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DE: Gastarbeiter können das Chaos am Flughafen nicht entwirren

DMZ –  VERKEHR ¦ Oliver Stock ¦                                          

 

Weil es Flughäfen und Airlines nicht rechtzeitig gelungen ist, nach der Pandemie wieder genügend Personal einzustellen, herrscht jetzt Chaos an den Flughäfen. Die Bundesregierung plant deswegen, Gastarbeiter für die Jobs beim Bodenpersonal anzuwerben. Doch auch das hilft denen, die jetzt ihren Urlaub antreten wollen, nichts.

 

 Manchmal fliegt nur der Koffer nicht mit. Manchmal müssen auch die Urlauber selber am Boden bleiben, weil sie keine Chance hatten, rechtzeitig durch die Sicherheitsprüfungen zu kommen und ihr Flugzeug zu erreichen. Und manchmal fällt der gesamte Flug aus, weil Arbeitskräfte vor allem am Boden, aber auch in der Luft fehlen, die fürs Starten, Landen und Fliegen notwendig sind. Das Chaos an den Flughäfen lichten sollen nun, so haben es sich Verkehrs, Arbeits- und Innenministerium ausgedacht, „Gastarbeiter“. Menschen also, die gezielt aus dem Ausland nach Deutschland eingeladen werden, um hier einen Job zu erledigen und dann wieder in ihr Heimatland zurückzukehren.

 

Der Begriff stammt aus den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als zunächst italienische Männer gezielt angeworben wurden, um in Deutschland beim Wiederaufbau der Industrie nach dem Krieg zu helfen. Jetzt geht es um das Wiederhochfahren der Luftfahrtbranche nach zweieinhalb Jahren Pandemie. Die Reisebranche war wie kaum eine andere von der Pandemie betroffen. Niemand durfte mehr fliegen, allein die Lufthansa strich darauf 40 000 Stellen im In- und Ausland. Mit dem Abflauen der Pandemie wuchs die Lust der Deutschen, endlich wieder zu verreisen. Die Branche erwartete einen Boom – und genau der ist jetzt eingetreten. Das Problem bei diesem Auf und Ab und wieder Auf: Arbeitskräfte zurückzugewinnen ist für Fluganbieter wie eben die Deutsche Lufthansa und auch für die Flughafen-Betreiber wie die Frankfurter Fraport derzeit schwieriger, als die Kunden zurückzugewinnen. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fehlen an den Flughäfen hierzulande mehr als 7000 Fachkräfte. Dazu kommen Ausfälle durch die, die sich wegen Corona aktuell krankmelden.

 

Weil die Situation an den Flughäfen derzeit mehr als ungemütlich ist und mancher lange geplante Urlaub ins Wasser fällt, hat sich die Bundesregierung eingeschaltet. Ihre Aufgabe ist es eigentlich nicht, und, was sie zur Lösung beitragen kann, ist auch fraglich, angesichts der ebenfalls chaotischen Zustände beim staatseigenen Reise- und Transportkonzern Deutsche Bahn. Dennoch haben die Ministerien Verkehr, Arbeit und Inneres eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet, deren Vorschlag nun das Anwerben von Gastarbeitern ist.

 

Das Problem bei dieser Idee ist die nötige Sicherheitsprüfung des neuen Personals. Die Kontrolle von Handgepäck und das Abtasten der Passagiere will Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf keinen Fall ungelernten Gastarbeitern überlassen: „Bei den Sicherheitskontrollen kommt das wegen der dort nötigen Ausbildung und den dort nötigen Sicherheitsstandards nicht in Betracht, sondern bei einfacheren Tätigkeiten wie der Gepäckabfertigung", sagte ihr Sprecher gegenüber der Tagesschau. Da allerdings hapert es gar nicht so sehr an Personal, wie beim Security-Check.

 

Wer dort arbeitet, muss selbst als besonders zuverlässig gelten. Das Regierungspräsidium Stuttgart ist beispielsweise für die Zulassung von Sicherheitspersonal an Flughäfen in Baden-Württemberg zuständig. Das Verfahren dauert üblicherweise zwischen zwei und vier Wochen. Und zwar unabhängig davon, ob die Person, die den Antrag stellt, aus dem Ausland stammt oder nicht. Schneller gehe es nicht, sagt eine Behördensprecherin. Demnach seien feste Verfahrensschritte einzuhalten, „die auf das EU-Recht abgestimmt sind". „Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Luftsicherheitspersonal neben einer Zuverlässigkeitsüberprüfung auch umfangreich geschult und dann geprüft werden müsste, sodass ein kurzfristiger Einsatz aufgrund der engen Zeitschiene kaum vorstellbar erscheint", fügt sie hinzu. Wer sich heute für den Job entscheidet, dürfte realistischerweise nicht vor September im Einsatz sein.

 

Vor diesem Hintergrund klingt die Ankündigung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zweifelhaft. Er hatte am Wochenende gesagt: „Die Bundesregierung plant, die Einreise von dringend benötigtem Personal aus dem Ausland für eine vorübergehende Tätigkeit in Deutschland zu ermöglichen.“ Eine vierstellige Zahl von Fachkräften soll bestenfalls schon von Juli an für einige Monate in Deutschland aushelfen. Noch komplizierter wird es dadurch, dass Heil auf jeden Fall vermeiden will, dass die neuen Gastarbeiter so behandelt werden, wie früher jene Saisonkräfte, die beispielsweise in der Fleischindustrie immer wieder gebraucht werden. Der Minister drängt vor allem darauf, dass die Arbeitskräfte ordentliche, wenn auch zeitlich befristete Tarifverträge bekommen und in zumutbaren Unterkünften leben können.

Damit sind die Hürden genannt. Und damit könnte es also sein, dass der erste Gastarbeiter an der Sicherheitsschleuse anfängt, wenn der letzte Fluggast schon wieder verschwunden ist. Sei es, weil Corona zurückkehrt, oder schlicht die Ferien vorüber sind.    

 

 

 Quelle / Herausgeber: Gastarbeiter können das Chaos am Flughafen nicht entwirren: WirtschaftsKurier - Nachrichten und Kommentare aus Politik und Wirtschaft

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