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Politik schläft weiter: Die mit Long Covid verbundenen Probleme werden unterschätzt

DMZ –  WISSENSCHAFT ¦ Sarah Koller ¦                          

KOMMENTAR

 

Was für die Menschen, die von Long Covid betroffen sind, die Hölle bedeutet, ist auch bereits heute für den Arbeitsmarkt überaus problematisch, weil viele betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr zu ihrer alten Leistungsfähigkeit zurückkehren können.

 

Weder die Schweiz, noch Deutschland oder Österreich haben die Kapazitäten, um den vielen Menschen mit Long Covid zu helfen. Man hat es über Jahre hinweg einfach ignoriert und nun wird man auch diesen bewusst gemachten Fehler der Politik, auszubügeln haben. Wie immer sind die Leitragenden die anderen. Es scheint, dass die Politik dieser drei Länder einfach nichts auslässt, um zu versagen. Die Schuld wiegt schwer – Verantwortung wird abgeschoben. Gesundheitlichen Langzeitfolgen nach einer Infektion sind schliesslich nicht nur für die Betroffenen ein Problem, sondern auch für das Gesundheitswesen, die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt, was man in den letzten Monaten schmerzhaft erfahren und erleben musste.

 

Die Zahlen der Fälle nehmen rasend schnell zu. Auch wenn das Krankheitsbild Long Covid oder Post Covid noch immer relativ diffus ist, steht doch fest, dass immer mehr Menschen davon betroffen sind. Genesen und doch nicht gesund – so geht es vielen ehemaligen Corona-Patientinnen und -Patienten. Wie viele Menschen es genau betrifft, ist nach wie vor schwer zu beziffern. Angaben von Experten variieren von 1 – 25% aller Infizierten. Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Auswertung von Versichertendaten der Techniker Krankenkasse  in Deutschland waren von Erwerbstätigen, die 2020 eine Coronadiagnose mit PCR-Test bekommen hatten, 2021 knapp ein Prozent mit der Diagnose Long Covid krankgeschrieben. Die Krankschreibungen dauerten demnach relativ lange – im Schnitt 105 Tage.

 

Betroffene sind oft müde oder erschöpft, können sich schwer konzentrieren: Long Covid trifft viele Corona-Infizierte. Eine deutsche Studie erforschte, welche Faktoren das Risiko dafür erhöhen. Symptome sind sehr vielfältig und schränken das „normale“ Leben teilweise massiv ein. Leider sind auch immer mehr Kinder davon betroffen. Symptome sind nicht immer eindeutig und ebenfalls nicht, wie Beschwerden mit einer Corona-Infektion zusammenhängen. Wie häufig diese Langzeitfolgen auftreten und welches mögliche Risikofaktoren dafür sind, hat eine Forschergruppe des Universitätsklinikums Tübingen in einer bevölkerungsbasierten Studie untersucht. Die Ergebnisse der Befragung veröffentlichte sie im „Deutschen Ärzteblatt“.

 

Langzeitfolgen sind bei Viruserkrankungen völlig normal

Kognitive Defizite, die teilweise schon demenzähnlich sind, massive Erschöpfung oder Beeinträchtigung der Atemmechanik. Die Diagnostik ist sehr aufwendig und die Versorgung der Patienten dazu noch sehr zeitintensiv. Die Menschen sehen optisch gesund aus und sind dennoch krank und nicht arbeitsfähig. In Zukunft werden die „Erwerbsunfähigkeitsstatistiken“ weiter gefüllt. Über diese Folgen muss man sich endlich Gedanken machen.

 

Als Langzeitfolgen von Covid-19 zählen hauptsächlich folgende Symptome:

  • Übermässige Müdigkeit und Erschöpfung

  • Kopfschmerzen

  • Husten

  • Kurzatmigkeit und Atembeschwerden

  • Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn

  • Schlaflosigkeit

  • Muskelermüdung/Muskelschmerzen

  • Schmerzen in der Brust

  • Intermittierendes Fieber

  • Hautausschläge

  • Beschwerden nach körperlicher Anstrengung

Long Covid belastet die Patienten unterschiedlich lange. Zwölf Monate sind keine Seltenheit und es kann bislang noch nicht gesagt werden, wann die Krankheit genau beendet ist. Die Ursachen sind noch nicht geklärt und Long Covid ist auch noch nicht heilbar. Gedächtnisprobleme, anhaltende Müdigkeit, immer wieder auftretende Gliederschmerzen: Das sind nur einige der möglichen anhaltenden Symptome nach einer Corona-Infektion. Experten unterscheiden diese in zwei Kategorien: Long Covid und Post Covid. Long Covid bezeichnet einen Zeitraum von mindestens vier Wochen nach der Infektion. Post Covid bedeutet, dass die Beschwerden mindestens zwölf Wochen anhalten. Langzeitfolgen sind bei Viruserkrankungen leider völlig normal, denn fast jede Viruserkrankung kann auch Langzeitverläufe zeigen. Sehr bekannt ist das von der Grippe.  

 

Die immer grössere Beweislage für Langzeitfolgen nach einer Infektion mit dem Coronavirus macht erneut deutlich, wie wichtig es ist, Ansteckungen und damit möglicherweise auch Fälle der Art des Chronischen Erschöpfungssyndroms zu verhindern. Auch bei Kindern! Denn auch bei einer Fallstudie mit schwedischen Kindern traten bei den Mädchen und Jungen Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen, Atemnot, Herzklopfen, Schwindel oder Halsschmerzen auf. Nach sechs bis acht Monaten hatten sich einige Symptome gebessert, doch alle Kinder litten noch unter Müdigkeit.

 

Studien zu Corona Langzeitfolgen

1. Studie aus Grossbritannien: 20 % berichten über Symptome 4 Wochen nach Infektion

Daten zur Corona Langzeitfolgen aus Grossbritannien berichten bei 20% der Patienten über protrahierte Symptome auch 4 Wochen nach Infektion. 6 Monate nach der Infektion werden bei 10% der Patienten noch Symptome angegeben. Insbesondere die chronische Fatigue kann 4 Wochen nach Infektion noch mit einer Häufigkeit von 35-34% der Fälle und 12 Wochen nach Infektion noch in 16-55% der Fälle vorliegen.

Greenhalgh, T., Knight, M., Court, C., Buxton, M., & Husain, L. (2020). Management of post-acute Covid-19 in primary care. BMJ, 370:m3026. DOI: 10.1136/bmj.m3026

 

2. Metaanalyse zu Long Covid zeigt 80% der Infizierten mit Langzeitsymptomen

In einer grossen Long Covid Metaanalyse basierend auf 47910 Teilnehmern konnte gezeigt werden, dass nach einer SARS-CoV-2-Infektion 80 % der Studienteilnehmer eines oder mehrere Langzeitsymptome aufwiesen. Die drei häufigsten Long-Covid-Symptome waren Fatigue (58 %), Kopfschmerzen (44 %) und Aufmerksamkeitsdefizite (27 %). Darüber hinaus wurden Haarausfall (25 %), Luftnot (24 %) sowie Ageusie (23 %) und Anosmie (21 %) beobachtet. 

Lopez-Leon, S., Wegman-Ostrosky, T., Perelman, C., Sepulveda, R., Rebolledo, P.A., Cuapio, A., & Villapol, S. (2021). More than 50 long-term effects of Covid-19: a systematic review and meta-analysis. medRxiv, 2021.01.27.21250617. DOI: https://doi.org/10.1101/2021.01.27.21250617

 

3. Lancet Studie zeigt 76% der Covid-19 Patienten auch nach 6 Monaten mit Symptomen

Eine Studie zu Long Covid publiziert im Lancet mit 1.733 Patienten, die in Wuhan (China) zwischen Januar und Mai erstmals mit Covid-19 diagnostiziert wurden ergab, dass 76 % der Covid-19-Patienten sechs Monate nach Symptombeginn mindestens ein Symptom hatten. Die Kohortenstudie, die die Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion bei Patienten im chinesischen Wuhan untersuchte, zeigt, dass das häufigste anhaltende Symptom Müdigkeit oder Muskelschwäche ist (63 % der Patienten), wobei die Patienten auch häufig unter Schlafstörungen leiden (26%). Angstzustände oder Depressionen wurden von 23 % der Patienten berichtet.

Huang, C., Huang, L., Wang, Y., Li, X., Ren, L., Gu, X.,& Cao, B. (2021). 6-month consequences of Covid-19 patients discharged from hospital: a cohort study. Lancet, 397, 220-232. DOI: doi.org/10.1016/ S0140-6736(20)32656-8

 

4. Irische Long Covid Studie spricht von 60 % der Covid-19 Erkrankten mit Langzeitfolgen nach 75 Tagen

Auch eine Long Covid Arbeitsgruppe aus Irland fand heraus, dass anhaltende Fatigue, Kurzatmigkeit und Unwohlsein nach akuter Covid-19-Infektion häufig sind. Nach durchschnittlich 75 Tagen zwischen Diagnose und Nachuntersuchung gaben über 60% der Studienteilnehmer an, dass sie „nicht wieder vollständig gesund“ geworden waren. In dieser Untersuchung hingen keine der Messwerte mit dem anfänglichen Schweregrad der Erkrankung zusammen.

Townsend, L., Dowds, J., O’Brien, K., Sheill, G., Dyer, A., O’Kelly, B., … & Bannan, C. (2021). Persistent poor health post-Covid-19 is not associated with respiratory complications or initial severity. AnnalsATS. DOI: https://doi.org/10.1513/AnnalsATS.202009-1175OC

 

5. Studie aus Bangladesch: Post-Covid-19-Syndrom bei 46 % der Patienten

In einer Studie aus Bangladesh betrug die Inzidenz des Post-Covid-19-Syndroms 46 %. Insgesamt zeigten 105 (30%) Patienten mindestens ein Symptom nach Covid-19, während 57 (16%) Patienten mehrere Symptome zeigten. Die postvirale Erschöpfung war das häufigste Merkmal (117). Weitere Merkmale waren anhaltender Husten (8,5 %), Atemnot nach Belastung (7 %), Kopfschmerzen (3,4 %), Schwindel (2,3 %) und schlafbezogene Störungen (5,9 %). 

Mahmud, R., Rahman, M., Rassel, M., Monayem, F., Sayeed, S., Islam, M. S., & Islam, M. M. (2021). Post-Covid-19 syndrom among symptomatic Covid-19 patients. A prospective cohort study in a tertiary care center of Bangladesh. PLOS ONE, 16(4). DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0249644

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