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Der Rechnungshof kritisiert den Bundeshaushalt – die Dimension ist das außergewöhnliche

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Dass der Rechnungshof den Haushalt der Regierung kritisiert, insbesondere dessen Transparenz bemängelt, ist leider nicht neu. Die Dimension ist es aber definitiv, solche Abweichungen und Größenordnungen hat es bisher nicht näherungsweise gegeben.

 

Der Finanzminister weist im offiziellen Haushalt eine Neuverschuldung von 17,2 Milliarden aus, was angeblich zur Einhaltung der Schuldendbremse führt, die ihm ja so besonders wichtig ist und zu deren „Anwalt“ er sich stets macht. Gerade diese eigene Darstellung macht das ganz so unappetitlich.

 

Tatsächlich haben die Regierungen der Jahre 2015 bis 2019 damals die Haushaltsüberschüsse in eine Art bilanztechnische Rücklage überführt. Das kann man durchaus bereits diskutieren, das Argument lautet, dass in guten Jahren die Schuldenbremse deutlich unterschritten wäre und man daher für die schlechten eine Reserve anlegen könne. Problematisch daran ist, dass es sich eben nicht um eine Geldreserve handelt, sondern um eine Bilanztechnik, die es erlaubt, spätere Schulden diesen Jahren zuzuordnen. Das hat also mit dem, was man unter einer Rücklage versteht, nichts zu tun.

 

Diese „Rücklage“ oder vielmehr ohne Verletzung der Schuldengrenze nachholbare Neuverschuldung beträgt 48,2 Milliarden und die werden Lindner/Scholz nun fast komplett innerhalb eines Jahres auflösen: 40,5 Milliarden an de facto in diesem Jahr neu aufzunehmender Schulden gehen also „zulasten“ früherer Jahre und werden nicht auf die Schuldengrenze angerechnet. Dieses „bilanztechnische“ Tafelsilber der vorherigen Regierungen ist also schon immer fraglich gewesen, jetzt wird der „Schatz“ fast komplett gehoben.

 

Nicht wirklich hinzu, aber vermengt wird das dann noch mit den 100 Milliarden „Sondervermögen“ für die Bundeswehr, die bekanntlich als Ausnahme nicht der Schuldenbremse zu unterwerfen sind. Auch davon steckt ein Teil im Haushaltsentwurf, der nun verabschiedet wird. Der Rechnungshof spricht daher von einer tatsächlichen Neuverschuldung in Höhe von 78,2 Milliarden – das ist nicht weniger als der vierfache von Lindner ausgewiesene Wert.

 

Man kann aus meiner Sicht durchaus zum Ergebnis kommen, dass diese Mittel erforderlich sind. Vielleicht würden aber diverse Gießkanneninstrumente zur ineffizienten und nicht funktionierenden Hilfe bei den Energiepreisen und rückblickend übrigens ähnliches bei den Corona-Hilfen doch etwas kritischer diskutiert, wenn wir die wahre Verschuldung wüssten. Da diesbezüglich keineswegs Schluss ist, wäre es nicht nur aufrichtig, sondern im Sinne einer angemessenen Krisenkommunikation sogar wichtig, das Volk über die Kassenlage zutreffend zu informieren.

 

Keinesfalls ist es angemessen, sich zugleich auch noch als Gralshüter der Schuldenbremse zu gerieren. Das gilt für den Finanzminister unmittelbar, aber durchaus auch für dessen Vorgänger, der ihm als Kanzler unwidersprochen diese Darstellung erlaubt – obwohl er ganz sicher nicht den Rechnungshof braucht, um zu wissen, wie der Haushalt tatsächlich aussieht.

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