RRRrrrr Renners Rasende Randnotiz - Urin

Alon Renner (Potrait von Olivia Aloisi)
Alon Renner (Potrait von Olivia Aloisi)

DMZ – KOLUMNE ¦ Alon Renner ¦                         

 

Die letzten Wochen war ich dermassen «im Seich», dass ich beschlossen habe, eine Kolumne über das Thema Urin zu verfassen. Zartbesaitete Seelen mögen mir diesen Exkurs in die Abgründe der menschlichen Exkremente verzeihen. Spannendes gibt es hier aber gar manches zu entdecken.

 

Wir sind uns dessen nicht bewusst, denn wir erinnern uns nicht mehr, aber die ersten Monate unseres Lebens haben wir in Urin verbracht. Tatsächlich ist die Fruchtblase in der Gebärmutter zu achtzig Prozent mit dem Harn des Fötus gefüllt. Täglich pinkelt er eine Menge von zwei Tassen Tee. Die wohlig umspülte Mutterliebe ist also nichts anderes als das Produkt unserer eigenen Pisse.

 

Was der Urin alles sonst noch an erstaunlichen Dingen vermag, möchte ich Euch mit den folgenden Zeilen gerne näherbringen.

 

Im Laufe unseres Lebens produzieren wir ca. 38’000 Liter der goldenen Flüssigkeit, also einen ganzen Tanklaster voll. Doch trotz der Bedeutung, die sie in unserem Leben spielt, ist sie nach wie vor ein Tabuthema. Denn völlig zu Unrecht sehen wir in dem Erzeugnis unserer Harnblase vor allem einen schlechtriechenden Abfallstoff, den es anlässlich zu vieler unpassender Momente jeweils so schnell wie möglich zu entledigen gilt.

 

Und dies sollte nicht sein, denn bei genauerer Betrachtung bieten sich für unseren Harn eine Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten. Als Dünger, als Rohstoff, als Arzneimittel und sogar als Energieträger. Kein Wunder also, dass dieses exquisite Produkt bereits Gegenstand zahlreicher Patente ist.

Doch bevor wir uns der Fertigung widmen, sollten wir uns mit dem Melken, dem Ausschöpfen, der Gewinnung dieses kostbaren Gutes befassen. Denn nicht immer fliesst der gelbe Strahl. Und manchmal, da fliesst er zu oft und lässt sich nicht mehr kontrollieren.

 

Inkontinenz ist ein Problem, das erstaunlich viele junge aber natürlich auch viele ältere Menschen betrifft, insbesondere auch Frauen. Dies ist ein Thema, über das Betroffene nur ungerne sprechen, denn die Scham und die Eingeschränktheit einer derartigen gesundheitlichen Beschwerde können enorm sein. Leidtragende berichten darüber, dass sie ihre Wege minutiös einplanen, da gar manche alle dreissig Minuten auf das stille Örtchen müssen. Da wird nur schon der tägliche Arbeitsweg oder das Einkaufen von dringend benötigten Lebensmitteln zur grossen Herausforderung.

 

Häufig ist die Blase der Spiegel der Seele. Wenn wir Ärger, Ängste oder Sorgen haben, wirkt sich dies sehr schnell auf sie aus. Dann machen wir uns wortwörtlich in die Hose.

 

Was aber tun, wenn die Blase eine schüchterne ist? Wenn sie zumeist verlegen in der Ecke steht, den Eindruck, den sie vermittelt, ein betretener ist und sie sich ganz eigentlich im Leben nichts traut?

Eine schüchterne Blase (Paruresis) wird als die Schwierigkeit oder die Unfähigkeit definiert, in der Anwesenheit anderer zu urinieren. Betroffene befällt eine Blockade, psychologisch definiert man dies als Angst, sobald sie eine öffentliche Toilette betreten. Egal wie gross der Druck zur Erleichterung davor auch immer war, vor anderen Menschen funktioniert dies mit dem Pischen (Jiddisch für Pinkeln) nicht. Anderen Menschen bei dieser Tätigkeit zu begegnen, zu wissen, dass diese ihnen zuhören, oder nur schon der Umstand, dass draussen jemand ungeduldig darauf wartet, ebenso das Klo betreten zu dürfen, führt zu der grössten Schwierigkeit, Wasser zu lassen. «Ich stehe dann einfach da und es passiert nichts.» beschreibt ein hiervon Befallener resigniert. «Ich bin innerlich vollkommen erstarrt.»

 

Manchen hilft es, wenn sie das Pissoir alleine nutzen können, respektive dieses in Momenten der Abwesenheit anderer Menschen in Anspruch nehmen. Den Meisten bleibt aber nichts anderes übrig, als sich mit Kopfhörern auf die in Herrentoiletten spärlich bestückten geschlossenen Abteile zu verdrücken.

Dieses Phänomen führt nicht selten zu Problemen am Arbeitsplatz. Auch die Beziehung zu anderen Menschen leidet darunter, wenn man ständig nur darüber nachdenkt, ob man eine benutzbare öffentliche Bedürfnisanstalt finden wird.

 

Man schätzt, dass in den USA rund 7% der Bevölkerung unter einer schüchternen Blase leidet. In Deutschland sind es ungefähr 1-2 %, in Frankreich 5% und in den skandinavischen Ländern sogar 10%. Dabei gilt es zu beachten, dass dies Männer und Frauen gleichermassen trifft. Mit dem grossen Unterschied allerdings, dass Frauen auf öffentlichen Toiletten natürlich ungestörter sind. In Japan hat man spannenderweise musikalische Klosetts entwickelt, die alle Geräusche übertönen. Nur so können manche Frauen sich überhaupt erleichtern.

 

In der gesamten Menschheitsgeschichte wurde der Urin auf Krankheiten untersucht. Ja schon im alten Ägypten diente der Harn dazu, Schwangerschaften festzustellen. Was da täglich von uns abfliesst, liess sich gut betrachten und sowohl die Konsistenz als auch die Farbe und den Geruch konnte man beurteilen. Manche gingen sogar so weit, ihn zu probieren.

 

Da die Notdurft oft eine entscheidende Rolle in der medizinischen Diagnostik spielte, erhoben manche Ärzte die goldene Flüssigkeit bald selbst zum Heilmittel: die Urintherapie war geboren.

Urintherapeuten raten dazu, den eigenen Harn zu trinken um gesund zu bleiben. Ein Rat den viele befolgen. Und mit viele meine ich Millionen. Millionen Menschen weltweit tun dies. Sie trinken ihre eigene Ausscheidung. Die Einnahme des prickelnden Natursekts hat tatsächlich eine sehr lange Tradition und galt im Wandel der Zeiten als eine gesundheitsfördernde Massnahme. Ob dies stimmt, lässt sich nur schwer entscheiden. Wenn man diejenigen fragt, die sich dieser Methode bedienen, werden sie sehr wahrscheinlich antworten, dass dies funktioniert. Die Wirkung allerdings lässt sich nicht beweisen,

 

Als zungenbelebende Köstlichkeit gilt die mittlere Portion zwischen dem ersten Strahl und dem letzten Tropfen. Gegen Kopfschmerzen, Entzündungen, Asthma Anfälle und Zahnschmerzen soll Harn besonders gut helfen. Dabei trinken manche jeden Morgen ein Glas und gar andere zwei Mal täglich. Anfänger können regelmässig zwei Esslöffel in eine Tasse Wasser geben oder in Fruchtsaft einzurühren. Dies beseitigt die üblichen psychologischen Blockaden.

 

«Wenn man feststellt, dass man daran nicht stirbt, werden die Patienten allmählich immer offener. Irgendwann haben sie kein Problem mehr damit, ihren Urin zu trinken» meint ein bekannter Heilpraktiker. Bei Infektionen soll dieses Heilverfahren auch das Immunsystem stärken...

 

Der Mensch ist aber nicht das einzige Lebewesen, das um den therapeutischen Nutzen des Urins weiss. Manche Affenarten trinken ständig den eigenen Urin. Dies ist Teil ihres Überlebensdrangs. Diese Therapie ist so natürlich wie sie alt ist. Und manche Tiere setzen sie instinktiv ein.

 

Über dieses Thema habe ich nun dermassen viel recherchiert, da fliesst noch viel Wasser den Bach hinunter, bis ich Euch alle meine Erkenntnisse mitgeteilt habe. Freut Euch auf einen zweiten Teil.

 

Ganz liebe Grüsse

Euer Alon

PS da bin ich mal gespannt, war nach dieser Lektüre alles aufs Häuschen musste 

 

 

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