grüne) schloss sich der Intention des Antrags grundsätzlich an, gab jedoch zu bedenken, dass eine derartige Ausweitung der Überwachungsbefugnisse eines breiteren Diskussionsprozesses bedürfe.

 

Beide österreichischen Nachrichtendienste hätten zu dieser Thematik bereits Positionspapiere verfasst, aus denen der Handlungsbedarf in diesem Bereich eindeutig hervorgehe, sagte Verteidigungsministerin Tanner. Sie wies jedoch auch auf die hohe Sensibilität der Materie hin. 

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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