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Der FinTech-Siegeszug

DMZ –  TIPPS ¦ Simon Ulbrich¦                                               

 

Während Spotify damit beschäftigt war, die Musikindustrie zu revolutionieren, Netflix die DVD vergessen machte und unzählige weitere Angebote getrieben durch die Digitalisierung aus dem Boden sprießten, waren vergleichbare Entwicklungen in der deutschen Finanzbranche kaum zu finden.

 

Als sich die WELT einst näher mit dem „aberwitzigen Abenteuer, eine Bank zu gründen“ beschäftigte, attestiert sie ein toxisches Klima für Gründer und FinTech-Unternehmen (Start-ups mit Schwerpunkt Finanztechnologie). Neben dem hohen finanziellen, organisatorischen und zeitlichen Aufwand für die Beantragung einer Banklizenz hatten FinTech-Unternehmen, die ihre traditionellen Konkurrenten mit digitalen, technisch versierten Lösungen herausfordern wollten, damit zu kämpfen, dass die Bafin sie in Folge der globalen Finanzkrise mit besonderem Argwohn begutachtete.

 

Dennoch sollten FinTech-Unternehmen die Branche nachhaltig verändern. Mit wenigen Ausnahmen erkannten sowohl FinTechs als auch etablierte Banken die Vorzüge einer Zusammenarbeit. Banken konnten die Kundenbeziehung aufrechterhalten und gleichzeitig das eigene Produktangebot mit technologischen Lösungen aufwerten, deren Eigenentwicklung für sie in gleicher Qualität und Geschwindigkeit nicht darstellbar gewesen wäre. FinTechs erhielten im Gegenzug Zugang zu Millionen von Kunden unter Nutzung der Lizenzen und regulatorischen Infrastruktur ihrer Partnerbanken. Kunden durften sich über eine Vielzahl neuartige Lösungen freuen, die den Alltag erleichtern. Mit etwas Verspätung erhielt die Digitalisierung nun also auch Einzug in die Finanzbranche.

 

Chancen für den Mittelstand 

Hat sich die FinTech-Branche zunächst stark auf das Privatkundensegment konzentriert, existiert mittlerweile ebenfalls ein breites Angebot an Finanzdienstleistungen für den Mittelstand. Allerdings sind Hausbanken und traditionelle Finanzprodukte nicht zuletzt aufgrund des über lange Zeit aufgebauten Vertrauens für mittelständische Unternehmen weiterhin die erste Wahl. Dabei kann sich lohnen, sich mit den Angeboten der neuen Anbieter auseinanderzusetzen.

 

Angefangen bei der Kontoführung zeichnen sich Anbieter wie Holvi oder Kontist nicht nur durch günstige Konditionen aus, sie unterstützen außerdem bei Buchhaltung und Finanzplanung. Im internationalen Zahlungsverkehr hat sich das Unternehmen Wise etabliert, das die Kosten für Auslandsüberweisungen in Fremdwährung drastisch gesenkt hat. Einzelhändler, die Kartenzahlungen annehmen möchten, können beispielsweise über Anbieter wie SumUp oder iZettle Kartenleser bestellen. Diese werden in einem schlanken Registrierungsprozess mit dem eigenen Geschäftskonto verknüpft und sind so in kürzester Zeit einsatzbereit. Im E-Commerce unterstützen sogenannte Payment Service Provider (PSP) wie Klarna, Stripe oder Adyen bei der schnellen und einfachen Einbindung der unterschiedlichen Bezahlverfahren (PayPal, Kartenzahlung, Lastschrift etc.) inklusive administrativer Aufgaben.

 

Auch der Blick auf die Unternehmensfinanzierung zeigt Chancenpotential für den Mittelstand. Anbieter wie Lendico (Tochter der ING) werben mit unbürokratischer Beantragung von Firmenkrediten sowie schneller Kreditentscheidung und -auszahlung. Iwoca Deutschland bietet Kredite speziell für kleinere Unternehmen an, die bei traditionellen Banken oftmals an der aufwändigen Kreditprüfungen scheitern. Mit Fincompare existiert zudem eine Plattform für den Erhalt und Abschluss individueller Kreditangebote. So lassen sich auf einfache Weise Finanzierungskosten sparen. Lösungen wie Compeon bewerten die Förderfähigkeit von Projekten durch staatliche Programme und unterstützen bei der Beantragung. Außerdem haben FinTech-Unternehmen neue Formen der Finanzierung geschaffen. Über Crowdfunding-Plattformen können Finanzierungsrunden zur Beschaffung von Eigenkapital initiiert werden. Dabei wird in der Regel eine größere Anzahl privater oder institutioneller Investoren angesprochen. Umgekehrt können Crowdfunding-Plattformen genutzt werden, um nicht genutztes Kapital gewinnbringend zu investieren.

 

Selbstredend ist nicht jede FinTech-Lösung für jeden Mittelständler in jeder Phase der unternehmerischen Tätigkeit relevant. Wer Bedarf an Finanzprodukten hat, sollte sich neben den Angeboten der Hausbank dennoch auch mit den neuen Marktteilnehmern beschäftigen. Im Idealfall lassen sich so Kosten, Zeit und Komplexität reduzieren.

 

Das nächste Level: Mit Embedded Finance selbst Finanzdienstleistungen anbieten 

Darüber hinaus empfiehlt es sich für Mittelständler, sich mit dem jüngsten und angesagtesten Trend der FinTech-Szene zu beschäftigen: Embedded Finance. Dabei werden Finanzdienstleistungen in die eigene Wertschöpfungskette eingebettet, und zwar dort, wo sie für den Kunden relevant sind. Ein Beispiel ist die zunehmend beliebte Funktion „Buy now pay later“ in Onlineshops. Anstatt unter hohem Aufwand einen Konsumentenkredit bei der Bank zu beantragen oder den Dispositionskredit bzw. das Kreditkartenlimit zu erhöhen, können Konsumenten bspw. den Kauf des neuen Fernsehers mittels Fremdfinanzierung schnell und einfach während des Kaufprozesses abschließen. Dies ist nicht unbedingt neu, allerdings machen sogenannte Banking as as Service (BaaS) Provider die Integration solcher und vieler weiterer Services dank hochmoderner Schnittstellen auch für Nicht-Finanzdienstleister spielend einfach. Ein anderes Beispiel ist Auto1. Die Online-Handelsplattform für Gebrauchtwagen bietet in Zusammenarbeit mit der Solarisbank Kfz-Finanzierungen innerhalb der eigenen Prozesskette an. Auch der Versandhändler OTTO kooperiert mit der Solarisbank, um das Onboarding für Geschäftskunden zu automatisieren. Die Solarisbank stellt dabei die Lösung für die Kundenidentifizierung und Geldwäscheabwehr. Die Vorteile solcher und weiterer Ansätze liegen auf der Hand: 

  • Verbesserung des Nutzererlebnisses und Steigerung von Produktabschlüssen, Kundenzufriedenheit und -bindung.
  • Neue Einnahmequellen durch Erweiterung des Geschäftsmodells sowie ggf. Erzielung von Provisionserlösen.
  • Höhere Autonomie hinsichtlich der Gestaltung von Produkten, Prozessen und Daten.
  • Stärkung der eigenen Marke.
  • Reduzierung von Vermittlern/Zwischenhändlern und damit sinkende Kosten.

 

Lightyear Capital rechnet damit, dass der globale Embedded-Finance-Markt bis 2025 ein Umsatzvolumen von USD 230 Mrd. erreichen wird. Es ist also damit zu rechnen, dass Kooperationen zwischen Mittelstand und BaaS-Anbietern zunehmen werden. Es empfiehlt sich daher, Embedded Finance als mögliche Lösungen für Probleme in Betracht zu ziehen, um Wettbewerbsfähigkeit zu steigern oder zu erhalten. Nicht selten sind es gerade umständliche Finanzprozesse, die sich mit Blick auf ambitionierte Wachstumspläne und Kundenzufriedenheit als Flaschenhals erweisen. 

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