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China wird teurer und schwieriger als Russland – aber noch haben wir Gestaltungsoptionen

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Die Nachrichten zu China mehren sich und das ist gut so. Das Thema sickert endlich in unsere Öffentlichkeit. Wir müssen zwar noch üben, es einzuordnen, aber das wird hoffentlich bald besser. Heute dominiert eine von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft in Auftrag gegebene Ifo-Studie zur Frage einer Abkehr von den Handelsbeziehungen zu China.

 

Der Auftraggeber hat die Studie bekannt gegeben und wie immer berichtet zunächst dpa darüber – und ebenfalls wie immer wird diese Meldung einfach durch die Medien wiedergegeben. So findet sich vom Schwarzwälder Boten bis zur ZEIT überall derselbe Text: https://www.zeit.de/…/ifo-studie-entkopplung-von…

 

Dort lesen wir das vom Auftraggeber gewünschte. Ein Verlust der Wirtschaftsbeziehungen zu China würde Deutschland bis zu zehn Prozent an Wirtschaftsleistung kosten. Von Wohlstandsverlust, Arbeitslosigkeit, Verarmung und politischer Destabilisierung ist die Rede. Das Fazit des Auftraggebers lautet, man müsse an am Geschäftsmodell der Internationalisierung festhalten. Na denn. Beim schnellen lesen, „lernen“ wir also: Zu teuer, besser weiter so. Nord Stream 2 lässt grüßen.

 

Tatsächlich ist die Sache natürlich weitaus differenzierter. Die Studie untersucht fünf Szenarien, von denen die maximale Eskalation, nämlich ein Handelskrieg mit China, die genannten 10% BIP-Verlust bedeuten könnten. Die moderateren Szenarien gehen im geringsten Fall von knapp 1% aus. Das Fazit der Autoren selbst ist die Empfehlung, strategische Partnerschaften und Freihandelsabkommen mit gleichgesinnten Nationen anzustreben. Sie raten von der Idee einer Nationalisierung ab. Solche Handelsabkommen, insbesondere mit den USA, werden ebenfalls als Szenario gerechnet und sie könnten eine Abkehr von China zwar nicht vollständig ausgleichen, aber auf die Folgen des Brexit reduzieren. Der Titel der Studie lautet wesentlich weniger plakativ als die Medienaufmachung „Geopolitische Herausforderungen und ihre Folgen für das deutsche Wirtschaftsmodell“: https://www.ifo.de/…/geopolitische-herausforderungen

 

Das passt sehr gut zu einer Befragung, die das Ifo-Institut vor einigen Tagen unter den Ökonomen des Landes durchgeführt hatte. Mit dem vielsagenden Titel „Ökonominnen und Ökonomen für Einschränkung des Handels mit Autokratien“ wird hier als Fazit empfohlen, was auch meine Position ist, die ich hier bereits oft vertreten hatte: Einseitige Abhängigkeiten von Lieferketten beseitigen, international diversifizieren, keine De-Globalisierung, sondern eine breiter aufgestellte und politisch resilientere neue Globalisierung:

Es geht dabei aus meiner Sicht nicht zwingend darum, den Handel mit Autokratien zu beenden und den Planeten in abgeschirmte Interessenblöcke zu unterteilen. Das wäre für die ökologischen, ökonomischen und politischen Fragen kaum förderlich. Kooperation muss das Ziel bleiben. Aber wir müssen leider auch erkennen, dass das monokausal auf ökonomisch kurzfristige Vorteile ausgerichtete „Wandel durch Handel“ gründlich schief gelaufen ist – der Wandel ist in Form von Abhängigkeiten und Erpressbarkeiten eher bei uns eingetreten, er fördert gar die geopolitischen Handlungsräume von Autokratien. Das Ziel muss sein, auf Augenhöhe miteinander zu kooperieren. Mit Autokratien kann man nur dann erfolgreich verhandeln, wenn man militärisch und ökonomisch mit eigenen starken Positionen am Tisch sitzt. Das ist aus meiner Sicht Ziel, nicht die Einstellung von Handelsbeziehungen. Der Begriff der „Einschränkung“ ist insofern gut gewählt – weshalb wir über die 10% auch nicht wirklich weiter reden sollten.

 

In einer starken eigenen Position sind wir aber leider bei weitem nicht und es wird wie bei der Bereinigung von den Abhängigkeiten zu Russland schwierig und teuer. Die Ifo-Studie versucht sich erstmals, die dafür in Frage kommenden Szenarien und Optionen zu quantifizieren. Die 10% gehören insofern dazu, um die Größenordnung der Herausforderung mal zu benennen. Das aber in den Medienberichten hervorzuheben, ist falsch. Die Studie belegt vielmehr, dass wir – noch!! – Handlungsoptionen haben, die bereits eingetretene Schieflage zu korrigieren. Zum Nulltarif ist auch das nicht zu haben, aber wir sollten uns dringend auf den Weg machen, damit es nicht analog zur Gaskrise in einer Notlage mündet, deren Preis uns dann komplett entgleitet.

 

Dass es im Fall China übrigens im Unterschied zu Russland nicht nur teurer, sondern weitaus schwieriger wird, zeigt eine zweite Meldung dieser Tage. Demnach ist es dem eigentlich durch US-Sanktionen ausgebremsten chinesischen Chipentwickler SMIC in erstaunlich kurzer Zeit gelungen, zu den führenden Technologien von TSMC aus Taiwan aufzuschließen: https://www.golem.de/…/smic-chinesischer-7-nm-chip…

 

Das ist eine ganz typische Entwicklung aus vielen Hightech-Umfeldern und sie zeigt, wie rasch China seinerseits strategische Nachteile korrigieren kann. Das ist eine gänzlich andere Leistungsfähigkeit als in Russland. Es sieht auch hier danach aus, dass die Chinesen sehr rasch kopieren können. Sie sind noch nicht ganz auf Augenhöhe, aber das dauert nicht mehr lange. Erfahrungsgemäß bleibt es dabei dann nicht, denn Chinesen sollten nicht als Kopisten unterschätzt werden, sie erreichen in immer mehr Technologien inzwischen die Innovationsführung.

 

Das alles wären für sich genommen positive Nachrichten für einen gesunden Innovationswettbewerb auf dem Planeten. Da autokratische Systeme es aber nicht beim freien Wettbewerb belassen, sondern für leider erkennbare nationalistisch/imperialistische Politik einsetzen, müssen wir diesen Wettbewerb anders interpretieren und entsprechend aufgreifen.

 

Abschließend gehört die selbstkritische Feststellung dazu, dass auch Demokratien keineswegs frei davon sind, imperialistische Ziele zu verfolgen und der Hort des freien Wettbewerbs sind sie per se auch nicht. Was die Autokratien machen, ist methodisch nicht von denen erfunden worden. Insofern ist es genau der richtige Hinweis in der Ifo-Studie, dass eine Lösung der Situation darin zu suchen ist, genau mit diesen Methoden zu brechen.

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