Verbesserte Biomaterialien aus Fichtenholzrückständen

Bildquelle: https://www.bionanopolys.eu
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DMZ –  WIRTSCHAFT / UMWELT ¦ Martin Walpot ¦

 

Im Horizon 2020 Projekt Bionanopolys werden neuartige Biomaterialien mit einer verbesserten Performance für Anwendungsbereiche wie Verpackungen, Textilien, Landwirtschafts- und Nahrungsmittelindustrie sowie dem Pharma-, Kosmetik- und Hygienesektor entwickelt. Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) bringt seine Expertise in der Entwicklung und Verbesserung von Enzymen ein, um Biomasse – etwa aus Fichtenholzrückständen – zur Weiterverarbeitung aufzubereiten. 

 

Klimaschutz, Reduzierung der Treibhausgasemissionen und Einsparung fossiler Ressourcen sind entscheidend, um eine nachhaltigere Zukunft zu gestalten. Potenzielle Alternativen zu fossilbasierten Materialien können sogenannte Biomaterialien darstellen. Diese Stoffe, die zu medizinischen, therapeutischen oder diagnostischen Zwecken mit biologischen Systemen interagieren, müssen jedoch funktionale Eigenschaften für großvolumige Anwendungen mitbringen und noch besser als ihre fossilen Gegenstücke funktionieren, um von der Industrie und den Endverbrauchern angenommen zu werden. Zudem sind fossil-basierte Materialien preislich immer noch günstiger – bisher eine Barriere für eine erfolgreiche Markteintrittsstrategie von Biomaterialien.

 

Biobasierte Nanoprodukte für verschiedene Märkte

Um Biomaterialien mit den gewünschten Eigenschaften auszustatten und sie für eine industrielle Nutzung interessanter zu machen, wurde das EU-Projekt Bionanopolys gegründet. Bionanopolys vereint europäische Experten von 27 wissenschaftlichen und industriellen Partnern auf diesem Gebiet, um eine Open Innovation Test Bed (OITB)-Umgebung zu entwickeln. "Ziel ist es, in Europa innovative Bionanokomposite aus nachhaltig gewonnenen, nachwachsenden Rohstoffen sowie biobasierte Nanoprodukte für die Bereiche Verpackung, Textil, Landwirtschaft, Kosmetik und Hygiene, Pharma oder Lebensmittel herzustellen", erklärt Dr. María Jorda vom Forschungszentrum ITENE und Koordinatorin des durch das Programm Horizon 2020 mit geförderten Projekts mit einem Gesamtbudget von 13 Mio. €.

 

Zu diesem Zweck wird Bionanopolys einerseits hoch lignozellulosehaltige Ausgangsstoffe für die Produktion von Cellulose-Nanofasern, Cellulose-Nanokristallen, Nanolignin und metallischen Nanopartikeln verwenden. Andererseits werden Rohstoffe mit hohem Zuckergehalt für die Produktion von biotechnologischen Bausteinen, organischen Säuren, Polyhydroxyalkanoaten (PHA) – auch als Milchsäure bekannt, die zu Bioplastik weiterverarbeitet wird – und aktiven Verbindungen zur Herstellung von Nanokapseln für Pharma- und Kosmetikprodukte dienen.

 

Prozesse und Technologien neu gedacht

Rohstoffe werden aus Fichtenhackschnitzel, Einjahrespflanzen wie Miscanthus sinensis (Chinagras), Nebenprodukten der Lebensmittelindustrie und städtischen organischen Abfällen gesammelt, um neue Anwendungen und Produkte zu schaffen, die recycelbar oder kompostierbar und somit umweltfreundlich sind. „Die gesammelte Biomasse muss aufbereitet werden, um weiterverarbeitet werden zu können. Hier kommt unsere Expertise in der Entwicklung und Verbesserung von natürlichen Enzymen und Zellsystemen zu tragen“, erklärt Harald Pichler, Wissenschaftler am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und am Institut für Molekulare Biotechnologie an der Technischen Universität Graz.  

 

„Die meisten Mikroorganismen können Lignocellulose, also die Zellwände von Holz bzw. Pflanzen, nicht als direkte Kohlenstoffquelle nutzen, wie man sie für die Herstellung von z.B. Biopolymeren benötigt. Deshalb ist es notwendig, dass wir diese Strukturen mithilfe physischer, chemischer und hauptsächlich enzymatischer Schritte zuerst aufschließen“, so Pichler. Dazu verwenden die Forscher Enzyme, die sie aus einem Bodenpilz, einer Schlauchpilzart namens Trichoderma reesei, isolieren. „Diese Biokatalysatoren sind in der Lage, den Einfachzucker aus den Fichtenholzrückständen herauszulösen – die Nahrungs- bzw. Kohlenstoffquelle für die Mikroorganismen. In einem mehrstufigen Prozess gewinnen wir daraufhin das gelagerte, biologisch abbaubare und umweltfreundliche Biopolymer aus den Zellen der Biomasse“, führt acib-Arbeitsgruppenleiterin Regina Kratzer aus. Fichtenhackschnitzel ist als Biomasse attraktiv, da sie in keiner Konkurrenz zu anderen Industriesparten stehen, im Überfluss vorhanden und preisgünstig sind. 

 

Vom Verpackungsmaterial bis zum Textil

Die Haupttechnologien von Bionanopolys teilen sich in vier Felder: Die ersten beiden Technologien sind Cellulose-Nanofasern und metallische Nanopartikel. Sie werden als Verstärkung von papierbasierten Materialien und nicht gewebten Textilien für die Körperpflege, wie z. B. Reinigungstücher, eingesetzt und verleihen diesen neue Funktionalitäten. Bei der dritten Technologie geht es um aktive Nanokapseln mit antimikrobieller Aktivität aufgrund verwendeter ätherischer Öle, die im Material nanoverkapselt sind. Dies reduziert Gerüche und verleiht Textilien eine antimikrobielle Wirkung. Außerdem verbessern diese Nanokapseln die Barriereeigenschaften des Verpackungsmaterials um bis zu 30 % bei gleichzeitiger Reduzierung der antimikrobiellen Belastung von Lebensmitteln. Dadurch wird der Oxidationsprozess von Lebensmitteln verzögert und deren Haltbarkeit verlängert. Block-Copolymere, die vierte Technologie, werden als Verstärkung von biobasierten und kompostierbaren Formulierungen für Folienverpackungen und Einkaufstüten sowie starre und flexible Verpackungen wie Spritzgussbesteck und Kaffeekapseln, tiefgezogene Schalen und Behälter, aber auch 3D-gedruckte, komplex geformte Teile und Schaum- und Beschichtungsanwendungen für den Automobilsektor eingesetzt. 

 

Netzwerk von Pilotanlagen und umfassendes Serviceportfolio

Um die Markteinführung von biobasierten Nano-Materialien zu beschleunigen, strebt Bionanopolys den Aufbau eines Netzwerks von 14 Pilotanlagen und ergänzende Dienstleistungen an. "Damit schafft unser Konsortium erstmals eine integrierte Plattform aus Technologien und stellt wissenschaftliches Personal und Techniker zur Verfügung, die sich ganz der Nanotechnologie auf Basis biobasierter Rohstoffe widmen", sagt Maria Jorda. Zudem wird sichergestellt, dass die neuen biobasierten, nanobasierten Materialien die gewünschten Eigenschaften haben und auch sicher in der Anwendung sind. Dazu wird Bionanopolys mit dem EU-Cluster Nanosafety (NSC) kooperieren. Life Cycle-, Social Life Cycle- und End-of-Life-Cycle-Assessments, Life Cycle Costing und Umweltverträglichkeitsanalysen werden durchgeführt, um das Recycling, die Kompostierung oder die biologische Abbaubarkeit dieser neu hergestellten Produkte zu gewährleisten. So soll Kunden eine effizientere, sicherere und umweltfreundlichere Nutzung von Materialien ermöglicht werden, um zu einer grüneren Zukunft beizutragen.

Mehr Informationen unter: https://www.bionanopolys.eu

 

Über acib

Das 2010 gegründete Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Biotech-, Chemie- und Pharmaindustrie und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild. Das acib, eine Non-Profit-Organisation, ist ein internationales Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie mit weltweiten Standorten und Hauptsitz in Graz. acib versteht sich als Partnerschaft von 150+ Universitäten und Unternehmen. Eigentümer des acib sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research. Gefördert wird das K2-Zentrum im Rahmen des COMET-Programms durch das BMVIT, BMDW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich und Tirol. Das COMET-Programm wird durch die FFG abgewickelt.


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