RRRrrrr Renners Rasende Randnotiz - Warum wir träumen. Teil II

Potrait von Olivia Aloisi
Potrait von Olivia Aloisi

DMZ – KOLUMNE ¦ Alon Renner ¦                        Potrait von Olivia Aloisi 

 

Es ist doch wirklich seltsam. Unser Gehirn betreibt jede Nacht einen unglaublichen Aufwand und dann vergessen wir beim Aufwachen das fantastische Traumwerk meistens wieder. Was erzählt das Träumen über uns? Enthält es vielleicht geheime Botschaften, die wir irgendwie entschlüsseln könnten?

 

Herzlich willkommen zu meiner zweiten Kolumne über das Thema «Warum wir träumen». Wer den ersten Teil verpasst hat, kann ihn hier gerne nachlesen: https://bit.ly/3Bql36P

 

1899 revolutionierte Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse, die Deutung unserer nächtlichen Abenteuer. Sein Buch, die Traumdeutung, gehört zu den Meistgelesenen und einflussreichsten Schriften des 20.Jahrhunderts. Darin nannte er, was sich während des Schlafens in unserem Kopf abspielt, Königsweg zur Kenntnis des Unbewussten.

 

Im Traum zeige sich nach Freud auch das Triebhafte, Dunkle, Verbotene – das sei zum Teil so erschreckend für das zensierende Überich, dass Obszönitäten in den Träumen oft verschleiert würden. Die Frage stelle sich nun, wie man diese deute? Eine Schlange etwa, könnte für Sexualität oder für die Furcht vor derselben stehen. Oder kaum verschleiert, für einen Penis. Freud lehrte uns die seidenen Filme als Blick in unsere eigenen Abgründe zu verstehen.

 

In der heutigen Forschung allerdings, geht man die Sache etwas entspannter an. Ein wichtiger Schritt bildete die Trennung von der Vorstellung des Traumes als bedeutender Ausdruck des Unbewussten. Viel eher sieht man ihn mittlerweile als eigenen Bewusstseinszustand an, der viele Möglichkeiten beinhaltet. Man geht davon aus, dass unser Kopfkino hauptsächlich das widerspiegelt, was einen beschäftigt.

 

In unseren nächtlichen Abenteuern mischen sich Szenen, Eindrücke und Erlebnisse die in der realen Welt nicht zusammengehören. Die wir aber einzeln wahrgenommen haben. Über den Tag prasseln unablässig Impressionen auf uns ein. Tausende Bilder und Szenen, Geräusche, Gerüche, Begegnungen, Aufgaben die es zu lösen gilt, Notsituationen, Erleichterungen und Glück. So viele, dass sie im Wachzustand nicht zu verarbeiten sind. Während des Schlafens wird in unserem Gehirn also das aufgeräumt was tagsüber auf uns einprasselt. Als gäbe es einen Sachbearbeiter, der sortiert, löscht und neu ordnet. Es könnte also gut sein, dass in der Traumphase Emotionen und Erlebnisse aus dem Zwischenspeicher in das Langzeitgedächtnis integriert werden. Das ist eine von vielen Theorien.

 

Eine andere besagt: Wir träumen um Konflikte zu lösen, oder um uns auf schwierige Situationen vorzubereiten, dass wir quasi angstbesetzte Situationen simulieren, um im wahren Leben besser vorbereitet zu sein...

 

Ist das der Grund für die Art von Träumen, die wir ganz und gar nicht mögen? Die wir uns aber viel eher merken als die Schönen? Denn so enden Alpträume doch meistens: kurz bevor wir in den Abgrund stürzen oder uns der Verfolger erwischt, schrecken wir hoch. Eine Art Selbstschutz davor, den eigenen Tod zu träumen. Weil das dann auch der Moment ist, in dem das Kontrollzentrum unseres Gehirns erwacht, behalten wir gerade die Alpträume in Erinnerung, die uns Angst machen. Und denen wir uns ausgeliefert fühlen.

 

Gar viele Menschen leiden unter solchen Erlebnissen und im schlimmsten Fall fürchten sie sich davor, wieder einzuschlafen. Über 5% aller Erwachsenen werden regelmässig von Angstträumen heimgesucht.

In einer Studie wurden 28 alptraumgeplagte Personen untersucht. Jeder sollte sich an einen besonders Schlimmen erinnern, ihn aufschreiben und sich anschliessend eine positive Wendung ausdenken. Den Bilderfluss umschreiben, wie ein Theaterstück. Und danach übten sie diese neue Version ein. D.h. sie erinnerten sich mehrmals am Tag an den Traum und das positive Ende. Das Ziel war es, die Hilflosigkeit zum Verschwinden zu bringen und durch ein Gefühl der Lösungsfindung zu ersetzen. Von 28 Menschen gelang es dann auch tatsäc

hlich 18 ihre Hirngespinste zu zähmen.

 

Wenn Träume soviel Einfluss auf unser Wohlbefinden haben und wir imstande sind Alpträume zu beeinflussen, was wäre, wenn es uns gelänge, die Schönen bewusst hervorzurufen? Dies ist die hohe Kunst des Schlafens und nennt sich luzides Träumen. Was so etwas Ähnliches wie Klarträumen bedeutet. In einem luziden Traum verändert sich die Bewusstseinsebene. Teile des Wach- und des Schlafzustands treten gleichzeitig auf. Man kann also während des Schlafens aufwachen und erkennen das man träumt. Aber auch sich selbst von aussen betrachten und teilweise sogar die Kontrolle über das Geschehen ausüben, aktiv gestalten. Mit Delphinen schwimmen, fliegen, Erotisches verwirklichen und einen Verstorbenen umarmen. Was sich viel realistischer anfühlt, als wenn man sich dies nur vorstellen würde. Im Grunde ist im Klartraum alles möglich.

Faszinierend an Träumen ist, dass sie parallel zu unserer psychologischen Entwicklung verlaufen. Zum Beispiel bei Menschen die einen Partner verloren haben. Ihre Trauer, ihre Träume und deren Veränderungen verlaufen parallel zu ihrer psychologischen Verarbeitung während des Wachseins. Und es ist nicht nur so, dass die Weise des Denkens im Wachen die Weise verändert wie man träumt, sondern es geht sehr wahrscheinlich in beide Richtungen. Doch Träume können uns nicht nur helfen Verluste zu verarbeiten, sie können sogar genutzt werden, um bestimmte Fähigkeiten zu trainieren.

 

Im Klartraum lassen sich Sprachen lernen und Bewegungsabläufe diverser Sportarten trainieren. Und das Verrückte ist, dass dies den gleichen Effekt hat, wie wenn man dies in der Realität tun würde. Nur ist das Erreichen dieses Bewusstseinszustandes nicht ganz so einfach. Es ist ein wenig wie bei der Meditation, nur durch intensive Konzentrationsschulung lässt sich diese Ebene erreichen. Eine Übung besteht darin, sich im Wachzustand immer wieder bewusst zu fragen, ob man träumt oder ob man wach ist. Das Ziel ist, dass man sich genau diese Frage irgendwann auch im Traum stellt. Und dadurch klarträumt. Dafür, benötigt es aber viel, viel Training.

 

Träume sind also ein Schlüssel in eine Welt voller Fantasie, die der Vernunft entzogen ist. Sollten wir mehr träumen? Ja, unbedingt! Ohne unsere Träume, dieses andere Bewusstsein, könnten wir im Wachleben nicht bestehen.

 

Hat Euch die Kolumne gefallen? Nächste Woche träume ich von einem erfolgreichen Literaturfestival, denn Die Rahmenhandlung besucht Bad Ragaz. Hierfür veröffentliche ich dann seit langem wieder eine Playlist. Eine Playlist, mit den schönsten Songs aller Zeiten zum Thema Träumen.

 

Ganz liebe Grüsse

Euer Alon

 

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Kommentare: 1
  • #1

    fritze (Sonntag, 11 September 2022 19:46)

    geniale analyse!