Als Dank an Graubünden

DMZ – KULTUR ¦ Urs Heinz Aerni ¦                                      

 

Hans Bollmann legt ein reiches Buch mit persönlichen Wandernotizen vor aber nicht nur, und gibt Auskunft über sein Verhältnis zu seiner zweiten Heimat 

 

Urs Heinz Aerni: Herr Bollmann, auf dem Tisch liegt ein schönes dickes Buch, eigentlich ein Kompendium mit dem Titel „GR Grossraum Lenzerheide“. Schielen Sie damit auf eine Urbanisierung der Heide?

 

Hans Bollmann: Mit der kleinen Buchstabenspielerei will ich daran erinnern, dass das Hochtal Lenzerheide ein Teil von Graubünden ist. Als Zürcher, der schon in der Schule von der besonderen Gemeindeautonomie in Graubünden gehört hat, schien mir diese Erinnerung an das Gemeinsame im Kanton der 150 Täler angezeigt.

 

Aerni: Und auch kein Schielen nach Fusionen also?

 

Bollmann: Nein, ich plädiere nicht für den Zusammenschluss mit Churwalden oder gar Chur, nicht einmal mit neuem Zentrum Lenzerheide und dem Gemeindehaus in einem neuen Wolkenkratzer höher als im Rheinquartier. Die derzeitigen Zusammenschlüsse etwa zur Gemeinde Albula oder Surses finde ich allerdings interessant. Wer mit wem und wieso? Da spielt doch wie so oft die Geographie eine wichtige Rolle. Die Geographie hat auch der Lenzerheide eine besondere Rolle zugespielt.

 

Aerni: Inwiefern?

 

Bollmann: Dass das sagenhafte „Bündner Rütli“ und auch der Dreibündenstein, wo sich einst die drei Bünde geografisch trafen, oder dass hier auf der Lenzerheide einst die Julierroute durchging, das sind alles keine Zufälligkeiten, sondern Folgen der Tatsache, dass die Lenzerheide unweit des geografischen Mittelpunkts von Graubünden und eben „im Herzen Mittelbündens“

 

Aerni: Was ja auf dem Buchumschlag zu lesen ist.

 

Bollmann: Richtig, auf diese besondere Lage möchte ich aufmerksam machen und dazu ermuntern, sie als Chance zu sehen und zu nutzen. Deshalb beginnt die Einführung zum Buch auch mit dem Satz „Die Lenzerheide hat etwas, was ihr weltweit (!) kein anderer Ferienort vergleichbarer Grösse streitig machen kann: die zentrale Verkehrslage in Graubünden.“

 

Aerni: Das schön gemachte und lexikativ wirkende Werk birgt eine Unmenge an Informationen und Wandertipps, geschrieben aus Ihrer persönlichen Sicht. Wo und wann entstand die Absicht dieses Buches?

 

Bollmann: Die Absicht, ein Buch zu schreiben, hatte ich sicher nie in der Zeit, als ich über sehr viele Jahre Notizen zu meinen Wanderungen machte. Ich denke, das sieht man dem Text des Buches auch an. Die Notizen machte ich nur für mich - so wie ich auch andere mache -, um einerseits mich selber „vermessen“ zu können, wie der Verlag es formuliert und anderseits um eine gleiche Wanderung bei einer Wiederholung, etwa mit Freunden oder mit „Regula“, besser planen zu können. So kam eine lange Liste zusammen und Freunde, die von dieser Liste wussten, fragten manchmal, ob sie meine Notizen mal anschauen dürften, um sich zu einer Tour inspirieren zu lassen.

 

Aerni: In der Tat, diese regen den Lesenden in der Tat an, die Wanderschuhe zu schnüren.

 

Bollmann: Ich dachte dann vor vielleicht drei Jahren mal daran, die Notizen für interessierte Freunde auszudrucken. Dann wurde ich vom Verlag Transhelvetica (der unserem Sohn und seiner Frau gehört) zu einem „richtigen Buch“ überredet. Als ich zögerte, hat ein anderer Freund, auch Verleger, dann den Ausschlag gegeben, indem er meinte, ich solle mich von Transhelvetica nur überreden lassen, die wüssten es besser als ich. Ich denke jetzt, er hatte recht.

 

Aerni: Ihre Leidenschaft für diese Region entstand durch regelmässige und berufsbedingte Reisen nach Lenzerheide. Was für ein Job führte Sie denn hierher?

 

Kein Job, sondern zuerst mal das Militär. Ich bin ein sogenannter „Militärbündner“. 1966 wurde ich als junger Leutnant in eine Bündner Einheit eingeteilt, notabene sehr umsichtig (und mit Nachsicht für den Zürcher Grünschnabel) kommandiert vom späteren Bündner Regierungspräsidenten Luzi Bärtsch, mit dem ich gerade kürzlich wieder mal militärnostalgische Erinnerungen austauschte. Dann konnten meine Frau und ich aus der Familie einen Zweitwohnsitz in Valbella übernehmen und seit Jahrzehnten sind wir deshalb auch in Valbella ansässig.

 

Aerni: Es sind ja nicht nur Wanderempfehlungen, sondern auch Wandernotizen, die Sie auf Ihren Touren machten, und dies seit Jahren. Eigentlich sind es Wanderprotokolle. Warum nicht ein klassischer Führer?

 

Davon gibt es genug. Aber ein Führer, wenn auch nur in dieser persönlichen Notizenform, primär für Einwohner und Gäste der Lenzerheide, den gibt es noch nicht. Ich denke auch, dass ich den Dank an die Region und insbesondere die Gemeinde Vaz / Obervaz nur in dieser persönlichen Form ausdrücken kann.

 

Aerni: Welche Veränderungen und Trends beobachten Sie? Was macht nachdenklich, was ist erfreulich?

 

Bollmann: Darauf kann ich seriöserweise nicht in ein paar wenigen Sätzen eingehen. Natürlich sieht man Veränderungen und Trends wenn man, wie meine Frau und ich, 50 Jahre Lenzerheide überblicken darf. Natürlich denke ich darüber nach und finde ich längst nicht alles erfreulich. Der Saldo - und auf den kommt es mir meistens an - ist für mich jedoch eindeutig positiv, sehr sogar, natürlich auch wegen der Möglichkeit, mich im ganzen Grossraum bewegen zu können.

 

Aerni: Die Texte werden unterbrochen von schönen Bildern und sie arbeiten immer noch mit klassischem Kartenmaterial der Swisstopo. Schwebt hier noch etwas Sehnsucht nach alten Zeiten mit?

 

Bollmann: Alle Fotos sind zeitlos, Swisstopo ist top. Sehnsucht nach alten Zeiten? Das schiene mir ein ungesunder Gemütszustand zu sein.

 

Aerni: Es ist eine Liebeserklärung an Graubünden, die sie hier gedruckt der Öffentlichkeit übergeben. Schlussfrage: Welchen Teil meines Lebens hätte ich verpasst, wenn ich nie nach Graubünden gekommen wäre?

 

Bollmann: Wenn ich nicht als junger Leutnant in einer Bündner Einheit eingeteilt worden wäre, um dann während vieler Jahre, auch in anderen Funktionen, mal mit diesem, mal mit einem andern, eben vor allem Bündner, Militärkameraden aller Grade und Herkunft, Dienst zu leisten, vom Oberland bis ins Puschlav, von Castasegna bis zur Sperre von Martina oder der Klus, dann hätte ich nicht diesen einzigartigen Zugang zum vielfältigsten Kanton der Schweiz gehabt. Nach Graubünden wäre ich sicher trotzdem gekommen. Aber ohne das Verständnis für die Vielfalt hätte ich Wesentliches verpasst.

Das Buch: „GR Grossraum Lenzerheide“ von Hans F. Bollmann, Verlag Transhelvetica, 2022, 500 Seiten, ISBN 978-3-907345-03-0

 

 

Hans Bollmann, Dr. iur., Jahrgang 1943, war nach einem Praxisjahr in den USA 50 Jahre als Rechtsanwalt in Zürich tätig, mit einer sehr vielfältigen, international ausgerichteten Praxis, verbunden mit verschiedensten Verwaltungsratsmandaten und anderen Aufgaben (auch in der Touristik). Nun widmet er sich mehr seinen vielen Hobbies. Die Publikation seines Plaidoyers für den „Grossraum Lenzerheide“ ist eines davon.

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