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Ungarn, die lustigste Baracke von Gazprom

DMZ –  INTERNATIONAL ¦ Zoltán Kovács ¦               Zoltán Kovács - Schriftsteller, Publizist, Pro Literatura-Preis, Joseph Pulitzer Erinnerungspreis

KOMMENTAR

 

Ich lese in früheren Reden von Orbán. Das kann komisch, oder doch eher tragisch sein!

Im Jahre 2007 sagte er als Oppositionsführer seiner Fidesz-Partei: „Während es gelungen ist, uns vom Schicksal der „lustigsten Baracke der Sowjetunion“ zu befreien sollten wir es nicht akzeptieren, dass Ungarn jetzt zur lustigsten Baracke von Gazprom wird.“

 

Ich meine, er hat sich hier gegen die Abhängigkeit von russischer Energie ausgesprochen. Viktor Orbán war 2007 der Meinung, man könne sie, wenn schon nicht ganz vermeiden, dann wenigstens erheblich reduzieren. Wie kann man den Kern dieser Aussage ansonsten interpretieren? Aber er sagte es genauso; er hatte betont, der Leitsatz seiner Fidesz-Partei sollte für die Zukunft sein: „Wir haben für den Westen die Tür geöffnet, aber den Russen, der Sowjetunion und dem Kommunismus die Tür gewiesen. Die Jugend sollte es nicht zulassen, dass die Russen durch die Hintertür wieder zurückkriechen.“

 

Das sagte er am 30. März 2007 in einer Parteiversammlung der Fidesz. Nachdem er 2010 an die Macht gekommen war, tat er aber genau das Gegenteil.

 

Für die Russen und den Osten hatte er die Tür geöffnet, dem Westen die Tür gewiesen. So sind wir allmählich die lustigste Baracke von Gazprom geworden. Eintreten für westliche Werte? Fehlanzeige! In Tusványos (Rumänien) erklärte Orbán 2016 die Führung Europas für gescheitert. Brüssel sei ein größeres Problem als Mekka, die Wirtschaft und die Demokratie des Westens befänden sich in einer Krise.

 

Erstaunlich wie die Welt sich in wenigen Jahren so sehr verändern konnte. Seiner Ansicht nach waren bereits 2010, als er die Wahlen gewann, am Himmel des Westens dunkle Wolken aufgezogen. Vier Monate nach seiner Amtseinführung als Ministerpräsident erklärte er, dass nicht die Bürokraten in Brüssel bestimmen sollten, was man in Ungarn für Demokratie und Meinungsfreiheit tun sollte. Im Eiltempo verabschiedete gleichzeitig das von Fidesz beherrschte ungarische Parlament das neue Mediengesetz, das die Pressefreiheit einschränkte.

 

Was die Reduzierung der Energieabhängigkeit von Russland betrifft, hat Orbán statt etwas dagegen zu unternehmen seine Fäden zu Russland eher enger gesponnen. Aber das ist ja allgemein bekannt. Das Bild hat sich höchstens dahingegen etwas verändert, dass er und seine Mitstreiter versuchten, den Westen in ihr Anbiedern an Putin zu verwickeln. Ein EU-Parlamentarier aus der Fidesz-Partei hat sich unlängst im Staatsfernsehen echauffiert: „Es kommt noch so weit, dass die Folgen des kommunistischen Regimes uns angelastet werden“. Das ist zwar grober Unfug, doch die Einstellung zu Ungarn wäre heute weltweit wesentlich positiver, wenn die letzten zehn Jahre nicht im Zeichen der bedingungslosen Zustimmung der ungarischen Führung zu Putins Politik gestanden hätten, sondern die Regierung auch mal den Willen zur politischen Unabhängigkeit gezeigt hätte.

 

Dazu kommt, dass die Einstellung der Orbán-Regierung zum Krieg in der Ukraine mittlerweile alle Mitgliedsstaaten der EU irritiert. Orbáns Verbundenheit mit Putin lässt sich nicht allein mit dem Energieproblem erklären. Früher oder später wird es dazu kommen, dass die EU die Lösung solcher Probleme ohne Ungarn suchen wird. Gegenwärtig nimmt man noch Rücksicht auf die ungarische Regierung, trotz der Slogans von Orbán wie „Das ist nicht unser Krieg““ (was an und für sich ja stimmt) oder: „Wir wollen uns aus diesem Krieg heraushalten“ oder „Ungarn ist die letzte Bastion der christlichen-konservativen Weltanschauung“. Was Letzteres hier soll, ist schwer nachzuvollziehen. Na ja, aber natürlich kann alles mit allem zusammenhängen…

 

Wichtig ist: Diese Sprüche verfehlen ihre Wirkung in der ungarischen Provinz leider nicht.

István Szent-Iványi, ehemaliges Mitglied im Europaparlament, hat wahrscheinlich recht, wenn er behauptet, Orbán schwingt nur Reden über seine internationalen Erfolge, während ihm inzwischen die Verbündeten abhandenkommen. So gesehen sei er in der Tat die letzte Bastion, denn selbst seine früheren Freunde reden nicht mehr mit ihm. Auch der sogenannte V4 –Verbund (Polen, Tschechei, Slowakei und Ungarn) befände sich in Auflösung.

 

Fehlt etwa die Perspektive bei Orbáns Entscheidungen? Auch das Festhalten an der Anbiederung zu Russland zeugte gewiss von Kurzsichtigkeit. Oder hat er sich tatsächlich vorgestellt, dass mit Konstantin Tschernenko als Generalsekretär vor Gorbatschow, der letzte Hardliner abgetreten ist, der von einer russischen Großmacht träumte?

 

Diese Orbáns und Putins waren damals jung, gutaussehend, sie stürmten den Himmel. Doch schon nach kurzer Zeit wurden aus Ihnen streitsüchtige Alleinherrscher. Noch ein treffendes Beispiel: Fidel Castro, der 1959 mit seinen Revolutionären und dem Versprechen, die Freiheit nach Kuba zu bringen, in Havanna einzog.

 

Nachdem die Castro Brüder und Che Guevara die Macht an sich gerissen hatten, herrschte einige Monate eine gewisse Toleranz, danach konnten sie machen, was sie wollten. Sie waren noch relativ jung, als in Kuba die gleiche Diktatur errichtet wurde, wie sie vorher schon unter Batista war.

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