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Affenpocken – das Update und Klarheit über Ansteckungsmöglichkeiten

DMZ –  WISSENSCHAFT ¦ Sarah Koller ¦                  

 

Das Affenpockenvirus kann tage- und sogar wochenlang auf gekühlten Lebensmitteln und im Wasser stabil bleiben, so ein Bericht der Wissenschafts- und Technologiedirektion des US-Heimatschutzministeriums (DHS). Aerosole spielen aber auch eine Rolle.

 

Wegen dem extrem raschen Anstieg der Zahl der Infektionen rief die WHO die höchste Alarmstufe aus. Viele Länder reagieren darauf und bieten Impfungen an. Andere wie die Schweiz, Österreich und Deutschland tun kaum etwas. In Österreich wird beruhigt mit Begründungen, die nur teilweise nachvollziehbar sind. Das grösste Defizit ist wieder einmal die Kommunikation, in allen drei Ländern.

 

Das Versagen geht weiter

Auch Deutschland unternimmt relativ wenig gegen Affenpocken. Kalifornien verhängt den Notstand, die Niederlande rufen Risikopatienten per Brief zur Impfung auf. Die Behörden in Deutschland belassen es dagegen bei Social-Media-Kampagnen und Aufklärung. Dabei gibt es pro Kopf viel mehr Fälle als etwa in den USA. Und der Impfstoff ist auf der ganzen Welt knapp. Die Schweiz führt wie gewohnt die Negativtabelle an und tut genau nichts, ausser „beobachten“. Das Versagen geht weiter.

 

In Deutschland sind im Mai 2022 erstmals Fälle von Affenpocken identifiziert worden. Mit Stand 4.8.2022 sind 2839 Affenpockenfälle aus allen 16 Bundesländern ans RKI übermittelt worden. Darunter auch unter Jugendlichen / Kindern. In der Schweiz sind es 312 laborbestätigte Fälle. In Österreich wurden bislang 132 Fälle von Affenpocken gemeldet (Stand 01.08.2022). 26048 Fälle sind es weltweit (Stand 4.8.22).

 

Aktueller Wissensstand

Es gibt vieles, was Wissenschaftler immer noch nicht über den Ausbruch wissen, einschliesslich der Gründe, warum es jetzt passiert, wenn die Krankheit historisch in West- und Zentralafrika endemisch geblieben ist. Man weiss, dass hohe Fallzahlen das Risiko steigern, dass das Virus heimisch wird – und für gefährlichere Mutationen.

 

Der DHS Science and Technology-Bericht, der am 12. Juli 22 veröffentlicht wurde, deckt einiges ab, von der Übertragbarkeit bis hin zu infektiösen Dosen. Ein Abschnitt enthält Informationen darüber, was man über die Umweltstabilität des Affenpockenvirus wissen - mit anderen Worten, wie lange es ausserhalb des Körpers überleben kann. Die CDC sagte auch, dass Pockenviren wie Affenpocken in Bettwäsche, Kleidung und Oberflächen besonders gut in dunklen, kühlen, trockenen Umgebungen überleben können. Poröse Materialien wie Bettwäsche und Kleidung können lebende Viren länger beherbergen als nicht poröse Materialien wie Kunststoff, Glas oder Metall, sagte die CDC.

 

Das Virus kann sich durch direkten Kontakt mit dem von ihm verursachten Hautausschlag, Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Kontakt mit Atemwegssekreten und intimem Kontakt wie Sex, Küssen, Umarmen und längerem Kontakt von Angesicht zu Angesicht ausbreiten, sagte die CDC. Auch schwangere Frauen können das Virus auf den Fötus übertragen. Darüber hinaus können Menschen das Virus von infizierten Tieren, einschliesslich ihres Fleisches, fangen.

Aber konkrete und deutliche Angaben zu Aerosolen werden (mit Absicht?) nicht gemacht.

 

Übertragungswege – falsche Angaben zur Beruhigung

Mitte 2019 war noch klar, dass nach der zoonotischen Übertragung die Ausbreitung der Affenpocken von Mensch zu Mensch hauptsächlich respiratorisch ist, dies wird heute geflissentlich verschwiegen oder abgestritten. Wissenschaftlich gesehen steht fest, dass sich die Ansteckungsarten von Viren nicht einfach ändern; Der Kontakt mit infektiösen Hautläsionen oder Schorf ist ein weiteres, wenn auch weniger häufiges Mittel zur Ausbreitung von Mensch zu Mensch. Afrikanische Nagetiere und Primaten können das Virus beherbergen und Menschen infizieren, aber der Reservoirwirt ist unbekannt.

 

Auch das National Center for Emerging and Zoonotic Infectious Diseases (NCEZID) bestätigt zuletzt noch am 18. Oktober 2021 die obengenannten Infektionsarten. In einer Studie zu Affenpocken vom 21. Juli 2022 wird gesagt, dass anzunehmen sei, dass die Übertragung von MPXV überwiegend durch direkten Kontakt mit Läsionen oder infizierten Körperflüssigkeiten erfolgt, mit möglicher Beteiligung von Fomiten und grossen Atemtröpfchen.

 

Bei der Studie wurden eine weit verbreitete Oberflächenkontamination identifiziert (66 positive von 73 Proben) in bewohnten Patientenzimmern (MPXV-DNA-Ct-Werte 24·7-38·6), auf persönlicher Schutzausrüstung des Gesundheitspersonals nach Gebrauch und in Ablagebereichen (Ct 26·3-34·3). Fünf von fünfzehn entnommenen Luftproben waren positiv. Bezeichnenderweise waren drei von vier Luftproben, die während eines Bettwäschewechsels im Zimmer eines Patienten gesammelt wurden, positiv (Ct 32·7-35·8). Das replikationskompetente Virus wurde in zwei von vier Proben identifiziert, die für die Virusisolierung ausgewählt wurden, einschliesslich aus Luftproben, die während des Bettwäschewechsels gesammelt wurden.

 

Diese Daten zeigen eine signifikante Kontamination in Isolationseinrichtungen und ein Potenzial für eine Aerosolisierung von MPXV während bestimmter Aktivitäten. Eine PSA-Kontamination wurde nach klinischem Kontakt und Wechsel der Bettwäsche beobachtet.

 

R-Wert für Affenpocken

Laut dem DHS-Bericht wird die grundlegende Reproduktionszahl oder der R-Wert für Affenpocken auf 0,57 bis 0,96 geschätzt, obwohl ein maximaler Wert von 1,25 beobachtet wurde. Die R-Nummer eines Virus bezieht sich darauf, wie viele Personen von jeder infizierten Person infiziert werden.

Der R-Wert für den aktuellen Ausbruch ist jedoch nicht bekannt. Es wird angenommen, dass die Übertragungsrate von Affenpocken im Laufe der Zeit zugenommen hat.

Affenpocken sind eine seltene, von Tieren auf Menschen übertragbare Viruserkrankung, die seit den siebziger Jahren vor allem in west- und zentralafrikanischen Ländern endemisch auftritt. Im Mai 2022 wurden die ersten Fälle in Europa registriert, bei denen die Infizierten zuvor nicht in afrikanische Endemiegebiete gereist waren. Seit Anfang Mai wurden außerhalb Afrikas weltweit über 1.800 Fälle von Affenpocken gezählt. Afrika gilt als das Epizentrum der Krankheit. Hier sind bereits 66 Menschen an den Affenpocken gestorben. 

 

WHO ruft höchste internationale Notlage aus

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Affenpocken-Ausbruch in mehr als 60 Ländern zu einer "Notlage von internationaler Tragweite" erklärt. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus rief damit am Samstag in Genf die höchste Alarmstufe aus, die sie bei einer Gesundheitsbedrohung verhängen kann.

Die Ausbreitung der Affenpocken wird aus Sicht des Freiburger Virologen Hartmut Hengel „im Moment deutlich unterschätzt“. Sie hätten mindestens das Potenzial, „uns in Zukunft Kopfzerbrechen zu bereiten“, sagte der Ärztliche Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Freiburg der „Badischen Zeitung“ (Samstag). 

Praktische Folgen hat das nicht. Die Einstufung soll die Regierungen der Mitgliedsländer dazu bewegen, Massnahmen zu ergreifen, um den Ausbruch einzudämmen.

 

 

Sie sollen Ärzte und Kliniken sensibilisieren, bei Verdachtsfällen Schutzmassnahmen treffen und die Bevölkerung aufklären, wie sie sich vor einer Ansteckung schützen kann. Tedros nannte die Zahl von mehr als 16.000 bestätigten Fällen in mehr als 60 Ländern, von denen viele vorher praktisch keine Affenpocken-Fälle kannten. In sechs afrikanischen Ländern, in denen das Virus schon früher auch Menschen infiziert hat, waren es über 240 Fälle. In Österreich wurden laut AGES bisher 99 Fälle von Affenpocken gemeldet (Stand 22. Juli). Die Erkrankung ist meldepflichtig.

 

Das aktuelle Epizentrum des Affenpocken-Ausbruchs ist Europa. Hier wurden 80 Prozent der seit Mai diesen Jahres weltweit bestätigten Infektionen gemeldet. 

 

Symptome

Experten hatten vor einer Weiterverbreitung des Virus, etwa bei bevorstehenden Festivals und Partys, gewarnt. Die Inkubationszeit beträgt laut Robert-Koch-Institut (RKI) 5 bis 21 Tage. Die Symptome (darunter zum Beispiel Fieber und Hautausschlag) verschwinden gewöhnlich innerhalb weniger Wochen von selbst, können bei einigen Menschen aber zu medizinischen Komplikationen und in sehr seltenen Fällen auch zum Tod führen.

Ein Ausschuss aus unabhängigen Fachleuten hatte sich zuvor nicht auf eine gemeinsame Empfehlung geeinigt, ob eine Notlage ausgerufen werden sollte. Die englische Abkürzung für eine Notlage ist PHEIC. Das steht für "public health emergency of international concern".

 

Vorgehen bei Notlagen

Auch den Ausbruch des Coronavirus SARS-CoV-2 hatte die WHO am 30. Januar 2020 als solche Notlage deklariert. Das bedeutet aber nicht, dass die Menschen sich nun bei Affenpocken auf dieselben Massnahmen wie bei der Corona-Pandemie einrichten müssen. Während sich das Coronavirus durch Aerosole mit Virenpartikeln verbreitet, die Infizierte beim Atmen, Sprechen oder Husten ausstossen, erfolgen Infektionen mit Affenpocken nach derzeitigem Wissensstand in der Regel vorwiegend durch engen Körperkontakt.

Die WHO richtet je nach Krankheit bei Bedarf Notfallausschüsse ein, die mit jeweils anderen Fachleuten besetzt werden. Zur Zeit gilt neben der Notlage internationaler Tragweite wegen Corona seit 2020 auch eine Notlage wegen Polio-Ausbrüchen (seit 2014).

 

Abgeschlossene Notlagen waren der Ausbruch der Schweinegrippe H1N1 (2010), des Zika-Virus (2016) und von Ebola (2014-2016 und 2019). Die WHO hatte seinerzeit auch Notfallausschüsse wegen Mers-CoV (2013-2015) und wegen Gelbfieber (2016) einberufen. Die dazu konsultierten Fachleute kamen aber nicht zu dem Schluss, dass eine Notlage internationaler Tragweite erklärt werden sollte.

 

 

 

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